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Verfahrensgang

OLG Koblenz, Beschl. vom 23.07.2013 – 2 U 156/13, IPRspr 2013-265

Rechtsgebiete

Anerkennung und Vollstreckung → Vermögensrechtliche Angelegenheiten

Leitsatz

Seit Neufassung des § 55 I AVAG mit Wirkung vom 26.2.2013 ist § 12 AVAG im Beschwerdeverfahren nach Art. 43 EuGVO, § 11 AVAG nicht mehr anwendbar. Daher sind materiell-rechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch generell nicht mehr zulässig. Das gilt unabhängig davon, ob es sich um ursprünglich bestehende oder nachträglich entstandene Einwendungen handelt und ob diese streitig oder liquide sind.

Rechtsnormen

AVAG § 11; AVAG § 12; AVAG § 55
EUGVVO 44/2001 Art. 34 f.; EUGVVO 44/2001 Art. 43; EUGVVO 44/2001 Art. 43 f.; EUGVVO 44/2001 Art. 45
HUÜ-DG Art.  2

Sachverhalt

Der ASt. beantragt die Vollstreckbarerklärung eines Urteils des Landgerichts Venedig aus dem Jahr 2011. Das LG Bad Kreuznach hat das Urteil durch Beschluss antragsgemäß in der Bundesrepublik Deutschland für vollstreckbar erklärt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der AGg. Sie macht die Fehlerhaftigkeit des Urteils des Landgerichts Venedig geltend. Außerdem erklärt sie die Aufrechnung mit einer durch Urteil des Landgerichts Venedig in einem anderen Verfahren ihr gegenüber der ASt. rechtskräftig zuerkannten Kostenforderung.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]Die Beschwerde der AGg. ist nach § 11 I AVAG, Art. 43 I EuGVO statthaft, jedoch nicht mit im Exequaturverfahren zulässigen Einwendungen begründet. Gemäß Art. 45 I EuGVO darf die Vollstreckbarerklärung von dem mit einem Rechtsbehelf nach Art. 43 EuGVO befassten Gericht nur aus einem der in Art. 34 f. EuGVO aufgeführten Gründe versagt oder aufgehoben werden. Gründe dieser Art hat die AGg. nicht geltend gemacht; vielmehr begehrt sie eine Überprüfung der italienischen Entscheidung in der Sache, was nach Art. 45 II EuGVO generell nicht zulässig ist.

[2]Die Frage, ob Ansprüche der AGg. gegen die Firma S. in der urpsr. Fassung des Urteils des Landgerichts Venedig vom 15.7.2011 ordnungsgemäß tenoriert waren, ist für das Vollstreckungsverhältnis der hiesigen Parteien zueinander ohne jede Bedeutung und vom Katalog der Art. 34 f. EuGVO nicht umfasst.

[3]Die Aufrechnung ist im Exequaturverfahren nicht möglich. § 12 AVAG, wonach der Verpflichtete mit der Beschwerde, die sich gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus einer Entscheidung richtet, auch Einwendungen gegen den Anspruch selbst insoweit geltend machen kann, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach Erlass der Entscheidung entstanden sind, ist gemäß § 55 I AVAG in der seit 26.2.2013 g.F. (Art. 2 Nr. 3 des Gesetzes zur Durchführung des Haager Übereinkommens vom 23.11.2007 über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen sowie zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet des internationalen Unterhaltsverfahrensrechts und des materiellen Unterhaltsrechts vom 20.2.2013 [BGBl. I 273]) auf das Verfahren nach dem EuGVO nicht mehr anwendbar. Damit hat der Gesetzgeber Konsequenzen aus der Entscheidung des EuGH vom 13.10.2011 -- Prism Investments B.V. ./. Jaap Anne van der Meer, Rs C-139/10, Slg. 2011 I-09511, NJW 2011, 3506 gezogen, wonach die Versagung oder Aufhebung einer Vollstreckbarerklärung durch das Gericht, das über einen Rechtsbehelf gemäß Art. 43 oder 44 EuGVO zu entscheiden hat, aus einem anderen als einem in Art. 34 und 35 EuGVO genannten Grund grundsätzlich unzulässig ist (entschieden für den auch hier von der AGg. erhobenen Einwand der nachträglichen Erfüllung durch Aufrechnung). Damit ist der in der Vergangenheit in Lit. u. Rspr. bestehende Streit, ob § 12 AVAG als gemeinschaftswidrige Norm im Anwendungsbereich der EuGVO nicht oder einschränkend nur bei liquiden Einwendungen greift oder diese Vorschrift auch im Rechtsbehelfsverfahren nach dem EuGVO umfassend Anwendung finde, für die Zukunft obsolet (vgl. zu diesem Streit BGH, Beschl. vom 12.7.2012 -- IX ZB 267/11 (IPRspr 2012-269), NJW 2012, 2663 m.w.N.). Keiner Entscheidung bedarf daher auch die Frage, ob es sich bei der von der AGg. erklärten Aufrechnung überhaupt um eine nachträglich entstandene Einwendung im Sinne des § 12 AVAG handelt.

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2013-265

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