Das mit Blick auf einen Vaterschaftseintrag im Personenstandsregister anwendbare Recht bestimmt sich nach dem Abstammungsstatut.
Bei der Frage nach dem Fortbestand einer früheren Ehe der Kindesmutter handelt es sich um eine selbständig anzuknüpfende Vorfrage für die Abstammung des Kindes.
Hängt der Fortbestand der Ehe von der Gestaltungswirkung einer ausländischen gerichtlichen Entscheidung (Ehescheidung) ab, ist wegen der Vorrangigkeit des Verfahrensrechts gegenüber dem Kollisionsrecht darauf abzustellen, ob die ausländische Entscheidung im Inland anerkannt worden ist. Vor der erforderlichen Anerkennung der Entscheidung durch die Landesjustizverwaltung entfaltet die ausländische Entscheidung im Inland keine Wirkungen (im Anschluss an BGHR 2008, 26 = IPRspr. 2007 Nr. 4).
Die Parteien streiten über eine Änderung des Familiennamens. Die ASt. hat 2005 in Hamburg ein Kind geboren. Bei der Geburtsanzeige hat die Kindesmutter dem Standesamt ein Scheidungsurteil des AG Hamburg vorgelegt, demzufolge ihre 2000 in der Türkei geschlossene Ehe mit Herrn R.Ü. geschieden wurde. Ihr Familienname sowie derjenige des Kindes wurden mit „Ü.“ in das Geburtsregister eingetragen. Später stellte sich heraus, dass sie bereits im Jahr 1996 in der Türkei eine erste Ehe mit dem Beteiligten zu 2) eingegangen war und den Ehenamen „T.“ führte. Diese Ehe wurde 1999 in der Türkei geschieden; eine förmliche Anerkennung der Scheidung in Deutschland erfolgte nicht. Die ASt., die seit ihrer Geburt in Deutschland lebt, war zunächst türkische Staatsangehörige. Durch Einbürgerung erhielt sie 1998 die deutsche Staatsangehörigkeit. Durch Beschluss des türkischen Ministerrats erhielt sie auf Antrag zusätzlich die türkische Staatsangehörigkeit. Beide Ehemänner der ASt. waren türkische Staatsangehörige. Der Beteiligte zu 2) ist zwischenzeitlich verstorben. Herr H.A., türkischer Staatsangehöriger, hat 2006 die Vaterschaft für das Kind anerkannt; die ASt. hat dem Vaterschaftsanerkenntnis zugestimmt.
Das FamG hat dem Antrag der Aufsichtsbehörde entsprechend ausgesprochen, der Geburtseintrag sei dahingehend zu berichtigen, dass der Familienname der ASt. und ihres Kindes „T.“ laute und der Beteiligte zu 2) Vater des Kindes sei. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der ASt.
[1]II. Die gemäß §§ 51 I 1 PStG, 58 ff. FamFG zulässige, insbes. frist und formgerecht eingelegte Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg ...
[2]1. Vaterschaftseintrag
[3]Der Vaterschaftseintrag registriert die rechtliche Abstammung des Kindes vom Vater. Die insoweit anzuwendende Rechtsordnung bestimmt sich daher nach dem Abstammungsstatut. Art. 19 EGBGB sieht für die Bestimmung der väterlichen Abstammung drei alternative Anknüpfungsmöglichkeiten vor, nämlich den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes, das Heimatrecht des Vaters oder bei einer verheirateten Mutter das zum Geburtszeitpunkt des Kindes nach Art. 14 EGBGB berufene Recht. Nach allen diesen Kriterien kommt nur die Anwendung deutschen oder türkischen Rechts in Betracht, da der Sachverhalt keine Verbindung zu einem dritten Staat aufweist. Nach deutschem Recht ist rechtlicher Vater bei Fehlen einer Vaterschaftsanfechtung der Ehemann der Mutter (§ 1592 BGB). Gleiches gilt nach türkischem Recht bei Geburt des Kindes während bestehender Ehe (Art. 285 türk. ZGB).
