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Verfahrensgang

OLG München, Beschl. vom 01.02.2010 – 31 Wx 37/09, IPRspr 2010-86

Rechtsgebiete

Ehe und andere familienrechtliche Lebens- und Risikogemeinschaften → Eingehung, Wirksamkeit
Erbrecht → Erbrecht gesamt bis 2019

Leitsatz

Der Erteilung eines Erbscheins aufgrund gesetzlicher Erbfolge zugunsten der Ehefrau eines deutsch-iranischen Staatsangehörigen steht nicht entgegen, dass die der Form des Ortsrechts entsprechende Eheschließung in einem Drittstaat (hier: Kalifornien) im Iran nicht anerkannt wird.

Rechtsnormen

BGB § 1925; BGB § 1931; BGB § 2369
EGBGB Art. 5; EGBGB Art. 11; EGBGB Art. 13; EGBGB Art. 25
EheschließungG 1931 (Iran) Art. 1
FGG § 13a; FGG § 27
KostO § 30
NiederlAbk D-Iran Art. 8
ZGB 1935 (Iran) Art. 1059 f.; ZGB 1935 (Iran) Art. 1062
ZPO § 546

Sachverhalt

Der kinderlose Erblasser ist am 8.9.2007 verstorben. Der Erblasser lebte auch in Deutschland und besaß sowohl die iranische als auch – seit etwa 2000 – die deutsche Staatsangehörigkeit. Eine letztwillige Verfügung liegt nicht vor. Die Beteiligten zu 2) bis 7) sind seine Geschwister. In Deutschland befinden sich Nachlassgegenstände. Die Beteiligte zu 1) bezeichnet sich als Ehefrau des Erblassers; sie ist ebenfalls iranische und seit etwa 2004 auch amerikanische Staatsangehörige. Sie hat vorgetragen, mit dem Erblasser 1996 im Iran und 1997 in Kalifornien/USA die Ehe geschlossen zu haben. Sie hat die Erteilung eines Erbscheins aufgrund gesetzlicher Erbfolge beantragt, der sie als Miterbin zu 1/2, die Beteiligten zu 2) bis 7) als Miterben zu je 1/12 ausweist.

Die Beteiligten zu 2) bis 7) sind dem Antrag entgegengetreten und haben die Erteilung eines Erbscheins als Miterben zu je 1/6 beantragt mit der Begründung, die Beteiligte zu 1) habe nicht wirksam die Ehe mit dem Erblasser geschlossen. Mit Beschluss vom 30.9.2008 kündigte das NachlG die Erteilung des von der Beteiligten zu 1) beantragten Erbscheins an.

Gegen diese Entscheidung legten die Beteiligten zu 2) bis 7) Beschwerde ein, die mit Beschluss des LG vom 19.2.2009 zurückgewiesen wurde. Hiergegen richtet sich ihre weitere Beschwerde.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Die zulässige weitere Beschwerde ist nicht begründet ...

[2]2. Die Entscheidung des LG ist aus Rechtsgründen (§§ 27 I FGG, 546 ZPO) nicht zu beanstanden.

[3]a) Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass sich die Erbfolge nach deutschem Recht beurteilt (Art. 25 I, 5 I 2 EGBGB), da der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes auch deutscher Staatsangehöriger war. Das nach wie vor geltende Niederlassungsabkommen zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien vom 17.2.1929 (RGBl. 1930 II 1002, 1006) ist für die Frage der Erbfolge nicht maßgeblich, weil es nur für Personen anwendbar ist, die ausschließlich die deutsche oder ausschließlich die iranische Staatsangehörigkeit besitzen (vgl. Ferid-Firsching-Dörner-Hausmann-Yassari, Internationales Erbrecht, Iran [Erg.-Lfg. LXIII], Rz. 10; Staudinger-Dörner, BGB, Bearb. 2007, Vor Art. 25 f. EGBGB Rz. 157). Sinn des Niederlassungsabkommens ist es, den Staatsangehörigen des jeweils anderen Vertragsstaats in dem von dem Abkommen geregelten Bereich grundsätzlich die gleichen Rechte und Pflichten wie den eigenen Staatsangehörigen zukommen zu lassen. Wer beide Staatsangehörigkeiten besitzt, bedarf dieser Privilegierung nicht, da ihm ohnehin die mit beiden Staatsangehörigkeiten jeweils verbundene Rechtsstellung zusteht (BVerfG, FamRZ 2007, 615; Schotten/Wittkowski, FamRZ 1995, 264/265 f.). Der Erblasser wird folglich nach § 1925 I, III BGB von seinen Geschwistern und – sofern er verheiratet war – nach § 1931 I 1 BGB von seiner Ehefrau beerbt.

