Die deutschen Gerichte sind für Verfahren zur Prüfung der Anmeldung einer Insolvenzforderung und ihrer Feststellung zumindest dann international zuständig, wenn das Insolvenzverfahren nach den Vorschriften der EuInsVO in Deutschland eröffnet worden ist und sich der Beklagte ohne Rüge der Zuständigkeit auf das Verfahren eingelassen hat.
Das Gesellschaftsstatut einer Auslandsgesellschaft (hier: österreichische GmbH), die in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR oder in einem mit diesen aufgrund eines Staatsvertrags in Bezug auf die Niederlassungsfreiheit gleichgestellten Staat gegründet worden ist, bestimmt sich nach dem Recht des Gründungsstaats. Ausschüttungssperren (hier: § 82 österreichisches GmbHG) unterliegen dem Gesellschaftsstatut. [LS der Redaktion]
Die B. B. P. GmbH (im folgenden: BBP) war Alleingesellschafterin der AE E. GmbH (im Folgenden: AEE) mit Sitz in Österreich und selbst eine 90%ige Tochtergesellschaft der Konzernmutter B. B. AG (im folgenden: BBX). Die BBX betrieb den konzernweiten Cash-Pool. Die AEE hatte auf dem Zentralkonto des Cash-Pools ein Guthaben. AEE, BBX und BBP vereinbarten, dass AEE von dem Clearing-Saldo zwischen BBX und BBP, der eine Verbindlichkeit der BBP gegenüber der BBX auswies, einen Betrag in Höhe des Guthabens der AEE bei BBX übernahm. BBP anerkannte gleichzeitig, diesen Betrag der AEE zu schulden. AEE erklärte die Aufrechnung ihrer Forderung aus dem Clearing-Saldo (gegen BBX) gegen die Forderung der BBX aus der Schuldübernahme. Die AEE hatte Forderungen gegen die niederländische NEM BV (NEM), eine Tochtergesellschaft der BBP. Die Forderungen der AEE gegen die NEM wurden nach der Darstellung des Kl. aufgrund einer Vereinbarung durch Verrechnung mit gegen andere Konzerngesellschaften gerichteten Forderungen der NEM teilweise ausgeglichen, sodass die AEE eine Gutschrift auf dem mit der BBX geführten Verrechnungskonto erhalten habe. Das AG Duisburg eröffnete das Insolvenzverfahren über das Vermögen der BBX und BBP und bestellte den Bekl. jeweils zum Insolvenzverwalter. Der Kl. ist Masseverwalter im österr. Konkursverfahren über das Vermögen der AEE. Er meldete im Insolvenzverfahren über das Vermögen der BBX eine Forderung hins. des urspr. Guthabens der AEE aus dem Cash-Pool sowie eine Forderung wegen der Gutschrift auf dem mit der BBX geführten Verrechnungskonto an, die der Bekl. bestritt.
Mit der Klage begehrt der Kl. die Feststellung der im Insolvenzverfahren der BBX angemeldeten Forderungen. Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision des Kl.
[1]II. Das Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
[2]1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die deutschen Gerichte für die geltend gemachten Insolvenzforderungen international zuständig sind, soweit sie nicht auf Konkursanfechtung gestützt sind. Dabei kann dahinstehen, ob die internationale Zuständigkeit für Verfahren zur Prüfung der Anmeldung einer Insolvenzforderung und ihrer Feststellung auf der EuInsVO oder der EuGVO beruht.
[3]Die deutschen Gerichte sind international zuständig, wenn sich die Zuständigkeit für Klagen auf Feststellung einer Insolvenzforderung gegen den Insolvenzverwalter nach der EuInsVO richtet. In Frage kommen sowohl eine Annexzuständigkeit nach Art. 3 I EuInsVO, weil die Vorschrift dahin auszulegen ist, dass er dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, für Klagen, die unmittelbar aus diesem Verfahren hervorgehen und in engem Zusammenhang damit stehen, auch eine internationale Zuständigkeit zuweist (EuGH, Urt. vom 12.2.2009 – Deko Marty Belgium: Christopher Seagon ./. Deko Marty Belgium NV, Rs C-339/07, Slg. 2009 I-00767 Rz. 21), als auch eine Verweisung in das nationale Insolvenzrecht aus Art. 4 I und II lit. h EuInsVO (Nerlich-Römermann-Becker, Insolvenzordnung [Stand Mai 2007], § 180 Rz. 28), wonach das Recht des Staats der Verfahrenseröffnung die Anmeldung, die Prüfung und die Feststellung der Forderungen regelt. Bei einer Annexzuständigkeit nach Art. 3 I EuInsVO sind die deutschen Gerichte zuständig, weil das Insolvenzverfahren über das Vermögen der BBX in Deutschland eröffnet worden ist, bei einer Verweisung ins nationale Insolvenzrecht aus Art. 4 II lit. h EuInsVO folgt die Zuständigkeit der deutschen Gerichte daraus, dass das Verfahren in Deutschland eröffnet wurde und § 180 I InsO als insoweit anwendbares deutsches Recht die deutschen Gerichte, bei denen das Insolvenzverfahren anhängig ist oder zu deren Bezirk das Insolvenzgericht gehört, für ausschließlich zuständig erklärt.