[4]Sowohl nach deutschem wie nach türkischem Recht ist daher, sofern die ASt. bei Geburt des Kindes verheiratet war, ihr Ehemann als Vater des Kindes zu bestimmen und entsprechend in das Register einzutragen. Die ASt. war zunächst mit dem Beteiligten zu 2) verheiratet. Bei der Frage nach dem Fortbestand dieser Ehe handelt es sich um eine selbständig anzuknüpfende Vorfrage für die Abstammung des Kindes (OLG München, FamRZ 2008, 1772 (IPRspr 2008-68); Palandt-Thorn, BGB, 73. Aufl., Art. 19 EGBGB Rz. 8). Im vorliegenden Fall kommt es maßgeblich darauf an, ob die erste Ehe der ASt. durch Scheidung beendet worden ist. Der Senat ist mit der h.M. (Nachweise in BGH, NJW 2007, 3347 (IPRspr. 2007 Nr. 4), Tz. 20; OLG Düsseldorf, FamRZ 1999, 328 (IPRspr. 1998 Nr. 14); juris-PK/Janal Art. 10 EGBGB Rz. 40 m.w.N.) der Auffassung, dass in derartigen Fällen, in denen die materielle Rechtslage von der Gestaltungswirkung einer gerichtlichen Entscheidung abhängt, das Verfahrensrecht im Verhältnis zum Kollisionsrecht vorrangig ist. Demnach kommt es mit Blick auf die Gestaltungswirkung ausländischer Gerichtsentscheidungen darauf an, ob diese nach deutschem Verfahrensrecht im Inland anzuerkennen sind.
[5]Die Anerkennung der in der Türkei am 10.11.1999 erfolgten Scheidung der ersten Ehe der ASt. im Inland erfordert sowohl gemäß § 107 FamFG als auch nach der früheren Regelung in Art. 7 § 1 FamRÄndG eine ausdrückliche behördliche Anerkennungsentscheidung. Ein entspr. Verfahren ist – trotz mehrfacher Hinweise sowohl des Standesamts als auch des AG – im vorliegenden Fall von der ASt. nicht eingeleitet worden. Die Durchführung eines förmlichen Anerkennungsverfahrens war auch nicht aufgrund der für Heimatstaatscheidungen geltenden Ausnahmeregelung (§ 107 I 2 FamFG bzw. Art. 7 § 1 I 2 FamRÄndG) entbehrlich. Denn zum Zeitpunkt der Scheidung am 10.11.1999 war die ASt. bereits deutsch-türkische Doppelstaatlerin. In derartigen Fällen ist die deutsche Staatsangehörigkeit des Doppelstaatlers entspr. der Regelung in Art. 5 I 2 EGBGB vorrangig (BayObLG, FamRZ 1990, 897 (IPRspr. 1990 Nr. 218); Keidel-Kuntze-Zimmermann, FGG, 17. Aufl., § 107 FamFG Rz. 19 m.w.N.), so dass die Scheidung durch ein Gericht des ausländischen Staats, dem beide Ehegatten (auch) angehören, dennoch nicht als Heimatstaatscheidung anzusehen ist.
[6]Vor der positiven Entscheidung der Landesjustizverwaltung über die Anerkennungsfähigkeit entfaltet die ausländische Entscheidung im Inland keine Wirksamkeit und ist daher insoweit unbeachtlich. Dies folgt aus dem Wortlaut der § 107 I 2 FamFG, Art. 7 § 1 I Nr. 2 FamRÄndG, die die Anerkennung davon abhängig machen, dass eine Feststellung über das Vorliegen der Anerkennungsvoraussetzungen im Anerkennungsverfahren tatsächlich getroffen worden ist (BGH, FamRZ 1982, 1203 (IPRspr. 1982 Nr. 170); BGHZ 64, 19, 22 (IPRspr. 1975 Nr. 98)). Einen Antrag auf Aussetzung des vorliegenden Verfahrens, um die Anerkennung der Auslandsentscheidung herbeiführen zu können, hat die ASt. nicht gestellt. Die Aussetzung des Verfahrens ist auch nicht von Amts wegen geboten. Das Anerkennungsverfahren ist als Antragsverfahren ausgestaltet, unterstellt also die Anerkennung der Auslandsentscheidung im Inland ausdrücklich der Disposition der Beteiligten. Eine Pflicht zur amtswegigen Aussetzung solcher Verfahren, für die die Anerkennung der Scheidung eine Vorfrage darstellt, würde die Verfahrensbeteiligten einem indirekten Zwang zur Durchführung des Anerkennungsverfahrens aussetzen, die mit der dispositiven Ausgestaltung des Anerkennungsverfahrens nicht in Übereinstimmung stehen würde (BGH, FamRZ 1982 aaO). Eine Aussetzung von Amts wegen (§ 21 FamFG) kommt daher nur bei Vorliegen besonderer Gründe in Betracht, die hier nicht ersichtlich sind. Aufgrund der Hinweise seitens des Standesamts und des AG hatte die ASt. ausreichend Gelegenheit, das Anerkennungsverfahren von sich aus einzuleiten. Da sie dies nicht getan hat, ist davon auszugehen, dass sie eine Anerkennung der Auslandsscheidung im Inland nicht erstrebt.