[4]b) Nach welchen Rechtsnormen die Wirksamkeit der Eheschließung zu beurteilen ist, beurteilt sich gesondert nach den dafür maßgeblichen kollisionsrechtlichen Vorschriften.

[5]aa) Dabei ist für keine der beiden hier in Betracht kommenden Eheschließungen – 1996 im Iran bzw. 1997 in Kalifornien/USA – das deutsch-iranische Niederlassungsabkommen anwendbar. Nach Art. 8 III des Abkommens bleiben die Angehörigen jedes der vertragsschließenden Staaten ‚im Gebiet des anderen Staates’ den Vorschriften ihrer heimischen Gesetze unterworfen. Der Anwendungsbereich des Abkommens ist folglich weder für eine Eheschließung zweier iranischer Staatsangehöriger im Iran eröffnet noch für eine Eheschließung in einem Drittstaat.

[6]Entgegen der Auffassung der weiteren Beschwerde trifft das Abkommen auch keine Regelungen über die gegenseitige Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen, wie auch das LG zutreffend hervorgehoben hat. Vielmehr regelt das Niederlassungsabkommen ausschließlich Fragen des anwendbaren materiellen Rechts. Es befasst sich hingegen nicht mit Fragen des Formstatuts oder des internationalen Verfahrensrechts, denn das einen wesentlichen Teil des Abkommens bildende Schlussprotokoll bestimmt zu Art. 8 III ausdrücklich: ‚Die vertragsschließenden Staaten sind sich darüber einig, dass das Personen-, Familien- und Erbrecht, d.h. das Personalstatut, die folgenden Angelegenheiten umfasst ...’ (vgl. Schotten/Wittkowski aaO 269). Auch außerhalb des Niederlassungsabkommens sind keine Regelungen vorhanden, die hier eine Bindung der deutschen Gerichte an die Entscheidungen iranischer Gerichte begründen würden. Auf die im Iran anhängigen zivil- und strafrechtlichen Verfahren zwischen den Beteiligten kommt es deshalb für die Erteilung des Erbscheins durch das deutsche NachlG nicht an, auch wenn sich dort ergehende Entscheidungen ebenfalls mit der Erbfolge nach dem Erblasser (unter Anwendung iranischen Rechts) und der Wirksamkeit der Eheschließung befassen.

[7]bb) Nach Art. 13 I EGBGB unterliegen die Voraussetzungen der Eheschließung für jeden Verlobten dem Rechts des Staats, dem er angehört. Nachdem sowohl der Erblasser als auch die Beteiligte zu 1) zur Zeit beider in Betracht kommender Eheschließungen jeweils ausschließlich die iranische Staatsangehörigkeit besaßen und der schiitischen Glaubensrichtung angehörten, sind die materiellen Voraussetzungen der Eheschließung nach den Bestimmungen des iranischen ZGB zu beurteilen. Zu den materiellen Voraussetzungen der Eheschließung gehören etwa die Ehemündigkeit oder das Vorliegen von Ehehindernissen, insbes. der Doppelehe (vgl. Palandt-Thorn, BGB, 69. Aufl., Art. 13 EGBGB Rz. 6). Rechtsfehlerfrei hat das LG darauf verwiesen, dass eine etwa noch bestehende Ehe des Erblassers danach kein Hindernis für eine weitere Ehe darstellte. Das LG konnte deshalb offenlassen, ob die durch ein deutsches Gericht ausgesprochene Scheidung der ersten, mit einer deutschen Staatsangehörigen in Deutschland eingegangenen Ehe des Erblassers bereits mit Rechtskraft des Scheidungsurteils 1993 oder erst mit der Eintragung im Pass 1998 wirksam wurde. Abgesehen davon ist die Registrierung der Ehescheidung zu deren Wirksamkeit nicht erforderlich (vgl. Bergmann-Ferid-Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Iran [Erg.-Lfg. 158] S. 63; Brandhuber-Zeyringer, Standesamt und Ausländer, Iran [Erg.-Lfg. 28] S. 13).

