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Verfahrensgang

BGH, Urt. vom 26.03.2009 – I ZR 120/07, IPRspr 2009-37

Rechtsgebiete

Handels- und Transportrecht → Land- und Lufttransport (bis 2019)

Leitsatz

Das Zustandekommen und die Wirksamkeit eines Beförderungsvertrags oder einer seiner Bestimmungen beurteilen sich nach dem Recht, das anzuwenden wäre, wenn der Vertrag oder die Bestimmung wirksam wäre (hier: niederländischem Recht).

Eine Klausel in Beförderungsbedingungen, die regelt, welche Art von Gütern der Spediteur/Frachtführer nicht befördern will, ist nicht wegen Verstoßes gegen Art. 41 I 1 CMR nichtig. [LS der Redaktion]

Rechtsnormen

CMR Art. 1; CMR Art. 29; CMR Art. 41
EGBGB Art. 28; EGBGB Art. 31

Sachverhalt

Die Kl. ist Transportversicherer der P. in E./Niederlande (im Weiteren: Versenderin). Sie nimmt die ebenfalls in den Niederlanden ansässige Bekl., die Transportdienstleistungen erbringt, aus abgetretenem Recht der Versenderin wegen des Verlusts von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch. Nach der Darstellung der Bekl. lagen dem Transportauftrag ihre ABB zugrunde. Diese sehen in Nr. 3 (a) vor, dass die Bekl. keine Pakete befördert, die nach Maßgabe der Regelungen in den Abschnitten (i) bis (iv) vom Transport ausgeschlossen sind. In Nr. 3 (a) (ii) ist bestimmt, dass der Wert eines Pakets den Gegenwert von 50 000 US-Dollar in der jeweiligen Landeswährung nicht übersteigen darf. Gemäß Nr. 3 (e) der ABB haftet die Bekl. nicht für Verluste von Paketen, die unter einen Beförderungsausschluss fallen. Nach Nr. 9.2 der ABB ist die Haftung der Bekl. im Falle der Anwendung niederländischen Rechts auf 3,40 €  pro Kilogramm beschränkt.

Das LG hat die Bekl. zum Ersatz einer Entschädigung verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Bekl. ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt die Bekl. die vollständige Abweisung der Klage. Die Kl. beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Die gegen diese Beurteilung [des Berufungsgerichts] gerichteten Angriffe der Revision führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen den nicht näher begründeten Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, zwischen der Versenderin und der Bekl. sei ein wirksamer Vertrag über die Beförderung des streitgegenständlichen Pakets zustande gekommen.

[2]1. Zutreffend ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts, dass auf den von der Versenderin in Auftrag gegebenen Transport von E./Niederlinade nach R./Deutschland die Bestimmungen der CMR anwendbar wären, wenn es zu einem wirksamen Vertragsschluss gekommen wäre. Denn die Vorschriften der CMR gelten nach Art. 1 I des Übereinkommens für jeden Vertrag über die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen, wenn der Ort der Übernahme des Guts und der für die Ablieferung vorgesehene Ort in zwei verschiedenen Staaten liegen, von denen mindestens einer ein Vertragsstaat ist. Im Streitfall sollte das Gut per Lkw von E. nach R. befördert werden. Sowohl die Niederlande als auch die Bundesrepublik Deutschland gehören zu den Vertragsstaaten der CMR. Die Anwendungsvoraussetzungen des Art. 1 I CMR sind damit erfüllt.

[3]Mit Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass auf einen zwischen der Versenderin und der Bekl. zustande gekommenen Vertrag gemäß Art. 28 IV 1 EGBGB ergänzend neben der CMR – soweit diese keine Regelungen vorsieht – niederländisches Sachrecht zur Anwendung kommt. Nach dieser Vorschrift wird bei einem Güterbeförderungsvertrag vermutet, dass er mit demjenigen Staat die engsten Verbindungen aufweist, in dem der Beförderer im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses seine Hauptniederlassung hat, sofern sich in diesem Staat auch der Verladeort oder der Entladeort oder die Hauptniederlassung des Absenders befindet und sich aus der Gesamtheit der Umstände nicht ergibt, dass der Vertrag engere Verbindungen mit einem anderen Staat aufweist (Art. 28 V EGBGB). Im vorliegenden Fall haben sowohl die Versenderin als auch die Bekl. ihre Hauptniederlassung in den Niederlanden. Zudem wurde das in Verlust geratene Paket nach dem Vortrag der Kl. in E. für die Beförderung nach R. verladen. Die Voraussetzungen für die Anwendung niederländischen Rechts gemäß Art. 28 IV 1 EGBGB sind danach erfüllt. Es spricht auch nichts dafür, dass ein zwischen der Versenderin und der Bekl. zustande gekommener Beförderungsvertrag zu einem anderen Staat engere Verbindungen aufweist.

[4]2. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die ABB der Bekl. Grundlage des Transportauftrags waren, den die Versenderin der Bekl. erteilt hat. Für das Revisionsverfahren ist daher von dem Vortrag der Bekl. auszugehen, wonach ihre ABB mit Stand 2003 der Versenderin bei Erteilung des streitgegenständlichen Beförderungsauftrags vorgelegen haben.

[5]a) ... b) Die Revision rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung auch die Regelungen in Nr. 3 (a) und 3 (a) (ii) hätte berücksichtigen müssen, in denen bestimmt ist, dass die Bekl. keine Pakete befördert, deren Inhalt den Gegenwert von 50 000 US-Dollar in der jeweiligen Landeswährung übersteigt. Dies war nach dem Vortrag der Kl. bei dem hier in Rede stehenden Paket jedoch gerade der Fall, da es elektronische Mikrobauteile im Gesamtwert von 102 600 Euro enthalten haben soll. Die Voraussetzungen für die Anwendung der Beförderungsausschlussklausel in den ABB der Bekl. liegen somit vor.

[6]c) ... aa) Die in Nr. 3 (a) i.V.m. (ii) der ABB enthaltene Transportausschlussklausel ist nicht gemäß Art. 41 I 1 CMR unwirksam, da sie weder unmittelbar noch mittelbar von Bestimmungen der CMR – insb. nicht von dem in Art. 29 I CMR geregelten Wegfall von Haftungsbeschränkungen – abweicht ...

[7]bb) Das Zustandekommen und die Wirksamkeit des Vertrags oder einer seiner Bestimmungen beurteilen sich gemäß Art. 31 I EGBGB nach dem Recht, das anzuwenden wäre, wenn der Vertrag oder die Bestimmung wirksam wäre. Da auf einen wirksamen Beförderungsvertrag zwischen der Versenderin und der Bekl. neben der CMR ergänzend niederländisches materielles Recht anzuwenden wäre, beurteilt sich die Frage, ob es überhaupt zu einem Vertragsabschluss gekommen ist, auch nach diesem Recht. Hierzu hat das Berufungsgericht bislang keine Feststellungen getroffen (vgl. z. d. Frage b. Anwendung dt. Rechts BGHZ 167, 64 Tz. 15 ff.; BGH, Urt. vom 3.5.2007 – I ZR 109/04 (IPRspr 2007-41), TranspR 2007, 405 Tz. 20 ff.).

Fundstellen

LS und Gründe

MDR, 2009, 1231
RIW, 2009, 875
Europ. TranspR, 2010, 110
NJW-RR, 2010, 247
TranspR, 2010, 76
VRS, 2010, (117), 284

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2009-37

Lizenz

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