Die Vollstreckbarkeitserklärung eines ausländischen Schiedsspruchs ist nicht wegen des Fehlens einer Schiedsvereinbarung zu versagen, wenn die mit der Schiedsklage geltend gemachten Schadensersatzansprüche nach Auffassung des Schiedsgerichts nicht dem die Schiedsvereinbarung enthaltenden Investitionsschutzabkommen unterfallen und der Antragsgegner des Vollstreckbarkeitsverfahrens das Schiedsgericht selbst angerufen und sich auf die Anwendbarkeit dieses Abkommens berufen hat. [LS der Redaktion]
Die ASt. begehrt die Vollstreckbarerklärung der Kostenentscheidung eines Schiedsspruchs, der in einem auf Antrag des AGg. eingeleiteten Schiedsverfahren ergangen ist. Der AGg. plante und erstellte in den Jahren bis 2000 einen Golfplatz in ...; er hielt 50% der Anteile an der Trägergesellschaft, über deren Vermögen im Jahr 2001 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der AGg. erachtete Einleitung und Abwicklung des Insolvenzverfahrens für unrechtmäßig und machte gegenüber der Tschechischen Republik im Hinblick auf von ihm behauptete Investitionen Schadensersatzansprüche geltend. In der Folge erhob der AGg., gestützt auf das deutsch-tschechische Investitionsschutzabkommen von 1990, Schiedsklage gegen die Tschechische Republik. Daraufhin wurde ein Ad-hoc-Schiedsgericht eingerichtet, welches das Verfahren nach der Schiedsordnung der UNCITRAL führte.
Die Parteien vereinbarten dann bei der vorbereitenden Verhandlung des Schiedsgerichts die Geltung der IBA-Regeln zur Beweisaufnahme mit bestimmten Modifikationen. Nach Durchführung einer Beweisaufnahme erließ das Schiedsgericht einen Schiedsspruch, durch den die Schiedsklage des AGg. abgewiesen wurde und ihm die Kosten des Schiedsverfahrens auferlegt wurden. Der AGg. erhob gegen den Schiedsspruch bei der Cour d'appel eine Aufhebungsklage. Die ASt. begehrt nun die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs.
[1]B. Der nach §§ 1061 I, 1062 II, 1064 I ZPO zulässige Antrag ist in der Sache begründet ...
[2]II. Von dem Bestehen einer Schiedsvereinbarung gemäß Art. II Abs. 1 UNÜ ist auszugehen.
[3]Diese liegt hier in Art. 9 und 10 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen und Slowakischen Republik über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen vom 2.10.1990 (BGBl. 1992 II 294, 934). Der AGg. ist nicht unmittelbarer Vertragspartner, kann sich aber – wenn er als Investor anzusehen ist – auf die Schiedsvereinbarung berufen, was er mit der Erhebung der Schiedsklage getan hat.
[4]Der Umstand, dass die seitens des AGg. im Wege der Schiedsklage geltend gemachten Schadensersatzansprüche zumindest nach Auffassung des Schiedsgerichts (vgl. Nr. 169 des Schiedsspruchs) nicht dem o.g. Investitionsschutzabkommen unterfielen, führt nicht dazu, dass es an einer formgerechten Schiedsvereinbarung und damit an der Grundlage für die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs fehlt.
[5]Der Sinn und Zweck der Regelung des Art. II Abs. 2 UNÜ ist darin zu sehen, die Vertragsbeteiligten davor zu schützen, sich voreilig einem Schiedsverfahren zu unterwerfen, das dann möglicherweise einer Verfahrensordnung unterliegt, die der Verfahrensbeteiligte nicht überblickt.
