Ist die Marke, mit der die durch Deutschland durchgeführte Ware gekennzeichnet ist, im Bestimmungsland geschützt, kann in der Durchfuhr kein im Inland begangener Teilakt einer das ausländische Schutzrecht beeinträchtigenden unerlaubten Handlung im Sinne des § 823 I und II BGB gesehen werden. Dem steht der völkerrechtlich und unionsrechtlich anerkannte Grundsatz der Territorialität entgegen, wonach nationale Immaterialgüterrechte nur einen auf das staatliche Territorium begrenzten Schutz genießen [Aufgabe von BGH, Urteil vom 15.1.1957 – I ZR 56/55 (GRUR 1957, 352, 353 = IPRspr. 1956–1957 Nr. 165); BGH, Urteil vom 24.7.1957 – I ZR 21/56 (GRUR 1958, 189, 197 = IPRspr. 1956–1957 Nr. 170)].
Besteht im Bestimmungsland Markenschutz, kommen gegen den mit der Durchfuhr durch Deutschland und der Einfuhr in das Bestimmungsland beauftragten Spediteur gerichtete Ansprüche auf Unterlassung der Einfuhr und des Inverkehrbringens von markenverletzend gekennzeichneten Waren in Betracht, die unmittelbar auf das Markenrecht des Bestimmungslands gestützt sind. Dies setzt voraus, dass nach dem Recht des Bestimmungslands gegen den Spediteur ein vorbeugender Unterlassungsanspruch auf Untersagung der Einfuhr und des Inverkehrbringens besteht.
[Das vorgehende Urteil des KG Berlin vom 12.10.2010 wurde bereits unter der Nr. 169 im Band IPRspr. 2010 abgedruckt.]
Die Kl. macht gegen die Bekl., ein Speditionsunternehmen, Rechte aus den deutschen und den EU-Wortmarken „Clinique“ und „Clinique happy“ geltend, die u.a. für Parfümerien eingetragenen sind. Auf Kartons einer Lieferung von Dubai zum Flughafen Tegel war die Bezeichnung „Clinique Labs“ angebracht. Die Kartons enthielten gefälschte Parfümprodukte, die mit den Klagemarken gekennzeichnet waren. Die in Deutschland ansässige Bekl. sollte diese Ware im Rahmen eines durchgehenden Zollverschlussverfahrens nach Russland transportieren. Aufgrund von ihr gestellter Grenzbeschlagnahmeanträge wurde die Kl. vom Hauptzollamt Potsdam über die Aussetzung der Überlassung eines Teils des Warenkontingents wegen des Verdachts einer Markenrechtsverletzung informiert.
Mit einstweiliger Verfügung untersagte das LG Berlin der Bekl., ohne Zustimmung der Markeninhaberin Parfüms mit den Klagemarken ein- und/oder auszuführen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder diese Handlungen vornehmen zu lassen, wies jedoch im Hauptsacheverfahren die entspr. Klage ab. Auf die Berufung der Kl. hat das Berufungsgericht die Bekl. unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Kl. unter Androhung von Ordnungsmitteln zur Unterlassung verurteilt. Ferner hat das Berufungsgericht die Bekl. verurteilt, das im Zolllager befindliche Kontingent der Parfüms an die Kl. zum Zwecke der Vernichtung herauszugeben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Bekl. ihren Antrag auf Klageabweisung weiter. Die Kl. beantragt, die Revision zurückzuweisen.
[1]II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Bekl. hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
[2]1. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kl. stehe im Hinblick auf die geplante Einfuhr der beanstandeten Produkte nach Russland oder deren Inverkehrbringen in Russland ein Unterlassungsanspruch aus §§ 823, 1004 BGB zu, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
[3]a) Allerdings hat der Senat unter der Geltung des Warenzeichengesetzes angenommen, dass dann, wenn die Beförderung zu einer Verletzung eines im Bestimmungsland geschützten Zeichens führt, in der Durchfuhr ein im Inland begangener Teilakt einer Beeinträchtigung des ausländischen Schutzrechts gesehen werden kann, der als unlauterer Wettbewerb sowie als unlautere Handlung im Sinne des § 823 II BGB im Inland verfolgt werden kann [BGH, Urt. vom 15.1.1957 – I ZR 56/55 (IPRspr. 1956–1957 Nr. 165) (GRUR 1957, 352, 353); BGH, Urt. vom 24.7.1957 – I ZR 21/56 (IPRspr. 1956–1957 Nr. 170) (GRUR 1958, 189, 197)].