[4]Die deutschen Gerichte sind auch zuständig, wenn die internationale Zuständigkeit für Klagen auf Feststellung einer Insolvenzforderung nach der EuGVO zu bestimmen ist (dafür etwa MünchKommInsO-Reinhart, 2. Aufl., Art. 3 EuInsVO Rz. 93 m.w.N.). Die internationale Zuständigkeit folgt dann aus Art. 24 EuGVO. Der Bekl. hat sich auf das Verfahren ohne Rüge der Zuständigkeit eingelassen, und eine ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 22 EuGVO besteht nicht. Die Klage betrifft weder die Gültigkeit, die Nichtigkeit oder die Auflösung einer Gesellschaft noch die Gültigkeit von Organbeschlüssen (Art. 22 Nr. 2 EuGVO).
[5]2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht einen Anspruch des Kl. auf Feststellung der Forderung über 76 800 000 Euro nebst Zinsen verneint.
[6]a) Der Kl. hat gemäß § 179 I InsO gegen den beklagten Insolvenzverwalter die Feststellung der Insolvenzforderung zu betreiben, nachdem dieser sie bestritten hat. Auf die Feststellung findet deutsches Recht Anwendung, weil das Insolvenzverfahren über das Vermögen der BBX in Deutschland eröffnet wurde (Art. 4 II lit. h EuInsVO).
[7]b) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass auf die geltend gemachte Forderung der AEE gegen BBX österr. Recht anzuwenden ist. Der Kl. stützt die Klage in erster Line auf die Ausschüttungssperre nach § 82 österr. GmbHG. Ausschüttungssperren unterliegen dem Gesellschaftsstatut (BGH, Urt. vom 25.6. 2001 – II ZR 38/99, BGHZ 148, 167, 168). Das Personalstatut einer Auslandsgesellschaft, die in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR oder in einem mit diesen aufgrund eines Staatsvertrags in Bezug auf die Niederlassungsfreiheit gleichgestellten Staat gegründet worden ist, bestimmt sich nach der sog. Gründungstheorie nach dem Recht des Gründungsstaats (BGH, Urt. vom 27.10.2008 – II ZR 158/06 (IPRspr 2008-11), BGHZ 178, 192 Rz. 19 [Trabrennbahn]). Da die AEE in Österreich gegründet wurde, wo sie auch ihren Verwaltungssitz hatte, ist österr. Recht anzuwenden.
[8]c) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft eine Auszahlung nach § 82 österr. GmbHG mit der Begründung verneint, der Kl. habe nicht dargelegt, dass die Forderung der BBX gegen BBP, deren Schuld die AEE in Höhe von 76 800 000 Euro übernommen hat, ganz oder teilweise uneinbringlich oder eigenkapitalersatzrechtlich gebunden gewesen sei.
[9]aa) Revisionsrechtlich ist dabei zu unterstellen, dass eine verbotene Auszahlung nach § 82 österr. GmbHG vorliegt, wenn der Verlust der Forderung der AEE gegen die BBX aus dem Clearing-Saldo infolge der Aufrechnung nicht dadurch ausgeglichen wird, dass die AEE infolge des Anerkenntnisses der BBP eine gleichwertige Forderung erworben hat, und dafür maßgebend ist, ob die BBP ein schlechterer Schuldner als die BBX ist, weil die Forderung der BBX gegen die BBP ganz oder teilweise uneinbringlich gewesen oder eigenkapitalersatzrechtlich gebunden gewesen ist. Das Berufungsurteil, in dem keine näheren Feststellungen zu den Voraussetzungen einer zulässigen Auszahlung nach dem anwendbaren österr. Recht getroffen werden, stellt auf den Ausgleich des Verlusts der Forderung der AEE gegen BBX durch die Begründung einer Forderung der AEE gegen BBP infolge der Vereinbarung vom 25./26.2.2002 ab und geht davon aus, dass dazu die Forderung der BBX gegen BBP, deren Schuld die AEE übernommen hatte, nicht wertlos in dem Sinn sein darf, dass sie ganz oder teilw. uneinbringlich oder eigenkapitalersatzrechtlich gebunden war. Es unterstellt dabei auch, dass nach § 82 österr. GmbHG eine Leistung an den Gesellschafter-Gesellschafter einer Leistung an den Gesellschafter gleichsteht ...
[10]III. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 I und III ZPO).
