Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV folgende Frage zur Beantwortung vorgelegt:
Sind Art. 18 und 21 AEUV dahingehend auszulegen, dass die Behörden eines Mitgliedstaats verpflichtet sind, die Namensänderung eines Angehörigen dieses Staats anzuerkennen, wenn dieser zugleich Angehöriger eines anderen Mitgliedstaats ist und in diesem Mitgliedstaat während eines gewöhnlichen Aufenthalts durch eine nicht mit einer familienrechtlichen Statusänderung verbundene Namensänderung einen frei gewählten und mehrere Adelsprädikate enthaltenden Namen erworben hat, sofern eine zukünftige substanzielle Verbindung zu diesem Staat möglicherweise nicht besteht und in dem ersten Mitgliedstaat zwar der Adel verfassungsrechtlich aufgehoben ist, die zu dem Zeitpunkt der Abschaffung geführten Adelsbezeichnungen jedoch als Namensbestandteil fortgeführt werden dürfen?
In dem Rechtsstreit streiten der Beteiligte zu 1) – ASt. –, ein deutscher und britischer Staatsangehöriger, und die Beteiligte zu 2), das Standesamt der Stadt Karlsruhe, über eine Eintragung im Geburtenregister. Der ASt. wurde als ... geboren. Die Geburt wird in dem Geburtenregister des Standesamts ... geführt. Im Wege der Adoption erlangte der ASt. später seinen jetzigen Familiennamen ... 2004 erwarb der er die britische Staatsangehörigkeit unter gleichzeitiger Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit. Nach englischem Recht ist – anders als nach deutschem Recht – eine gewillkürte Namensänderung durch Erklärung und Registrierung bei dem obersten Zivilgericht und anschließende öffentliche Bekanntmachung möglich. Eine solche nahm der ASt. durch Erklärung gegenüber dem Obersten Gerichtshof (Supreme Court) von England und Wales, London, bezeichnet als deed poll, unter Hinzufügung der ehemaligen Adelsprädikate „Graf“ und „Freiherr“ vor. Das Gericht bestätigte die Registrierung (enrolment). Die Erklärung des ASt. wurde in der London Gazette veröffentlicht. 2013 erklärte der ASt. in öffentlich beglaubigter Form, dass er das Standesamt der Stadt Karlsruhe nach Art. 48 EGBGB anweise, den geänderten Familiennamen als Geburtsnamen in das Geburtenregister einzutragen. Das Standesamt hat die Eintragung nicht vorgenommen.
Das Verfahren wurde ausgesetzt.
[1]II. Die für den Fall maßgeblichen Normen des deutschen Rechts sind im EGBGB i.d.F. der Bek. vom 21.9.1994 (BGBl. I 2494, ber. 1997 I 1061) enthalten. (Art. 48 EGBGB wurde geschaffen durch das ‚Gesetz zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung [EU] Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts’ vom 23.1.2013, in Kraft seit 29.1.2013 [BGBl. I 101]):
[2]‚Artikel 5
[3]Personalstatut
[4](1) Wird auf das Recht des Staates verwiesen, dem eine Person angehört, und gehört sie mehreren Staaten an, so ist das Recht desjenigen dieser Staaten anzuwenden, mit dem die Person am engsten verbunden ist, insbesondere durch ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder durch den Verlauf ihres Lebens. Ist die Person auch Deutscher, so geht diese Rechtsstellung vor.
[5]Artikel 6
[6]Öffentliche Ordnung (ordre public)
[7]Eine Rechtsnorm eines anderen Staates ist nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Sie ist insbesondere nicht anzuwenden, wenn die Anwendung mit den Grundrechten unvereinbar ist.
[8]Artikel 10
[9]Name
[10](1) Der Name einer Person unterliegt dem Recht des Staates, dem die Person angehört.
[11]Artikel 48
[12]Wahl eines in einem anderen EU-Mitgliedstaat erworbenen Namens
[13]Unterliegt der Name einer Person deutschem Recht, so kann sie durch Erklärung gegenüber dem Standesamt den während eines gewöhnlichen Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erworbenen und dort in ein Personenstandsregister eingetragenen Namen wählen, sofern dies nicht mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Die Namenswahl wirkt zurück auf den Zeitpunkt der Eintragung in das Personenstandsregister des anderen Mitgliedstaats, es sei denn, die Person erklärt ausdrücklich, dass die Namenswahl nur für die Zukunft wirken soll. Die Erklärung muss öffentlich beglaubigt oder beurkundet werden. (...).’
