Das im britischen Recht vorgesehene freie Wahlrecht des „conventional name“ entspricht in keiner Weise den Prinzipien des deutschen Namens- und Personenstandsrechts. Im deutschen Recht ist grundlegend verankert das Prinzip der Namenskontinuität und Namensstabilität. Eine Namensänderung nach englischem Recht in Form einer sogenannten „deed poll“ widerspricht damit dem ordre public (Art. 48 EGBGB). Dies gilt umso mehr, wenn der nach englischem Recht angenommene Name einem deutschen Adelstitel nachempfunden ist (im Anschluss an StAZ 1980, 285 = IPRspr. 1980 Nr. 184). [LS der Redaktion]
[Der nachgehende Beschluss des OLG Nürnberg – 11 W 2151/14 –, mit dem die Beschwerde der ASt. zurückgewiesen wurde, wird im Band IPRspr. 2015 abgedruckt; eine Rechtsbeschwerde ist beim BGH unter dem Az. XII ZB 292/15 anhängig. Vgl. auch die EuGH-Vorlage des AG Karlsruhe vom 17.9.2014 in diesem Band. (IPRspr 2014-20)]
Die ASt. ist deutsche Staatsangehörige, sie wurde in Erlangen geboren und ihre Geburt dort vom Standesamt beurkundet. Als Geburtsname wurden die Vornamen „...“ und als Familienname „...“ eingetragen. 2011 erwarb die ASt., die ihren Wohnsitz mittlerweile in London hat, zusätzlich die britische Staatsangehörigkeit, legte mit „deed poll“ aufgrund Erklärung gegenüber der britischen Botschaft in Bern ihren bisherigen Namen „...“ ab und erklärte, fortan den Namen „... Gräfin von ...“ führen zu wollen. Der britische Reisepass der ASt. lautend auf diesen Namen. Gegenüber dem Standesamt Erlangen erklärte die ASt., dass sie das Standesamt anweise, den von ihr in Großbritannien geführten Namen „... Gräfin von ...“ auch in Deutschland in das deutsche Personenstandsregister einzutragen. Nachdem das Standesamt dies verweigert hatte, beantragt die ASt. nun eine entsprechende Anweisung seitens des Gerichts.
[1]II. Das Begehren der ASt., das Standesamt Erlangen möge dazu angewiesen werden, das Geburtenregister insoweit fortzuschreiben, dass die Vornamen der ASt. ‚...’ und der Familienname ‚Gräfin von ...’ laute, ist unbegründet. Denn die Voraussetzungen des Art. 48 EGBGB sind hier nicht insoweit erfüllt, dass eine Folgebeurkundung im Geburtseintrag möglich wäre.
[2]Zunächst ist klarzustellen, dass die ASt. ganz konkret die Folgebeurkundung im Geburtseintrag hinsichtlich der in Großbritannien erfolgten Namensänderung verlangt. Gegenstand des Verfahrens ist somit allein die Frage, ob der Geburtsname bzw. die Vornamen und der Familienname der ASt. geändert wurden und daher dies durch Fortführung des Geburtenregisters kenntlich gemacht werden müsste. Gemäß § 36 PStG ist eine Änderung des Familiennamens nur dann für eine Folgebeurkundung relevant, wenn die Änderung den ‚Geburtsnamen’ betrifft. Die durch deed poll vorgenommene Änderung des Namens schlägt aber nicht durch auf den ‚Geburtsnamen’ im Sinne des deutschen Personenstandsrechts.
