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Verfahrensgang

OLG Karlsruhe, Beschl. vom 12.11.2013 – 5 UF 139/11, IPRspr 2013-238

Rechtsgebiete

Zuständigkeit → Zuständigkeit in Ehe- und Kindschaftssachen

Leitsatz

Abgesehen von den Fällen des Art. 11 I KSÜ beziehungsweise Art. 20 I EuEheVO kann die internationale Zuständigkeit für einstweilige Maßnahmen in Kindschaftssachen lediglich aus der für das Hauptsacheverfahren abgeleitet werden. Dies gilt auch dann, wenn einstweilige Maßnahmen -- wie die deutsche einstweilige Anordnung seit 2009 -- selbständige Verfahren darstellen.

Rechtsnormen

EuEheVO 2201/2003 Art. 19; EuEheVO 2201/2003 Art. 20
FamFG § 50; FamFG § 76; FamFG § 99
IntFamRVG § 15
KSÜ Art. 11
ZPO § 114

Sachverhalt

[Vgl. das Parallelverfahren -- 5 UF 140/11 -- vom gleichen Tag (IPRspr 2013-239)]


Der ASt. und die AGg. sind die nicht miteinander verheirateten Eltern des Kindes A. Der Kindesvater hat im Oktober 2009 die Vaterschaft anerkannt. Die Kindesmutter ist Inhaberin der alleinigen elterlichen Sorge. Die Eltern lebten zunächst zusammen in einem Haushalt mit zwei weiteren Kindern der Mutter. Nachdem sich die Eltern trennten, verblieb der Kindesvater mit den drei Kindern der Kindesmutter in der ehemals ehelichen Wohnung, die Kindesmutter verließ diese Wohnung spätestens dann, als sie sich in der Schweiz einem neuen Lebenspartner zuwandte, mit diesem zusammenzog und Heiratspläne hatte. Die Kindesmutter teilte dem Kindesvater Anfang 2011 mit, dass sie den Umzug der Kinder in die Schweiz plane. Im parallelen Hauptsacheverfahren hat der Kindesvater einen Antrag auf Übertragung der elterlichen Alleinsorge gestellt.

Nachdem die Kindesmutter mit den Kindern Anfang März 2011 in die Schweiz gezogen war, beantragte der Kindesvater den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und Herausgabe des Kindes A. Mit Beschluss wies das FamG Donaueschingen die Anträge des Kindesvaters zurück, da eine internationale Zuständigkeit nicht gegeben sei. Daraufhin beantragte der Kindesvater VKH für das Beschwerdeverfahren.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Der Antrag des Kindesvaters auf Bewilligung von VKH ist zurückzuweisen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg bietet, § 76 I FamFG i.V.m. § 114 ZPO.

[2]Zu Recht hat das FamG mit dem Beschluss vom 24.5.2011 den Antrag des Kindesvaters auf vorläufige Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge zurückgewiesen, da dieser mangels internationaler Zuständigkeit unzulässig ist. Auch bei Einlegung des im VKH-Verfahren angezeigten großzügigen Maßstabs ist eine Erfolgsaussicht für ein Rechtsmittel dagegen nicht gegeben.

[3]Die Zuständigkeit der deutschen Gerichte folgt nicht aus § 50 FamFG, da diese Vorschrift nicht die internationale Zuständigkeit regelt (vgl. Keidel-Giers, FamFG, 17. Aufl., § 50 Rz. 2; Musielak-Borth, Familiengerichtliches Verfahren, 3. Aufl., § 50 FamFG Rz. 10; MünchKommFamFG-Soyka, 2. Aufl., § 50 Rz. 15).

[4]Eine internationale Zuständigkeit für die beantragte einstweilige Anordnung besteht auch nicht gemäß § 15 IntFamRVG i.V.m. Art. 11 I KSÜ einerseits bzw. Art. 20 I EuEheVO, § 99 I 1 Nr. 1 Alt. 2 FamFG andererseits (Art. 20 I EuEheVO regelt nicht selbst die Zuständigkeit für einstweilige Maßnahmen, vgl. dazu EuGH, Urt. vom 2.4.2009 – Korkein halltino-oikeus, Rs C-523/07, Slg. 2009 I-02805, FamRZ 2009, 843, 846 Rz. 49 ff.). Sowohl nach Art. 11 I KSÜ wie nach Art. 20 I EuEheVO muss sich das Kind noch im Inland befinden. Dies war aber zum Zeitpunkt der Beantragung der einstweiligen Anordnung am 10.3.2011 nicht mehr der Fall, unabhängig von der Frage des gewöhnlichen Aufenthalts.

[5]Abgesehen von den Fällen des Art. 11 I KSÜ bzw. Art. 20 I EuEheVO kann die internationale Zuständigkeit für einstweilige Maßnahmen lediglich aus der für das Hauptsacheverfahren abgeleitet werden (in diese Richtung vgl. EuGH, Urt. vom 15.7.2010 – Bianca Purrucker ./. Guillermo Vallés Pérez, Rs C-256/09, Slg. 2010 I-07353, FamRZ 2010, 1521, 1522 Rz. 76). Dies gilt auch dann, wenn einstweilige Maßnahmen – wie die deutsche einstweilige Anordnung seit 2009 – selbständige Verfahren darstellen, wie sich insbes. aus der Regelung des Art. 19 EuEheVO ergibt, der insoweit nicht differenziert. Eine internationale Zuständigkeit für das Hauptsacheverfahren bestand zum relevanten Zeitpunkt der Beantragung von VKH für die Beschwerde aber nicht mehr. Zu den Einzelheiten wird auf die Gründe im Senatsbeschluss vom heutigen Tag im Parallelverfahren 5 UF 140/11 verwiesen.

Fundstellen

nur Leitsatz

FamRB, 2014, 209, mit Anm. Stockmann

LS und Gründe

FamRZ, 2014, 1565

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2013-238

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