[4]b) An dieser Rspr., auf die der Senat bereits in der Entscheidung ‚Durchfuhr von Originalware’ (Urt. vom 21.3.2007 – I ZR 66/04, GRUR 2007, 875 = WRP 2007, 1184 (IPRspr 2007-101)) nicht mehr zurückgekommen ist, wird nicht festgehalten.
[5]aa) Allerdings hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, dass auf die beanstandete Handlung deutsches Deliktsrecht anzuwenden ist.
[6]Da es im Streitfall um einen Sachverhalt mit Auslandsberührung geht, dem eine vor dem 11.1.2009 vorgenommene Handlung der Bekl. zugrunde liegt, findet die Rom-II-VO noch keine Anwendung (vgl. Art. 31 f. Rom-II-VO). Für die kollisionsrechtliche Prüfung ist vielmehr Art. 40 I 1 EGBGB maßgeblich. Danach unterliegen Ansprüche aus unerlaubter Handlung dem Recht des Staats, in dem der Ersatzpflichtige gehandelt hat oder – bei der Annahme eines Unterlassungsdelikts – hätte handeln müssen (vgl. Palandt-Thorn, BGB, 71. Aufl., (IPR) EGBGB Art. 40 Rz. 4). Im Streitfall liegt der Handlungsort in Deutschland. Das Berufungsgericht hat das pflichtwidrige Verhalten der Bekl. darin gesehen, dass sie den objektiv markenrechtswidrigen Besitz zugunsten des russischen Käufers und Importeurs aufrechterhalten habe, obwohl sie von der Kl. auf den Umstand der Markenfälschung aufmerksam gemacht worden sei. Es ist mithin von einer in Deutschland verletzten Handlungspflicht ausgegangen. Nichts anderes ergibt sich, wenn man die maßgebende Handlung im (drohenden) Transport durch Deutschland sähe (so BGH, GRUR 1957 aaO; GRUR 1958 aaO).
[7]bb) Der von der Kl. geltend gemachte Unterlassungsanspruch lässt sich jedoch nicht auf § 823 BGB stützen, weil diese Vorschrift russische Markenrechte nicht schützt.
[8](1) Das Deliktsstatut bestimmt über die Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer unerlaubten Handlung (vgl. MünchKomm-Junker, 5. Aufl., Art. 40 EGBGB Rz. 99) und damit auch über die geschützten Rechtsgüter (Erman-Hohloch, BGB, 13. Aufl., Art. 40 EGBGB Rz. 41). Russisches Markenrecht kommt als Schutzgesetz nach § 823 II BGB nicht in Betracht. Unter den Begriff des Gesetzes im Sinne des BGB fallen allein nationale sowie solche internationalen Rechtsnormen, die für den Bürger unmittelbar im Inland gelten (Art. 2 EGBGB; vgl. Bamberger-Roth-Spindler, BGB, 3. Aufl., § 823 Rz. 147; Palandt-Sprau aaO § 823 Rz. 56a; MünchKomm-Wagner aaO § 823 Rz. 336). Diese Voraussetzungen erfüllt das russische Markenrecht nicht. Für nationale Immaterialgüterrechte gilt der völker- und unionsrechtlich anerkannte Grundsatz der Territorialität, wonach diese Rechte einen auf das staatliche Territorium begrenzten Schutz genießen und nur im Inland vorgenommene Handlungen geahndet werden können (EuGH, Urt. vom 22.6.1994 – IHT und Danzinger: IHT Internationale Heiztechnik GmbH und Uwe Danzinger ./. Ideal-Standard GmbH und Wabco Standard GmbH, Rs C-9/93, Slg. 1994, I-02789 = GRUR Int. 1994, 614 Rz. 22; Urt. vom 14.7.2005 – Lagardère: Lagardère Active Broadcast ./. Société pour la perception de la rémunération équitable [SPRE] und Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten mbH (GVL), Rs C-192/04, Slg. 2005, I-07199 = GRUR 2006, 50 Rz. 46; BGH, Urt. vom 22.1.1964 – Ib ZR 92/62 (IPRspr. 1964–1965 Nr. 177), BGHZ 41, 84, 87; Urt. vom 13.10.2004 – I ZR 163/02 (IPRspr 2004-126), GRUR 2005, 431, 432 = WRP 2005, 493; Urt. vom 24.3.2011 – I ZR 211/08 (IPRspr 2011-229), GRUR 2011, 1112 Rz. 22 = WRP 2011, 1621; Büscher-Dittmer-Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz / Urheberrecht / Medienrecht, 2. Aufl., § 14 Rz. 67). Ausländische Marken können daher nur aufgrund von – im Streitfall nicht ersichtlichen – Sonderregelungen oder zwischenstaatlicher Anerkennung in Deutschland Schutz genießen (Ingerl-Rohnke; MarkenG, 3. Aufl., Einl. Rz. 15; Erman-Hohloch aaO Rz. 46) und kommen deshalb weder als Schutzgesetz im Sinne von § 823 II BGB noch als sonstiges Recht nach § 823 I BGB in Betracht (vgl. Katzenberger, ZHR 131 (1968), 174, 177 f.; Leitzen, GRUR 2006, 89, 95; im Ergebnis ebenso Ströbele-Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 14 Rz. 164; Hacker, MarkenR 2009, 7, 9).