[8]cc) Für die Frage der Formgültigkeit einer Ehe wird das anwendbare Recht hingegen für eine Heirat im Inland durch Art. 13 III EGBGB, für eine Heirat im Ausland durch Art. 11 EGBGB bestimmt. Anders als die weitere Beschwerde meint, umfasst der Anwendungsbereich des Art. 11 I EGBGB insbes. auch die Eheschließung (vgl. Staudinger-Winkler v. Mohrenfels aaO Art. 11 Rz. 82; Palandt-Thorn aaO Rz. 3). Danach ist eine Ehe formgültig, wenn sie entweder die Formerfordernisse des inhaltlich maßgeblichen Rechts (Geschäftsrecht) oder die Formerfordernisse des Rechts am Ort der Vornahme (Ortsrecht) erfüllt. Dabei ist es unerheblich, wenn nach dem Ortsrecht die Form des Heimatrechts der Verlobten zur Wirksamkeit einer Eheschließung nicht ausreicht. Umgekehrt genügt die Ortsform auch dann, wenn das Heimatrecht diese für eine wirksame Eheschließung nicht ausreichen lässt (vgl. Palandt-Thorn aaO Rz. 19; Staudinger-Winkler v. Mohrenfels aaO Rz. 191 f.).

[9](1) Für die Formwirksamkeit der nach dem Vortrag der Beteiligten zu 1) 1996 im Iran erfolgten Eheschließung ist folglich nur iranisches Recht maßgeblich. Dem Sachverständigen folgend hat das LG zutreffend angenommen, dass nach Art. 1062 iran. ZGB die Ehe infolge eines Angebots und der Annahme durch mündliche Willenserklärung geschlossen wird; die Eheschließung ist danach ein zivilrechtlicher Vertrag (vgl. BGH, NJW-RR 2005, 81/84 m.w.N. (IPRspr 2004-135)). Aus den Unterschriften auf dem Ehevertrag, die unstreitig vom Erblasser und von der Beteiligten zu 1) stammen, durfte das LG den Schluss ziehen, dass auch die entspr. mündlichen Erklärungen abgegeben worden sind. Diese Würdigung ist nicht nur möglich, sondern nahe liegend, und folglich aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Unerheblich ist, welche Anforderungen iranische Gerichte im Einzelfall an den Nachweis einer Eheschließung stellen, denn für die Tatsachen- und Beweiswürdigung sind wie für das Verfahren insgesamt nur die Bestimmungen des deutschen Rechts als lex fori maßgeblich.

[10]Weitergehende Formerfordernisse bestehen jedenfalls für eine im Iran zwischen iranischen Staatsangehörigen geschlossene Ehen nicht, insbes. ist hier – anders als bei außerhalb des Iran geschlossenen Ehen – die Registrierung der Ehe keine Voraussetzung für ihre Gültigkeit. Nach Art. 1 des iran. Gesetzes betreffend die Eheschließung vom 15.8.1931 muss die Eheschließung im Notariat erfolgen und eingetragen werden, die Missachtung dieser Verpflichtungen wird mit Strafe bedroht. Ein Verstoß führt aber nicht zur Unwirksamkeit der Eheschließung (vgl. Bergmann-Ferid-Henrich aaO S. 38; Brandhuber-Zeyringer aaO S. 12; Sturm, StAZ 2010, 1/3). Aus dem Merkblatt der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Teheran, auf das sich die Beschwf. beziehen, ergibt sich nichts anderes. Zum einen bezweckt das Merkblatt eine zusammenfassende Darstellung der einzuhaltenden Vorschriften, nicht aber eine abschließende Beurteilung der Folgen von Verstößen. Zum anderen steht im Vordergrund die Eheschließung zwischen Personen unterschiedlicher Staatsangehörigkeit, für die weitere Voraussetzungen gelten können (vgl. Art. 1059, 1060 iran. ZGB).

[11]Das LG hat deshalb zu Recht davon abgesehen, den von den Beschwf. vorgetragenen Unstimmigkeiten und formalen Mängeln hinsichtlich der Eheschließung im Iran nachzugehen. Auf die etwaige Fälschung des Eintrags im Heiratsbuch des Notars kommt es ebenso wenig an wie auf die Frage, ob die Eheschließenden an dem bezeichneten Tag das Notariat aufgesucht haben.

[12](2) Für die Formwirksamkeit der in Kalifornien geschlossenen Ehe ist es ausreichend, wenn sie entweder den Formvorschriften des dortigen Rechts genügt (was unstreitig der Fall ist) oder denjenigen des iranischen Heimatrechts der Eheschließenden. Das LG hat deshalb zu Recht auch diese Eheschließung als wirksam betrachtet.

