Gemäß Art. 3 V in Verbindung mit Art. 10 I Rom-I-VO beurteilt sich eine für den Hauptvertrag geschlossene Rechtswahlvereinbarung nach dem Recht, das nach der Verordnung anzuwenden wäre, wenn der Vertrag wirksam wäre.
Die Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Partei, auch wenn dort eine Rechtswahl getroffen wird, beurteilt sich gemäß Art. 10 I Rom-I-VO nach dem auf den Hauptvertrag anzuwendenden Recht. [LS der Redaktion]
Die AGg. belieferte die in Tschechien ansässige ASt. im Rahmen einer ständigen Geschäftsbeziehung seit 2007 mit getrockneten Zwiebeln und ähnlichen Produkten. Seit Januar 2009 enthielten die Auftragsbestätigungen (AB) der AGg. einen Hinweis auf die Geltung der AGB des „Waren-Vereins der Hamburger Börse e.V. Hamburg“. Im Jahr 2011 führte die AGg. AB in engl. Sprache mit einem entspr. Hinweis ein. Nach § 2 Waren-Vereins-Bedingungen ist das deutsche Recht anzuwenden. Das CISG soll keine Anwendung finden. § 30 Waren-Vereins-Bedingungen enthält eine Schiedsklausel. Die Parteien streiten um die Ausführung zweier von der AGg. bestätigter Verträge über die Lieferung von getrockneten Zwiebeln, die von der ASt. wegen Qualitätsproblemen nicht ausgeführt wurden, worauf die AGg. Schadensersatz wegen Nichterfüllung geltend machte. Die ASt. beantragt gemäß § 1032 II ZPO festzustellen, dass die Schiedsklausel nicht wirksam vereinbart worden und daher ein schiedsrichterliches Verfahren unzulässig ist.
[1]II. Der Antrag der ASt. ist nur zum Teil zulässig; in der Sache ist er, soweit zulässig, unbegründet.
[2]Der Antrag der AGg. ist zulässig und begründet ...
[3]2. Der Antrag der ASt. auf Feststellung der Unzulässigkeit des von der AGg. beabsichtigten Schiedsverfahrens nach der Schiedsgerichtsordnung des Waren-Vereins ist unbegründet. Die Parteien haben eine Schiedsvereinbarung getroffen. § 30 der Waren-Vereins-AGB sieht die Entscheidung von Streitigkeiten durch ein Schiedsgericht nach der Schiedsgerichtsordnung des Waren-Vereins vor. Die Waren-Vereins-Bedingungen sind auch wirksam in die beiden streitgegenständlichen Vertragsverhältnisse einbezogen worden.
[4] a) Die Frage, ob überhaupt eine Schiedsvereinbarung durch entspr. Willenseinigung der Parteien zustande gekommen ist, ist bei Fällen mit Auslandsbezug nach dem Schiedsvereinbarungsstatut zu beurteilen, das nach den Regeln des dt. IPR zu ermitteln ist. Nach der Rspr. des BGH führen diese, wenn wie hier keine Rechtswahl für die Schiedsvereinbarung getroffen ist, zur Geltung des Statuts des Hauptvertrags (vgl. BGH, WM 2010, 2025 Tz. 30 ff. (IPRspr 2010-304); SchiedsVZ 2011, 157 Tz. 24).
