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Verfahrensgang

KG, Beschl. vom 19.03.2013 – 1 VA 12/12, IPRspr 2013-91

Rechtsgebiete

Ehe und andere familienrechtliche Lebens- und Risikogemeinschaften → Scheidung, Trennung

Leitsatz

Hat ein deutsch-thailändisches Ehepaar während der Ehe sowohl in Deutschland als auch in Italien gemeinsam gelebt, scheidet die Anerkennung einer in Thailand registrierten Privatscheidung aus, wenn auf die Scheidung entweder deutsches oder italienisches Recht Anwendung findet.

Rechtsnormen

218/1995 IPR-ReformG (Italien) Art. 31
898/1970 EheauflösungG (Italien) Art. 5
BGB § 1564
Cc 1942 (Italien) Art. 149
EGBGB Art. 4; EGBGB Art. 14; EGBGB Art. 17
FamFG § 107
TCCC 1924 (Thailand) s. 1514; TCCC 1924 (Thailand) s. 1515; TCCC 1924 (Thailand) s. 1520; TCCC 1924 (Thailand) s. 1531; TCCC 1924 (Thailand) ss. 1465 f.

Sachverhalt

Der Beteiligte zu 1) ist deutscher Staatsbürger. Er schloss in Österreich die Ehe mit einer Thailänderin. Zunächst lebten die Eheleute in Deutschland und dann in Italien, wo die Ehefrau des Beteiligten ein Restaurant führte. Im März 2008 ließen sich die Eheleute in Gegenwart zweier Zeugen vor einem Standesbeamten in Thailand „aus freier Entscheidung scheiden“. Hierüber wurde von dem Standesbeamten ein Protokoll errichtet und die Scheidung in das Scheidungsregister eingetragen. Im Juni 2012 hat der Beteiligte zu 1) bei der Beteiligten zu 2) die Anerkennung seiner Scheidung beantragt. Die Beteiligte zu 2) hat den Antrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich der Antrag des Beteiligten zu 1) auf gerichtliche Entscheidung.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. 1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist statthaft, § 107 V FamFG. Die Beteiligte zu 2) hat den Antrag auf Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung der in Thailand vollzogenen Scheidung der Ehe des Beteiligten zu 1) vorliegen, zurückgewiesen. Darauf, dass es sich um eine Privatscheidung gehandelt hat, kommt es nicht an. Eine Privatscheidung ist jedenfalls dann anerkennungsfähig, wenn sie unter Mitwirkung einer ausländischen Behörde zustande gekommen ist, wobei die bloße deklaratorische Registrierung oder gerichtliche Beurkundung genügt (BGH, NJW 1982, 517, 518 (IPRspr. 1981 Nr. 192); OLG München, FamRZ 2012, 1142 (IPRspr 2012-83); Senat, Beschl. vom 6.11.2001 – 1 VA 11/00 (IPRspr. 1990 Nr. 216), BeckRS 2001, 30216709) ...

[2]3. In der Sache hat der Antrag keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für die Anerkennung der Ehescheidung des Beteiligten zu 1) liegen nicht vor.

[3]a) Auf die Ehescheidung ist entweder italienisches oder deutsches, jedenfalls nicht thailändisches, Recht anzuwenden. Gemäß Art. 17 I 1 EGBGB unterliegt die Scheidung dem Recht, das im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgeblich ist. Die Vorschrift verweist auf das Ehewirkungsstatut, das in Art. 14 EGBGB geregelt ist (MünchKomm-Winkler v. Mohrenfels, 5. Aufl., Art. 17 EGBGB Rz. 35). Danach unterliegen die allgemeinen Wirkungen der Ehe in erster Linie dem Recht des Staats, dem beide Ehegatten angehören oder zuletzt angehörten, wenn einer von ihnen diesem Staat noch angehört, Art. 14 I Nr. 1 EGBGB. Eine gemeinsame Staatsangehörigkeit besaßen die Ehegatten hingegen während der gesamten Ehezeit und somit auch im Zeitpunkt ihrer Scheidung nicht.

[4]Das Recht von Thailand haben die Ehegatten nicht, jedenfalls nicht wirksam, gewählt. Es liegen weder notariell beurkundete Erklärungen vor noch solche, die den thailändischen Formfordernissen an einen Ehevertrag entsprechen, Art. 14 IV EGBGB. Nach thailändischem Recht kann ein Ehevertrag wirksam nur vor der Ehe geschlossen werden. Die Erklärungen bedürfen der Schriftform, sind vor zwei Zeugen abzugeben und in das Eheregister einzutragen, ss. 1465, 1466 des thailändischen Civil and Commercial Code – Zivil- und Handelsgesetzbuch – vom 11.11.1924 (nachfolgend: TCCC; abgedr. bei Bergmann-Ferid-Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Thailand [Stand: September 2009]).