[13]Aus der Sicht des iranischen Heimatrechts der Beteiligten reicht allerdings für die Formwirksamkeit dieser außerhalb des Iran erfolgten Eheschließung die Einhaltung der Ortsform nicht aus, ebenso wenig das Vorliegen übereinstimmender Willenserklärungen. Vielmehr wird zusätzlich – im Gegensatz zu im Iran geschlossenen Ehen – zur Wirksamkeit die Registrierung bei der iranischen Auslandsvertretung oder bei der zuständigen Behörde im Iran verlangt (vgl. OLG Hamm, StAZ 1994, 221/222 (IPRspr. 1994 Nr. 148); Brandhuber-Zeyringer aaO S. 5, 12; Sturm aaO). Darauf kann sich die weitere Beschwerde aber nicht mit Erfolg berufen, denn für die von einem deutschen Gericht zu treffenden Entscheidung kommt es nicht darauf an, ob auch der Heimatstaat die Ehe anerkennt, was ggf. zu einer sog. hinkenden Ehe führt (vgl. KG, FamRZ 2006, 1863/1864 (IPRspr 2006-239); Palandt-Thorn aaO; Staudinger-Winkler v. Mohrenfels aaO). Es kann deshalb auch dahinstehen, ob die zwischenzeitlich im Pass der Beteiligten zu 1) vorgenommene Eintragung der Eheschließung gefälscht ist, wie die Beschwf. im Schriftsatz vom 17.12.2009 vorgetragen haben.

[14]Die Vorinstanzen sind somit zu Recht von einer wirksamen Eheschließung zwischen dem Erblasser und der Beteiligten zu 1) ausgegangen. Diese ist deshalb Miterbin zu 1/2 neben den Beteiligten zu 2) bis 7); der angekündigte Erbschein entspricht der Erbrechtslage.

[15]3. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 13a I 2 FGG. Für die Festsetzung des Geschäftswerts ist maßgeblich das wirtschaftliche Interesse der Beschwf. (§ 30 I KostO). Dieses entspricht der Hälfte des reinen Nachlasswerts, nachdem sie unter Ausschluss der Beteiligten zu 1) Erben sein wollen. Allerdings erscheint es gerechtfertigt, wie von den Parteien befürwortet, nur den in Deutschland befindlichen Nachlass zugrunde zu legen. Zwar bezieht sich der beantragte und zu erteilende Erbschein auf den gesamten Nachlass, auch soweit er sich im Iran befindet (ein auf das im Inland befindliche Vermögen beschränkter Erbschein ist nicht beantragt und hätte nach dem zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden § 2369 a.F. BGB auch nicht erteilt werden können; anders jetzt nach § 2369 n.F. BGB). Sowohl das deutsche als auch das iranische Recht knüpfen das Erbstatut als Gesamtstatut an, wobei das deutsche Recht an die deutsche und das iranische Recht an die iranische Staatsangehörigkeit des Erblassers anknüpft; das führt nicht zu einer Nachlassspaltung, sondern zur Nachlasskollision: Jeder Staat beansprucht, die Erbfolge umfassend für den gesamten Nachlass aus seinem eigenen Recht herzuleiten, mit der Folge, dass die in einem Staat geltende Erbrechtslage im jeweils anderen Staat faktisch nicht durchsetzbar ist (sog. ‚faktische Nachlassspaltung’). Es kann ausgeschlossen werden, dass die iranischen Behörden und Gerichte den deutschen Erbschein für das im Iran befindliche Nachlassvermögen anerkennen. Bei dieser Sachlage kann jedenfalls für den Geschäftswert im Beschwerdeverfahren auf den in Deutschland befindlichen Nachlass abgestellt werden. Der Wert der in Deutschland befindlichen Nachlassgegenstände beträgt rund 270 000 Euro. Das Interesse der Beschwf. am Erfolg ihres Rechtsmittels schätzt der Senat deshalb auf 135 000 Euro. Das gilt auch für das Beschwerdeverfahren vor dem LG, dessen Festsetzung entspr. abzuändern ist.

Fundstellen

LS und Gründe

FamRZ, 2010, 1280
Rpfleger, 2010, 428
StAZ, 2010, 208
ZEV, 2010, 255

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https://iprspr.mpipriv.de/2010-86

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