[3]Zur Begründung ist Folgendes auszuführen: Nach englischem Recht ist eine Änderung des Namens durch schlichte notarielle Erklärung (deed poll) zulässig und begründet sowohl ein privatrechtliches als auch ein öffentlich-rechtliches Namensführungsrecht (OLG Hamburg, Beschl. vom 21.1.1980 – 2 W 36/79 (IPRspr. 1980 Nr. 184), StAZ 1980, 285 [286]). Die Unterteilung der Namen nach deutschem Recht in ‚Familienname’, ‚Ehename’, ‚Geburtsname’ usw. ist dem englischen Recht allerdings fremd. Dieses unterscheidet vielmehr zwischen legal name und conventional name. Der legal name ist hierbei der Name, den man mit der Geburt erlangt. Niemand ist nach englischem Recht gezwungen, seinen legal name zu führen. Jeder kann seinen conventional name – auch ohne Zusammenhang mit ‚von außen kommenden Ereignissen’ wie etwa Heirat, Adoption o.ä., welche die Führung eines vom legal name abweichenden Namens mit sich bringen – selbst bestimmen. Zur Namensänderung Erwachsener genügt also nach britischem Recht letztlich der zum Ausdruck gebrachte Wille des Betroffenen (s. Luther, StAZ 1980, 61 [62]). Allerdings hat die Änderung des conventional name – die hier durch deed poll erfolgt ist – keine Auswirkungen auf den legal name (Luther aaO). Mit dem Geburtsnamen nach deutschem Recht kann daher der conventional name nicht gleichgestellt werden. Vergleichbar mit dem ‚Geburtsnamen’ ist daher nur der legal name (Luther aaO). Der conventional name überlagert den legal name lediglich, verdrängt ihn aber nicht. Der durch deed poll geänderte Name kann daher nicht als Geburtsname im Sinne des deutschen Personenstandsregisters anerkannt werden (OLG Hamburg aaO 287); OLG München, Beschl. vom 23.1.2009 – 31 Wx 33/08 (IPRspr 2009-282b)). Offen bleiben kann die Frage, ob der conventional name etwa bei der Beurkundung einer Eheschließung als der eben unmittelbar vor Eheschließung geführte Familienname Berücksichtigung findet oder inwiefern Auswirkungen auf den Namen bestehen, den die ASt. nach Geburt ihrer Kinder diesen geben wird. All dies ist gerade nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Eine Folgebeurkundung gemäß § 27 PStG ist hier – wie dargelegt – nicht erforderlich bzw. zulässig, da keine Änderung des legal name vorliegt.
[4]Eine andere Beurteilung könnte allenfalls dann gelten, wenn die nach britischem Recht vorgenommene Änderung einem Tatbestand gleichkommt, der nach deutschem Recht ausnahmsweise als Änderung des Geburtsnamens zu würdigen wäre (so OLG München aaO). Ein solcher Ausnahmefall ist hier aber nicht ersichtlich. Es wurde von der ASt. zu keinem Zeitpunkt – auch nicht auf Nachfrage durch das Standesamt – dargelegt, dass die Namensänderung irgendeinen Bezug zu familiären Hintergründen oder früheren Namensführungen oder etwa einer Adoption aufweist. Vielmehr drängt sich hier geradezu auf, dass die ASt. schlichtweg ihren ‚Wunschnamen’ nach britischem Recht angenommen hat.
[5]Selbst wenn man aus Art. 48 EGBGB – dessen Anwendbarkeit unterstellt – den Rückschluss zöge, dass eine rechtliche Qualifikation des im Ausland erworbenen Namens gerade nicht vorgesehen wäre und man – nach Ausübung des Wahlrechts nach Art. 48 EGBGB – eben den in Großbritannien geführten Namen hier als einzig maßgeblichen Namen ebenfalls in Personenstandsregister pauschal als Namensänderung übernehmen müsste, könnte hier dennoch jedenfalls deshalb keine Folgebeurkundung im Geburtseintrag der ASt. erfolgen, weil jedenfalls die Ausnahmeregelung des Art. 48 Satz 1 Halbs. 2 EGBGB eingreift. Die obigen Überlegungen zur rechtlichen Einordnung der Erklärung in Großbritannien (deed poll) gelten jedenfalls an dieser Stelle der Subsumtion unter die Voraussetzungen des Art. 48 EGBGB.