[7]Nach alledem ist die Scheidung der ersten Ehe der ASt. für das vorliegende Verfahren unbeachtlich. Mithin war der erste Ehemann der ASt., der Beteiligte zu 2), bei Geburt des Kindes M. noch mit der ASt. verheiratet, während die zweite Ehe der ASt. zu diesem Zeitpunkt bereits durch deutsches Scheidungsurteil – und damit nach den o.g. Grundsätzen über die Vorrangigkeit gerichtlicher Gestaltungsentscheidungen wirksam – geschieden war. Der erste Ehemann der ASt. ist mithin – wobei offen bleiben kann, ob nach deutschem oder türkischem Recht – rechtlicher Vater dieses Kindes geworden und als solcher in das Register einzutragen.
[8]2. Familienname der ASt.
[9]Das Namensrecht der ASt. – und damit auch der entspr. Registereintrag – richtet sich gemäß Art. 10 EGBGB nach dem Recht ihrer Staatsangehörigkeit; auch bei verheirateten Personen ist allein ihre eigene Staatsangehörigkeit maßgeblich (Palandt-Thorn aaO Art. 10 EGBGB, Rz. 12). Die ASt. hatte bei ihrer ersten Eheschließung im Jahr 1996 ausschließlich die türkische Staatsangehörigkeit; sie hat durch die Eheschließung mit dem Beteiligten zu 2) nach türkischem Recht (Art. 187 türk. ZGB) den Ehenamen ‚T.’ erworben. Hinsichtlich der namensrechtlichen Folgen der Scheidung der ersten Ehe der ASt. gelten die Ausführungen zu 1. entsprechend: Aufgrund der zu diesem Zeitpunkt bereits bestehenden und gemäß Art. 5 I 2 EGBGB vorrangigen deutschen Staatsangehörigkeit der ASt. ist die Ehescheidung im Inland nicht anzuerkennen; diese verfahrensrechtliche Sichtweise ist im Verhältnis zum Kollisionsrecht vorrangig, so dass die ASt. weiterhin den Familiennamen ‚T.’ führte. Die Rspr. des EuGH zum Recht von Personen mit mehrfacher Staatsangehörigkeit, auch einen nach dem Recht ihrer nicht effektiven Staatsangehörigkeit gebildeten Namen führen zu dürfen (EuGH, Urt. vom 2.10.2003 – Carlos Garcia Avello ./. belgischer Staat, Rs C-148/02, IPRax 2004, 339) kommt im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung, da sie sich nur auf Angehörige von EU-Mitgliedstaaten bezieht, die sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhalten; die Türkei ist jedoch kein EU-Mitgliedstaat.
[10]Auch die zweite Eheschließung der ASt. führte keine namensrechtliche Änderung herbei. Ob die Vorfrage der Wirksamkeit der zweiten Eheschließung sich nach der durch Art. 10 EGBGB berufenen Rechtsordnung – hier also nach deutschem Recht – richtet oder selbständig anzuknüpfen ist, ist nicht zweifelsfrei (Nachweise bei Palandt-Thorn aaO Rz. 2). Im Ergebnis kann dies jedoch dahinstehen, da auch bei selbständiger Anknüpfung deutsches Recht anzuwenden ist: Mit Blick auf die Wirksamkeit einer Eheschließung kommt in diesem Fall Art. 13 EGBGB zur Anwendung (MünchKomm-Coester, 4. Aufl., Art. 13 EGBGB, Rz. 61); die Vorschrift verweist für jeden Ehegatten auf dessen Heimatrecht, so dass für die ASt. auch danach deutsches Recht anzuwenden ist. Nach deutschem Recht verstieß die zweite Eheschließung der ASt. gegen das Eheverbot der Bigamie. Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen ein Eheverbot richten sich über den auch insoweit anwendbaren Art. 13 EGBGB (MünchKomm-Coester aaO Rz. 62) ebenfalls nach deutschem Recht. Gemäß §§ 1306, 1314 BGB ist eine bigamische Ehe lediglich aufhebbar und bis zu ihrer Aufhebung als voll wirksam zu behandeln. Eine bigamische Eheschließung kann deshalb zur Folge haben, dass der betroffene Ehepartner zwei Ehenamen führt (Staudinger-Voppel, BGB [2010], § 1313 Rz. 4; Soergel-Heintzmann, BGB, 12. Aufl., § 1313 Rz. 6, jew. m.w.N.). Das war hier jedoch nicht der Fall.