[6]Hier hat der AGg. aber selbst das Schiedsgericht angerufen und sich darauf berufen, dass das Investitionsschutzabkommen und die darin enthaltene Schiedsabrede für ihn einschlägig sind. Dann muss das Schiedsgericht auch die Möglichkeit haben, darüber zu entscheiden, ob die geltend gemachten Ansprüche in dem Schiedsverfahren geltend gemacht werden können, was Art. 21 der UNCITRAL-Schiedsordnung so vorsieht, und den Antrag mit einer entspr. Kostenfolge zurückweisen können. Der Antrag muss schließlich durch das Schiedsgericht ordnungsgemäß beschieden werden. Würde man dann die Vollstreckbarkeitserklärung wegen des Fehlens einer Schiedsvereinbarung versagen, würde dies dazu führen, dass der Gegner des Schiedsverfahrens nie seinen Kostenerstattungsanspruch realisieren könnte. Das wäre in sich widersprüchlich.
[7]Dem AGg. wäre es zumindest nach § 242 BGB verwehrt, sich auf das Fehlen einer Schiedsvereinbarung zu berufen.Dem internationalen Schiedsverfahrensrecht ist der Grundsatz von Treu und Glauben zu eigen, und zwar auch in der hier allein in Betracht kommenden Gestalt des Einwands der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens, wobei nach deutschem Recht hinzutreten muss, dass für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (vgl. BGH, Beschl. vom 17.4.2008 – III ZB 97/06 (IPRspr 2008-198), Tz. 12 = NJW-RR 2008, 1083-1084).
[8]Das ist hier nicht der Fall. Der AGg. hat selbst das Schiedsgericht angerufen und dadurch zu erkennen gegeben, dass er die Schiedsabrede für sich in Anspruch nimmt. Er hat zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gegeben, dass der Schiedsspruch für ihn mangels einer ihn verpflichtenden Schiedsabrede nicht verbindlich ist.
[9]III. Versagungsgründe nach Art. V UNÜ wurden von dem AGg. in der nach § 1063 II ZPO notwendigen mündlichen Verhandlung nicht vorgebracht.
[10]IV. Ein Verstoß gegen den ordre public, was von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH, NJW 2007, 772, 773 (IPRspr 2006-205)) kann der Senat auf der Grundlage des unstreitigen Vorbringens nicht feststellen.
[11]1. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte für einen Verstoß der Anerkennung oder Vollstreckung gegen den ordre public national, denn es ist nicht ersichtlich, dass der Schiedsspruch im Zeitpunkt der Entscheidung durch das staatliche Gericht zu den Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens oder zu den deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht (vgl. dazu Musielak-Voit, ZPO, 7. Aufl., § 1061 Rz. 23).
[12]Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass die Kostenentscheidung so unangemessen ist, dass sie grundlegenden deutschen Rechtsprinzipien und Gerechtigkeitsvorstellungen widerspricht.
[13]Sie entsprach der von dem Schiedsgericht niedergelegten Schiedsordnung, die ihrerseits mit den grundlegenden deutschen Prinzipien des Kostenrechts in Einklang steht.
[14]Nach Art. 40 I der Schiedsordnung hat die Kosten des Schiedsverfahrens die unterlegene Partei zu tragen. Hinsichtlich der Kosten der rechtlichen Vertretung bestimmt Art. 40 II der Schiedsordnung, dass es dem Schiedsgericht unter Berücksichtigung der Umstände des Falls freistehe, zu bestimmen, welche Partei die Kosten zu tragen hat.
[15]Wenn nach diesen Grundsätzen das Schiedsgericht die außergerichtlichen Kosten der obsiegenden Partei ebenfalls der unterlegenen Partei auferlegt, dann wird das durch die vorstehend zitierte Bestimmung gedeckt und entspricht den Prinzipien des deutschen Prozessrechts, das auch die Regelung kennt, der unterlegenen Partei sämtliche mit dem Rechtsstreit oder Verfahren verbundenen Kosten aufzuerlegen.
[16]2. Ein Verstoß gegen den ordre public international ist nicht anzunehmen, weil nicht ansatzweise ersichtlich ist, dass das Verfahren nicht mehr den Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren entspricht, wobei in diese Beurteilung auch die Rechtsbehelfsmöglichkeiten des anzuwendenden Verfahrensrechts einzubeziehen sind (vgl. Musielak-Voit aaO Rz. 24).