[5]Die Entscheidungen erfolgten allerdings noch auf der Grundlage der dort zeitlich noch anwendbaren Art. 27 ff. EGBGB a.F. Die seit dem 17.12.2009 und damit auch vorliegend anwendbare Rom-I-VO nimmt aber Schiedsvereinbarungen ebenso wie Gerichtsstandvereinbarungen in Art. 1 II lit. e ausdrücklich von ihrem Anwendungsbereich aus. Das ist ein zusätzliches Argument für die im Schrifttum vertretene Auffassung, die die Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung unter Hinweis auf § 1059 II Nr. 1 lit. a ZPO mangels einer Rechtswahl stets nach dem deutschen Recht beurteilen will, also auch dann, wenn es nicht um die Aufhebung oder die Vollstreckbarerklärung eines schon erlassenen Schiedsspruchs geht, sondern auch schon im Verfahren gemäß § 1032 II ZPO (vgl. Zöller-Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 1029 Rz. 109, 113 f.; MünchKommZPO-Münch, 3. Aufl., § 1029 Rz. 31 ff.; Schmidt-Ahrendts/Höttler, SchiedsVZ 2011, 267 ff.; König, SchiedsVZ 2012, 129 ff.; diff. Musielak-Voit, ZPO, 9. Aufl., § 1029 Rz. 28).
[6]Ob Art. 1 II lit. e Rom-I-VO der bislang vom BGH vertretenen Anknüpfung des Schiedsvereinbarungsstatuts an das Statut des Hauptvertrags entgegensteht, kann indes dahinstehen. Denn auch dieser Weg führt hier zur Anwendung des deutschen Rechts und damit zum gleichen Ergebnis wie eine unmittelbare Anknüpfung an § 1059 II Nr. 1 lit. a ZPO.
[7]Stellt man nämlich auf das Statut des Hauptvertrags ab, ist auch eine Rechtswahl der Parteien für den Hauptvertrag zu beachten (vgl. BGH, WM 2010, 2032 Tz. 29). Nach § 2 Waren-Vereins-Bedingungen gilt deutsches Recht unter ausdrücklichem Ausschluss des CISG. Nach dessen Art. 6 können die Parteien die Anwendung des Übereinkommens auch ausschließen. Ob die Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts wirksam ist, richtet sich nach dem deutschen Recht. Denn gemäß Art. 10 I Rom-I-VO beurteilt sich das Zustandekommen und die Wirksamkeit des Vertrags oder einer seiner Bestimmungen nach dem Recht, das nach der Verordnung anzuwenden wäre, wenn der Vertrag oder die Bestimmung wirksam wäre. Das gilt gemäß Art. 3 V Rom-I-VO auch für eine für den Hauptvertrag geschlossene Rechtswahlvereinbarung (vgl. Palandt-Thorn, BGB, 72. Aufl., Rom-I-VO Art. 10 Rz. 1). Die Wahl des deutschen Rechts unter Ausschluss des CISG begegnet gemäß Art. 3 I Rom-I-VO i.V.m. Art. 6 CISG keinen Bedenken.
[8]b) Fraglich könnte allerdings sein, ob die ASt. der Rechtswahl in § 2 der Bedingungen überhaupt zugestimmt hat, weil es sich bei den Waren-Vereins-Bedingungen um AGB handelt. Auch das ist indes zu bejahen. Die Einbeziehung von AGB einer Partei, auch wenn dort eine Rechtswahl getroffen wird, gehört zum Zustandekommen des Vertrags im Sinne von Art. 10 I Rom-I-VO (vgl. Palandt-Thorn aaO Rz. 1 und 3; MünchKomm-Spellenberg, 5. Aufl., Art. 10 Rom-I-VO Rz. 150, 165). Die Einbeziehung der Waren-Vereins-Bedingungen richtet sich mithin nach deutschem Recht. Danach genügt es im Verkehr zwischen Unternehmern, dass der Verwender dem anderen Teil die Möglichkeit verschafft, vom Inhalt der AGB Kenntnis zu nehmen (vgl. BGHZ 102, 304 Tz. 28, zit. n. juris; BGH, NJW 2002, 370, 372 (IPRspr. 2001 Nr. 26b); Palandt-Grüneberg aaO § 305 Rz. 53). Bei Verträgen mit Auslandsberührung ist ein für den ausländischen Vertragspartner verständlicher Hinweis auf die AGB erforderlich, aber auch ausreichend (vgl. Palandt-Grüneberg aaO Rz. 58).