[6]Die genannte Regelung stellt den deutschen ordre public als Schranke auf. Art. 48 EGBGB enthält die Einschränkung, dass die Namensänderung nicht von den deutschen Behörden akzeptiert werden muss, wenn sie mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Dies ist hier der Fall. Jedenfalls an dieser Stelle muss Berücksichtigung finden, dass die Namensänderung nach englischem Recht etwas ‚Privates’ ist und vom Namensträger jederzeit unabhängig von einer familienrechtlichen Statusänderung durch Erklärung abgeändert werden kann, sogar in der Folge weitere Male (OLG München aaO; OLG Hamburg aaO 287 a.E.). Dies entspricht in keiner Weise den Prinzipien des deutschen Namens- und Personenstandsrechts. Im deutschen Recht ist grundlegend verankert das Prinzip der Namenskontinuität und Namensstabilität. Das im britischen Recht vorgesehene freie Wahlrecht des conventional name ist hiermit unvereinbar.
[7]Nur ergänzend kommt bei diesen Überlegungen zum Tragen, dass sich die ASt. nicht nur einen conventional name in Großbritannien bestehend aus völlig neuen Vornamen und Nachnamen gegeben hat, sondern dass sie sich noch dazu einen Adelstitel (‚Gräfin von ...’) als Familiennamen ausgesucht hat. Nach der st. Rspr. des BVerwG ist bei der Gewährung von Adelsnamen mit Blick auf Art. 109 III 2 Weimarer Reichsverfassung i.V.m. Art. 123 GG Zurückhaltung geboten. Adelsbezeichnungen gelten nach der als einfaches Gesetzesrecht fortgeltenden Regelung der Weimarer Reichsverfassung nur als Teil des Namens und dürfen nicht mehr verliehen werden. Daher dürfen auch im Wege der Namensänderung Namen mit Adelsbezeichnungen nur ausnahmsweise gewährt werden (vgl. BVerwG, Urt. vom 11.12.1996 – 6 C 2.96, NJW 1997, 1594 m.w.N.; VG Berlin, Urt. vom 21.5.2010 – 3 K 9/09). Das Gericht verkennt nicht, dass vorliegend keine ‚Verleihung’ eines Adelstitels vorliegt. Gleichwohl hat der aus der verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung entwickelte Gedanke auch hier Geltung. Das Gericht ist der Auffassung, dass in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem keinerlei Bezug zu dem ‚Adelstitel’ ersichtlich ist, jedenfalls ein Verstoß gegen den ordre public vorliegt. Es mag durchaus denkbar sein, dass ein Verstoß gegen den ordre public etwa dann nicht vorläge, wenn ein früherer Adelsname auf diesem Wege wieder angenommen würde (so etwa LG Heidelberg, Beschl. vom 4.2.1988 – 7 T 56/86, IPRax 1989, 52 (IPRspr. 1988 Nr. 6)). Dies ist hier – wie dargelegt – aber nicht ansatzweise ersichtlich. Die von der ASt. zitierten Entscheidungen betreffen im Übrigen nicht einen vergleichbaren Sachverhalt, sondern beurteilen stets die rechtliche Fragestellung im Zusammenhang mit der Weitergabe des Namens an ein Kind.
[8]Ebenfalls nur ergänzend ist auszuführen, dass das Gericht bereits der Auffassung ist, dass Art. 48 EGBGB aufgrund teleologischer Auslegung bzw. teleologischer Reduktion hier überhaupt nicht anwendbar ist und der ASt. somit das behauptete Wahlrecht aus Art. 48 EGBGB gar nicht zusteht. Auf diesen Punkt kommt es aber – wie dargelegt – nicht an, da jedenfalls auch aus anderen Gründen die Namensänderung hier nicht durch Folgebeurkundung ins Geburtenregister Eingang findet.