[5]Deshalb ist hier auf Art. 14 I Nr. 2 EGBGB abzustellen. Ehewirkungsstatut ist danach das Recht des Staats, in dem beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder während der Ehe zuletzt hatten, wenn einer von ihnen dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Letzteres ist der Fall. Die Eheleute haben zuletzt gemeinsam in Italien gelebt, und der Beteiligte zu 1) hat mit Schreiben vom 5.3.2013 klargestellt, dass die Ehefrau dort auch noch während der Scheidung ihren hauptsächlichen Wohnsitz hatte. Danach ist zunächst das italienische Recht einschl. des dortigen IPR berufen. Gemäß Art. 31 I des Gesetzes Nr. 218 – Reform des italienischen Systems des Internationalen Privatrechts – vom 31.5.1995 (Gaz. Uff. Nr. 128; abgedr. bei Bergmann-Ferid-Henrich aaO Italien [Stand: Februar 2011]) richtet sich die Scheidung in erster Linie nach dem gemeinsamen Heimatrecht der Ehegatten im Zeitpunkt des Antrags auf Auflösung der Ehe. Fehlt ein solches gemeinsames Recht, wie das vorliegend der Fall ist, ist das Recht des Staats anzuwenden, in welchem das eheliche Zusammenleben überwiegend stattgefunden hat.

[6]Der Beteiligte zu 1) hat mit seiner Ehefrau sowohl in Deutschland als auch in Italien gelebt, wie sich insbes. seinem Schreiben vom 6.1.2009 im vorangegangenen Verwaltungsverfahren vor der Beteiligten zu 2) ... entnehmen lässt. In welchem der beiden Länder das Zusammenleben der Ehegatten letztlich überwog, kann dahinstehen. Hat das eheliche Zusammenleben überwiegend in Italien stattgefunden, findet italienisches Recht Anwendung. Dem stehen die Ausführungen der Gemeinde G. in deren Bescheid vom 28.5.2012 nicht entgegen. Der Bescheid enthält keine Aussagen zur Anwendung italienischen Rechts. Der dortige Standesbeamte hat die Anerkennung der Scheidung vielmehr mangels Zuständigkeit abgelehnt, weil der Beteiligte zu 1) und seine Ehefrau nicht mehr in Italien leben.

[7]Haben die Ehegatten hingegen überwiegend in Deutschland gelebt, verweist das italienische Recht insoweit auf das deutsche Recht zurück. Eine solche Rückverweisung ist dann maßgeblich, Art. 4 I 2 EGBGB.

[8]b) Gemäß Art. 149 I ital Cc (abgedruckt bei Bermann-Ferid-Henrich aaO) wird die Ehe durch den Tod und in anderen vom Gesetz bestimmten Fällen aufgelöst. Maßgeblich für die Auflösung der Ehe zu Lebzeiten der Ehegatten ist danach das Gesetz Nr. 898 zur Regelung der Fälle der Eheauflösug – Disciplina dei casi sciogliomento del matrimonio – vom 1.12.1970 (Gaz. Uff. Nr. 906; ebenda). Gemäß Art. 5 Gesetz Nr. 898 erfolgt die Scheidung durch gerichtliches Urteil. Die italienische Rechtsordnung lässt eine einverständliche (Privat-)Scheidung nicht zu (vgl. Rieck-Pesce, Ausländisches Familienrecht, Italien [Stand: Mai 2012]; Süß-Ring-Cubeddu Wiedemann, Eherecht in Europa, 2. Aufl., Italien Rz. 157). Sie unterscheidet sich insoweit nicht vom deutschen Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht, wonach über die Scheidung immer ein Gericht zu befinden hat, § 1564 Satz 1 BGB (vgl. BGH, NJW 1990, 2194, 2196 (IPRspr. 1990 Nr. 216)).

[9]c) Demgegenüber kann eine Ehe nach thailändischem Recht im gegenseitigen Einverständnis oder durch Gerichtsurteil geschieden werden, s. 1514 TCCC. Die Scheidung im gegenseitigen Einverständnis erfolgt durch einen vertragsähnlichen rechtsgeschäftlichen Konsens der Ehegatten (BGH aaO). Auch wenn zur Wirksamkeit der Scheidung noch eine Registereintragung erforderlich ist, ss. 1515 und 1531 I TCCC, steht dies ihrer Einordnung als Privatscheidung nicht entgegen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass bei der Registrierung mehr als eine formale Prüfung der Scheidungsvoraussetzungen vorgenommen würde. Eine Entscheidung im Sinne von Art. 5 des italienischen Gesetzes Nr. 898 erfolgt jedenfalls nicht (vgl. Bergmann-Ferid-Henrich aaO; Andrae, Internationales Familienrecht, 2. Aufl., 253). Gleiches gilt bei Anwendung deutschen Rechts, § 1564 Satz 1 BGB (BGH aaO).

[10]Die Ehe des Beteiligten zu 1) ist aufgrund gegenseitigem Einverständnisses und damit im Rahmen einer nicht anerkennungsfähigen Privatscheidung geschieden worden. Das folgt aus den von dem thailändischen Standesbeamten am 3.3.2008 protokollierten Umständen. Danach haben sie sich aus freier Entscheidung, s. 1514 I TCCC, schriftlich vor zwei Zeugen, s. 1514 (2) TCCC, unter Regelung der elterlichen Sorge, s. 1520 (1) TCCC, scheiden lassen.

Fundstellen

nur Leitsatz

FamFR, 2013, 238
FamRBint., 2013, 83, mit Anm. Finger

LS und Gründe

FamRZ, 2013, 1484, mit Anm. Henrich
FGPrax, 2013, 171
StAZ, 2013, 287

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2013-91

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