[11]Die namensrechtlichen Folgen der zweiten Eheschließung sind für die ASt. als vorrangig deutsche Staatsangehörige gemäß Art. 10 EGBGB unmittelbar dem deutschen Recht zu entnehmen; eine abweichende Rechtswahl gemäß Art. 10 II EGBGB haben die Ehegatten, soweit ersichtlich, nicht vorgenommen. Nach dem damit anwendbaren § 1355 BGB wird ein gemeinsamer Ehename nur gebildet, wenn die Ehegatten entsprechende ausdrückliche Erklärungen abgeben, andernfalls behält jeder Ehegatte seinen zur Zeit der Eheschließung geführten Namen. Es ist nicht erkennbar, dass die ASt. und ihr zweiter Ehemann bei der Eheschließung Erklärungen über einen gemeinsamen Ehenamen abgegeben haben, solche Erklärungen sind bei einer Eheschließung in der Türkei auch nicht zu erwarten. Damit führte die ASt. trotz grundsätzlicher Wirksamkeit der zweiten Eheschließung auch im Anschluss daran und nach der Scheidung der zweiten Ehe weiterhin ihren Ehenamen aus der ersten Ehe. Mit diesem ist sie in das Geburtsregister einzutragen.
[12]3. Familienname des Kindes
[13]Das Namensrecht des Kindes M. richtet sich ebenfalls gemäß Art. 10 EGBGB nach dem Recht seiner Staatsangehörigkeit. Gemäß § 4 StAG ist M. deutscher Staatsangehöriger, da seine Mutter, die ASt., bei seiner Geburt deutsche Staatsangehörige war. Gemäß Art. 7 des türkischen Gesetzes Nr. 5901 – Staatsangehörigkeitsgesetz – vom 29.5.2009 hat M. wegen der außerdem bestehenden türkischen Staatsangehörigkeit seiner Mutter auch die türkische Staatsbürgerschaft erlangt.
[14]Gemäß Art. 5 I 2 EGBGB hat bei Mehrstaatlern die deutsche Staatsangehörigkeit Vorrang. Nicht relevant ist im vorliegenden Fall die gemäß Art. 10 III Nr. 1 EGBGB für den Inhaber der Personensorge eines Kindes eröffnete Möglichkeit, dem Kind einen nach dem Heimatrecht eines der Elternteile gebildeten Namen zu geben. Eine entspr. Erklärung des Inhabers der Personensorge, die öffentlicher Beglaubigung bedarf (Art. 10 III 2 EGBGB), ist von der ASt. nämlich – soweit bekannt – nicht abgegeben worden.
[15]Gemäß § 1616 BGB erhält das Kind als Familiennamen den Ehenamen der Eltern. Der Familienname des Kindes M. hängt mithin davon ab, wer sein Vater im Rechtssinne ist und ob dieser und seine Mutter zum Zeitpunkt seiner Geburt einen gemeinsamen Ehenamen führten. Ob die Beantwortung dieser Vorfragen sich nach der durch Art. 10 EGBGB berufenen Rechtsordnung – hier also nach deutschem Recht – richtet oder selbständig anzuknüpfen ist, ist, wie vorstehend bereits ausgeführt, nicht zweifelsfrei. Im Ergebnis kann diese Frage jedoch auch hier dahinstehen: Bei selbständiger Anknüpfung ergibt sich für die Vorfragen die oben [s. 1. und 2.] dargestellte Rechtslage, d.h. danach stammte M. rechtlich von dem Beteiligten zu 2) ab, der zusammen mit der Mutter des Kindes den gemeinsamen Ehenamen ‚T.’ führte. Zu dem gleichen Ergebnis gelangt man, wenn man über Art. 10 EGBGB die Vorfragen ausschließlich nach deutschem Recht beurteilt, da auch in diesem Fall die Scheidung der ASt. in der Türkei gemäß § 107 FamFG bzw. Art. 7 § 1 FamRÄndG nicht anzuerkennen ist, aufgrund der fortbestehenden ersten Ehe der ASt. der Beteiligte zu 2) gemäß § 1592 BGB als rechtlicher Vater des Kindes anzusehen ist und der gemeinsame Ehename der Kindeseltern T. lautet. Für das Kind M. ist also der Familienname ‚T.’ in das Register einzutragen.