[9](2) Entgegen der Ansicht der Revision erfordert der Gesichtspunkt der Schutzbedürftigkeit des Markeninhabers keine abweichende Beurteilung. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Streitfall dadurch gekennzeichnet ist, dass im Bestimmungsstaat der beanstandeten Warenlieferung nach den Feststellungen des Berufungsgerichts Markenschutz besteht. Das Bedürfnis an einem Rechtsschutz bereits im Transitstaat ist für die Markeninhaberin mithin geringer als bei einer Durchfuhr in schutzrechtsfreie Bestimmungsländer, bei der ein Schutz nach dem Deliktsrecht des Transitstaats von vornherein ausscheidet. Hinzu kommt, dass den Interessen des Schutzrechtsinhabers bei einem Transit in einen Bestimmungsstaat, in dem gewerbliche Schutzrechte bestehen, auch durch eine Zusammenarbeit der Zollbehörden Rechnung getragen werden kann (vgl. EuGH, Urt. vom 1.12.2011 – Philips: Koninklijke Philips Electronics NV ./. Lucheng Meijing Industrial Company Ltd u.a., Rs C-446/09, Slg. 2011 00000 und Nokia: Nokia Corporation ./. Her Majesty’s Commissioners of Revenue and Customs, Rs C-495/09, Slg. 2011 00000, GRUR Int. 2012, 134 Rz. 65) ...
[10]III. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO) ...
[11]2. Auf der Grundlage der bisher vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen sich die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung und Herausgabe zum Zwecke der Vernichtung auch nicht unmittelbar aus russischem Markenrecht.
[12]a) Aus dem Territorialitätsgrundsatz folgt, dass das nationale Immaterialgüterrecht nur die Handlungen mit Sanktionen belegen kann, die im Hoheitsgebiet des betreffenden Staats vorgenommen worden sind (EuGH, GRUR Int. 1994 aaO; GRUR 2006 aaO; BGH, GRUR 2005 aaO). Daher wird eine bloße Vorbereitungshandlung wie der Transport durch das Transitland vom Recht des Bestimmungsstaats nicht erfasst (Leitzen aaO; vgl. auch Christian Heinze/ Stefan Heinze, GRUR 2007, 740, 746).
[13]b) Etwas anderes kann jedoch im Hinblick auf die vom Unterlassungsantrag der Kl. erfasste Einfuhr von mit den Klagemarken gekennzeichneten Parfüms nach Russland sowie auf ein Inverkehrbringen solcher Waren in Russland gelten. Diese Handlungen betreffen ein Verhalten innerhalb des russischen Territoriums und kommen daher als Verletzungshandlungen nach russischem Markenrecht in Betracht.
[14]c) Ob sich der Unterlassungsantrag im Streitfall auf eine Verletzung von russischem Markenrecht stützen lässt, kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht abschließend beantwortet werden.
[15]Zwar ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Klagemarken auch in Russland Schutz genießen. Weiter hat es festgestellt, dass die Bekl. die Waren vom Flughafen Berlin/Tegel per Lkw nach Russland befördern sollte. Das Berufungsgericht hat jedoch – von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig – bislang keine Feststellungen dazu getroffen, ob ausgehend von dieser Sachlage nach russischem Recht gegen die Bekl. als Spediteurin ein vorbeugender Unterlassungsanspruch besteht, der den Klageantrag rechtfertigt. Entsprechendes gilt für den Antrag auf Herausgabe zum Zwecke der Vernichtung.
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