[9]In der Rechtswissenschaft versteht man unter Auslegung, oder Interpretation die Ermittlung des Sinnes einer Rechtsnorm. Die Auslegung kommt ins Spiel, wenn bei der Anwendung eines Gesetzes eine mögliche Diskrepanz zwischen Wortlaut und Sinn besteht. Aber auch wenn der Wortlaut an sich eindeutig ist – und das ist der häufigere Fall –, kommt man bei der Rechtsanwendung nicht ohne Rückgriff auf die ratio legis aus, wenn der Gesetzgeber – wie häufig – mit seiner Formulierung nicht alle Fälle richtig erfasst hat (s. hierzu allgemein: Staudinger-Honsell, BGB, 2013, Buch 1, Einl. Rz. 114). Unter der ratio legis versteht man den Zweck einer Rechtsregel, ihren Sinn als Teil einer gerechten und zweckmäßigen Ordnung (Staudinger-Honsell aaO Rz. 149). Die Vorschrift des Art. 48 EGBGB stellt eine Reaktion des Gesetzgebers auf die namensrechtliche Rechtsprechung des EuGH dar, der die ‚Einnamigkeit’ innerhalb der EU als notwendige Voraussetzung der von Art. 21 AEUV gebotenen Freizügigkeit ansieht und erzwingt (Urt. vom 14.10.2008 – Stefan Grunkin u. Dorothee Regina Paul, Rs C-353/06, Slg. 2008 I-7639). Der deutsche Gesetzgeber hat sich für ein Wahlrecht zwischen den verschiedenen Namensführungen entschieden und in Art. 48 EGBGB normiert. Im Gesetzesentwurf der Bundesregierung REGEntwf wurde zur Begründung angeführt, es solle in Fällen, die der vom EuGH entschiedenen Rechtssache Grunkin-Paul entsprechen, eine Rechtsgrundlage für die Eintragung eines im EU-Ausland erworbenen und dort in ein Personenstandsregister eingetragenen Namens geboten werden (Staudinger-Hepting/Hausmann aaO EGBGB/IPR Art. 48 EGBGB Rz. 2). Der Gesetzgeber hatte hierbei Sachverhalte im Blick, bei denen die Betroffenen eine hinkende Namensführung nicht selbst beheben konnten und diese sich noch dazu negativ auf deren Freizügigkeit auswirkte. Die hier gegebene ‚hinkende Namensführung’ beruht aber allein auf einer ‚willkürlichen’ Änderung des Namens der ASt., die diese auf eigenen Wunsch hin vorgenommen hat. Die Änderung beruht vorliegend also nicht etwa auf einem personenstandsrechtlichen Ereignis. Die ASt. hat Ausweisdokumente für beide Namen. Die ASt. ist nicht schutzwürdig. Sie könnte die hinkende Namensführung durch erneute Erklärung in Großbritannien durch deed poll wieder rückgängig machen. Das Gericht verkennt nicht, dass Art. 48 EGBGB keine Prüfung dahingehend vornimmt, ob ein im Ausland erworbener Name rechtmäßig erworben wurde oder aufgrund welchen Tatbestands. Die Vorschrift wurde aber eingeführt, um hinkende Namensführungen durch Wahl eines einzigen Namens aufzulösen und damit ‚Einnamigkeit’ herbeizuführen, um hierdurch eine unangenehme und unlösbare Situation für die Betroffenen zu beenden. Hier hat die ASt. aber schlichtweg den Entschluss gefasst, einen neuen Namen führen zu wollen, was nach englischem Recht möglich ist. Einen nachvollziehbaren Grund hierfür kann das Gericht nicht erkennen. Art. 48 EGBGB hat aber den Sinn und Zweck, Personen aus einer gewissermaßen unverschuldeten Situation von Namensverschiedenheit herauszuhelfen. Ein Fall wie der vorliegende ist hierbei sicherlich nicht gemeint gewesen.