[14]Nachdem das Gericht sein Augenmerk zunächst auf die Prüfung der tatsächlichen Voraussetzungen des Art. 48 EGBGB, insbesondere der umstrittenen Frage des gewöhnlichen Aufenthalts in dem anderen Mitgliedstaat der EU, gelegt hat, muss es nun ebenfalls beurteilen, ob die Namenswahl möglicherweise mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Es ist sich hierbei jedoch des Spannungsverhältnisses mit den unionsbürgerlichen Grundfreiheiten der Art. 18 ff. AEUV bewusst ...
[15]Ist in Deutschland die gewillkürte Namensänderung nicht erlaubt, so hat dies seinen Grund vornehmlich darin, dass der Name als verlässliches und dauerhaftes Kennzeichnungsmerkmal zur Verfügung stehen soll. Als legitimer Zweck der Nichtanerkennung erscheint damit auch der Grundsatz der Namenskontinuität als diskussionswürdig (so auch Wall, StAZ 2012, 184, 188 m.w.N.). Es ist danach zu fragen, ob das öffentliche Interesse in dem Punkt der Namenskontinuität – dies besonders in Zeiten erhöhter Mobilität der Menschen – die Freiheit zur beliebigen Namenswahl überwiegt. Umgekehrt kann es nicht dem öffentlichen Interesse entsprechen, dass eine größere Anzahl von Bürgern durch einen gezielten ‚Namenstourismus’, möglicherweise sogar wiederholt, den Namen ändert und anschließend bei den deutschen Behörden die Änderung der Geburtenregister und Identitätsnachweise begehrt. Es muss jedoch beachtet werden, dass die Regelung des Art. 48 EGBGB bereits dadurch, dass sie einen Namenserwerb während eines gewöhnlichen Aufenthalts in dem anderen Mitgliedstaat voraussetzt, die beliebige Namenswahl deutlich einschränkt.
[16]Teilweise wird zum Zweck der Eindämmung der beschriebenen Phänomene ein zusätzliches Korrektiv vorgeschlagen, welches darin bestehen könnte, von dem die Namensänderung herbeiführenden Unionsbürger eine auch in Zukunft fortbestehende, substanzielle Verbindung zu dem anderen Staat zu fordern (so Rieck, NJW 2009, 125, 128). Der EuGH wird im Rahmen dieser Vorlage auch um Beantwortung der Frage gebeten, ob eine solche durch richterliche Rechtsfortbildung eingeführte Einschränkung mit dem Gemeinschaftsrecht zu vereinbaren wäre.
[17]Das AG hält es für entscheidungserheblich, ob die genannten Gründe im Hinblick auf den besonderen Rang unionsrechtlicher Grundfreiheiten eine Ablehnung des Antrags rechtfertigen können. In den deutschen juristischen Fachpublikationen wird die Frage des Anwendungsbereichs des Art. 48 EGBGB und insbesondere der Einbeziehung isolierter Namenserwerbe diskutiert (Wall, StAZ 2012, 169, 170; ders. StAZ 2012 aaO 185, 187; ders. StAZ 2013, 237, 239; Freitag, StAZ 2013, 69; Mankowski, StAZ 2014, 97, 105). Die Rechtsfrage ist auch nicht bereits durch die bisherige Rspr. des EuGH hinreichend geklärt. Die Rechtssachen ‚Grunkin-Paul’ (Urt. vom 14.10.2008 – Stefan Grunkin und Dorothee Regina Paul, Rs C-353/06, Slg. 2008 I-7639), und ‚Garcia Avello’ (Urt. vom 2.10.2003 – Carlos Garcia Avello ./. Belgischer Staat, Rs C-148/02, Slg. 2003 I-11613) betreffen Fälle, in denen bereits seit der Geburt der Person eine Namensabweichung besteht. Die Rechtssache ‚Sayn-Wittgenstein’ (Urt. vom 22.12.2010 – Ilonka Sayn-Wittgenstein ./. Landeshauptmann von Wien, Rs C-208/09, Slg. 2010, I-13693) unterscheidet sich dadurch, dass zum einen keine doppelte Staatsbürgerschaft bestand, zum anderen die Namensabweichung durch Adoption herbeigeführt wurde und ferner die Verfassungsidentität der Republik Österreich in dem Aspekt der Führung von Adelsnamen nur bedingt mit derjenigen der Bundesrepublik Deutschland vergleichbar ist.