[9]Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Parteien befinden sich seit 2007 in einer ständigen Geschäftsverbindung. Seit Januar 2009 wiesen die AB der AGg. deutlich darauf hin, dass sie nach den AGB des Vereins der Hamburger Börse e.V. Hamburg verkaufe. Dass die AB und der Hinweis auf die AGB in dt. Sprache verfasst sind, steht einer Einbeziehung nicht entgegen. Denn die ASt. behauptet nicht, dass sie den Inhalt der AB nicht verstanden habe, weil sie die deutsche Sprache nicht beherrsche. Vor diesem Hintergrund steht der Einbeziehung der Waren-Vereins-Bedingungen in die hier streitigen Verträge durch die in engl. Sprache verfassten AB nicht entgegen, dass der für AGB unübliche Begriff arrangement verwendet wurde, wie schon zuvor in den Bestätigungen für die seit Januar 2011 abgeschlossenen Geschäfte. Die ASt. wusste, dass die AGg. seit 2009 auf der Grundlage der Waren-Vereins-Bedingungen arbeitete.
[10]Die etwas unbeholfene, inhaltlich aber eindeutige Übersetzung des AGB-Hinweises bei der Umstellung der Korrespondenz in die engl. Sprache änderte daran nichts.
[11]c) Es besteht auch kein Anlass, der Anwendung des deutschen Rechts über die Billigkeitskontrolle gemäß Art. 10 II Waren-Vereins-Bedingungen die Geltung zu versagen. Nach dieser Vorschrift kann sich eine Partei für die Behauptung, sie habe dem Vertrag nicht zugestimmt, auf das Recht des Staats ihres gewöhnlichen Aufenthalts berufen, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass es nicht gerechtfertigt wäre, die Wirkung ihres Verhaltens nach dem in Art. 10 I Rom-I-VO bezeichneten Recht zu bestimmen.
[12]Zweck der Vorschrift ist es, der Partei für ihr Verhalten bei Vertragsschluss das ihr vertraute Recht des Staats ihres gewöhnlichen Aufenthaltsorts zugutekommen zu lassen. Die Partei soll nicht nach einem ihr fremden Recht rechtsgeschäftlich gebunden werden, mit dessen Geltung sie noch nicht zu rechnen brauchte, sodass sie ihr Verhalten nicht nach diesen fremden rechtsgeschäftlichen Verhaltensregeln ausrichten musste. Das betrifft auch die Einbeziehung von AGB (vgl. BGH, NJW 1997, 1697, 1699 f. zu Art. 31 II EGBGB a.F. (IPRspr. 1997 Nr. 34)).
[13]Da die ASt. ihren ständigen Aufenthalt in Tschechien hat, fände das tschechische Recht Anwendung, das eine Einbeziehung der Waren-Vereins-Bedingungen möglicherweise verneinen würde.
[14]Denn die Tschechische Republik ist Vertragspartner des CISG ..., [so]dass dieses internationale Einheitsrecht unmittelbar in den Vertragsstaaten gilt (vgl. MünchKomm-Westermann aaO [6. Aufl.] Vor Art. 1 CISG Rz. 1 und 7). Die hier in Rede stehenden Kaufverträge über getrocknete Zwiebeln fallen auch in den gemäß Art. 1 I lit. a CISG bestimmten Anwendungsbereich des Übereinkommens, weil es sich um Kaufverträge über Waren zwischen Personen handelt, die ihre Niederlassung in verschiedenen Vertragsstaaten haben, nämlich der Bundesrepublik und der Tschechischen Republik.