[11]Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
[12]1. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht die Gelegenheit zu überprüfen, ob eine verbotene Auszahlung nach österr. Recht – wovon es ausgegangen ist – erst vorliegt, wenn die Forderung der AEE gegen die BBP nicht durchsetzbar, weil eigenkapitalersatzrechtlich verstrickt, oder teilweise uneinbringlich ist, oder die Vereinbarung vom 25./26.2.2002 schon aus anderen Gründen zu einer verbotenen Auszahlung führt. Nach § 82 I österr. GmbHG haben die Gesellschafter, solange die Gesellschaft besteht, nur Anspruch auf den nach dem Jahresabschluss als Überschuss der Aktiven über die Passiven sich ergebenden Bilanzgewinn, soweit dieser nicht aus dem Gesellschaftsvertrag oder durch einen Beschluss der Gesellschafter von der Verteilung ausgeschlossen ist. Der Kl. hat behauptet, dass nach österr. Recht bei einem Rechtsgeschäft mit einem Gesellschafter eine verbotene Auszahlung dann nicht vorliege, wenn das Geschäft einem Drittvergleich standhält und es ein sorgfältig handelnder Geschäftsführer unter sonst gleichen Umständen zu gleichen Bedingungen auch mit einem Nichtgesellschafter abgeschlossen hätte. Der Kl. hat darauf hingewiesen, dass ein sorgfältig handelnder Geschäftsführer einen Schuldner, der eine Forderung gegen einen Dritten hat und dem die Liquidität anderer Unternehmen zufließt, gegen diesen Dritten als Schuldner nur ausnahmsweise eintauschen wird. Im wirtschaftlichen Ergebnis hat die AEE eine Forderung gegen einen Schuldner (die BBX) gegen eine Forderung gegen einen anderen Schuldner (BBP) getauscht. Während der BBX als Konzernmutter, der auch der Cash-Pool zugeordnet war, die Liquidität der Konzernunternehmen zufloss, war die BBP ohne eigene Liquidität, von BBX abhängig und schuldete dieser erhebliche Summen. Dabei wird das Berufungsgericht auch zu berücksichtigen haben, dass eine Darlehensgewährung an einen Gesellschafter, wie sie hier wirtschaftlich mit dem Anerkenntnis der Forderung der AEE gegen die BBP als Ausgleich für die Übernahme der Schuld der BBP vorliegt, nach dem vom Kl. vorgelegten Rechtsgutachten nach österr. Recht grundsätzlich nur bei unbedenklicher Bonität und angemessenen Kreditzinsen zulässig ist und existenzbedrohende Risiken keinesfalls übernommen werden dürfen. Dass die AEE mit dem Guthaben auf dem Cash-Clearing-Konto bei der BBX wirtschaftlich ebenfalls einem mittelbaren Gesellschafter ein Darlehen gewährt hatte, steht einer unterschiedlichen Bewertung der Forderungen schon deshalb nicht entgegen, weil nach österr. Recht ein Rechtsgeschäft mit dem Gesellschafter – ausweislich des vom Kl. vorgelegten Rechtsgutachtens – betrieblich gerechtfertigt sein und aus diesem Grund die Teilnahme an einem Cash-Pool unter dem Gesichtspunkt einer verbotenen Auszahlung leichter möglich sein kann als ein sonstiges Darlehen an einen Gesellschafter.
[13]2. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Kl. darzulegen und zu beweisen hat, dass ein Rechtsgeschäft mit einem Gesellschafter einem Drittvergleich nicht standhält. Ob nach dem insoweit maßgebenden österr. Recht die Beweislast bei der Gesellschaft liegt, hat es aber nicht ermittelt.
[14]3. Das Berufungsgericht wird auch zu prüfen haben, ob die Forderung der AEE gegen die BBX aus dem Clearing-Vertrag in Höhe von 76 800 000 Euro möglicherweise nicht erloschen ist, weil die Aufrechnungserklärung durch die AEE ins Leere ging. Die Aufrechnungserklärung ging ins Leere, wenn die AEE die Schuld der BBP gegenüber der BBX nicht wirksam übernommen hat. Nach dem vom Kl. vorgelegten Rechtsgutachten zum österr. Recht sind bei einem Verstoß gegen das Verbot nach § 82 österr. GmbHG das Verpflichtungsgeschäft und das Verfügungsgeschäft nichtig. Das könnte dazu führen, dass die Schuldübernahme nichtig ist, wenn sie durch die Forderung gegen die BBP nicht ausgeglichen wird. Da mit diesem Geschäft die AEE wirtschaftlich der BBP als Gesellschafterin ein Darlehen gewährt hat und nach dem vom Kl. vorgelegten Rechtsgutachten nach österr. Recht eine Darlehensgewährung an den Gesellschafter nur bei unbedenklicher Bonität und angemessener Verzinsung keine Auszahlung ist, liegt ggf. allein in der mit der Schuldübernahme verbundenen Darlehensgewährung eine verbotene Auszahlung.