[15]Das CISG enthält zwar keine besonderen Regeln über die Einbeziehung von AGB. Dessen ungeachtet richtet sich die Einbeziehung von AGB in einem dem UN-Kaufrecht unterliegenden Vertrag nach der Grundsatzentscheidung des BGH vom 31.10. 2001 nach den für diesen geltenden Vorschriften der Art. 14, 18 CISG für den Vertragsschluss (NJW 2002 aaO). Im Rahmen des CISG fordert der BGH, über die Anforderungen des deutschen unvereinheitlichten Rechts hinausgehend, dass der Verwender dem Erklärungsgegner eines Vertragsangebots, dem AGB zugrunde gelegt werden sollen, den Text übersendet oder anderweitig zugänglich macht (NJW 2002, aaO 371; OLG Celle, NJW-RR 2010, 136 Tz. 15 ff. (IPRspr 2009-181); MünchKomm-Westermann aaO Art. 4 CISG Rz. 5). Unstreitig hat die AGg. der ASt. den Text der Waren-Vereins-Bedingungen nicht übersendet. Es kann auch offen bleiben, ob ein Verwender seine AGB dadurch ‚anderweitig zugänglich macht’, dass er auf einen Internet-Link zu den AGB hinweist (vgl. zur Problematik OLG Celle aaO; MünchKomm-Gruber aaO Art. 14 CISG Rz. 30 f.). Denn die ASt. bestreitet den Zugang des Schreibens der AGg. vom 2.2.2009, das auf den Link zum Abruf der Waren-Vereins-Bedingungen im Internet hinweist.
[16]Die Sonderanknüpfung nach Art. 10 II Rom-I-VO kommt jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil es an der Voraussetzung fehlt, dass die Beurteilung der Einbeziehung der AGB nach dem durch Art. 10 I Rom-I-VO berufenen deutschen Recht nicht gerechtfertigt wäre. Dann müsste es nämlich nach den gesamten Umständen des Einzelfalls, insbes. den bisherigen Gepflogenheiten der Parteien unbillig sein, die streitige Zustimmung der ASt. ausschließlich nach dem ihr fremden deutschen Vertragsstatut zu bemessen (vgl. Palandt-Thorn aaO Rz. 4). Das ist aber nicht der Fall. Die Parteien stehen seit 2007 in einer ständigen Geschäftsbeziehung. Seit 2009 findet sich in den AB der AGg. ein Hinweis auf die Waren-Vereins-Bedingungen. Die ASt. wusste oder musste wissen, dass die AGg. ihre AGB einbeziehen wollte. Sie konnte auch damit rechnen, dass sich in den AGB eine Rechtswahlklausel zugunsten des deutschen Rechts unter Ausschluss des CISG befinden würde. Um Klarheit zu erhalten, hätte sie die AGg. um Übersendung der Waren-Vereins-Bedingungen bitten können. Sie hätte die Waren-Vereins-Bedingungen auch im Internet aufrufen können, was mittels einer Suchmaschine auch ohne Kenntnis des Link möglich ist. Angesichts der ständigen Geschäftsbeziehung mit einem deutschen Lieferanten, der in seinen Schreiben stets auf AGB Bezug nimmt, erscheint es nicht unbillig im Sinne von Art. 10 II Rom-I-VO, die Einbeziehung der AGB nach dem gemäß Art. 10 I Rom-I-VO berufenen deutschem Recht zu entscheiden.
[17]Der Senat setzt sich mit dieser Wertung nicht in Widerspruch zu der Entscheidung des BGH (NJW 2002 aaO). Denn dort gab es in den AGB keine Rechtswahl. In den hier zu beurteilenden AGB findet sich hingegen eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts mit einem ausdrücklichen Ausschluss des CISG, was gemäß Art. 3 V i.V.m. Art. 10 I Rom-I-VO zur Anwendbarkeit des deutschen Rechts – ohne die Bestimmungen des CISG – auch für die Frage führt, ob die AGB überhaupt einbezogen wurden. Die dargestellten Erwägungen erfolgen also auf einer anderen Ebene, nämlich einer Überprüfung des grundsätzlich anwendbaren Rechts im Hinblick auf eine etwaige Unbilligkeit (Art. 10 II Rom-I-VO).