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Verfahrensgang

BGH, Urt. vom 05.10.2006 – I ZR 7/04, IPRspr 2006-97

Rechtsgebiete

Immaterialgüterrecht und Unlauterer Wettbewerb (bis 2019)
Außervertragliche Schuldverhältnisse → Unerlaubte Handlungen, Gefährdungshaftung
Anerkennung und Vollstreckung → Anwalts- und Kostenrecht

Leitsatz

Die Zulässigkeit einer aus dem Ausland erbrachten Rechtsdienstleistung, welche die Regelung des Rechtsverhältnisses von im Inland ansässigen Parteien betrifft (hier: Schuldenbereinigung nach §§ 305 ff. InsO), ist nach dem Rechtsberatungsgesetz zu beurteilen.

Rechtsnormen

E-Commerce 2000/31/EG Art. 3; E-Commerce 2000/31/EG Art. 4
EGBGB Art. 40; EGBGB Art. 42
EGV-Amsterdam Art. 49
EuRAG §§ 25 ff.
GG Art. 12
InsO § 305; InsO §§ 305 ff.
RBerG Art. 1
TDG § 4
UWG § 1; UWG § 3; UWG § 4; UWG § 8

Sachverhalt

[Das Berufungsurteil des OLG Köln vom 19.12.2003 – 6 U 65/03 – wurde bereits in IPRspr. 2003 Nr. 110 abgedruckt.]


Der Kl., ein Rechtsanwalt aus Köln, nimmt den Bekl. wegen Verstoßes gegen das RBerG auf Unterlassung in Anspruch.

Der Bekl., ein deutscher Staatsangehöriger, ist Vorsitzender der niederländischen „Schulden Hulp Stichting“, die Schuldnerberatung betreibt. Er hat seinen Wohnsitz in V./Niederlanden, einem grenznahen Nachbarort von Aachen. Der Bekl. wird für die Stiftung ausschließlich von den Niederlanden aus tätig.

Der Kl. stützt den Vorwurf unzulässiger Rechtsberatung zum einen auf Schriftverkehr, den der Bekl. für die Stiftung im Auftrag eines in Deutschland wohnenden Schuldners mit einer in Deutschland ansässigen Steuerberaterin geführt hat. Zum anderen beruft sich der Kl. auf den in deutscher Sprache gehaltenen Internetauftritt der Stiftung.

Der Kl. hat beantragt, den Bekl. zu verurteilen, es zu unterlassen, in der Bundesrepublik Deutschland in fremden Rechtsangelegenheiten rechtsbesorgend und/oder rechtsberatend so tätig zu werden, wie dies in den Schreiben des Bekl. an die Steuerberaterin des Schuldners ersichtlich ist, und/oder für rechtsbesorgende und rechtsberatende Tätigkeit so zu werben, wie dies aus den Internetausdrucken zu den Adressen http://www.schuldnerberatung-.com/s.h und/oder http://www.schuldnerberatung-.com/i.h ersichtlich ist.

Das LG hat den Bekl. antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt. Seine Berufung ist ohne Erfolg geblieben (siehe IPRspr. aaO). Mit seiner – vom Berufungsgericht zugelassenen – Revision, deren Zurückweisung der Kl. beantragt, verfolgt der Bekl. seinen Antrag auf Klageabweisung weiter.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]I. Das Berufungsgericht hat die Klage für begründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:

[2]Der Entscheidung sei gemäß Art. 40, 42 EGBGB deutsches materielles Recht zugrunde zu legen. Danach bestehe ein Unterlassungsanspruch des Kl. aus § 1 UWG (a.F.) i.V.m. Art. 1 § 1 RBerG. Das RBerG erfasse die vorliegende Fallkonstellation. Der Sachverhalt sei dadurch gekennzeichnet, dass sowohl der Auftraggeber der Stiftung als auch dessen Gegner ihren Sitz in Deutschland hätten. Einziger Auslandsbezug sei die Tatsache, dass der Bekl., der zudem deutscher Staatsangehöriger sei, von den Niederlanden aus tätig werde. Der Zweck des RBerG, eine ausreichende Qualifikation derjenigen sicherzustellen, die Dritten ihre rechtsberatenden Dienste anböten, gebiete seine Anwendung auf Sachverhalte, die ausschließlich im deutschen Rechtsraum Wirkung entfalteten. Dafür spreche auch die Parallele zum deutschen IPR, das ebenfalls an den Marktort anknüpfe. Hingegen komme dem Ort der Niederlassung des Rechtsbesorgers kein besonderes Gewicht zu. Ein Verstoß gegen Art. 49 EG liege nicht vor, weil das Verbot zwingenden Gründen des Allgemeinwohls diene und verhältnismäßig sei.

[3]II. Die Revision des Bekl. hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass der Kl. von dem Bekl. Unterlassung rechtsbesorgender und -beratender Tätigkeit und der Werbung dafür entsprechend den im Antrag genannten Schreiben und Internetausdrucken verlangen kann.

[4]1. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass auf die beanstandeten Verhaltensweisen des Bekl. deutsches Wettbewerbsrecht anzuwenden ist. Nach dem Marktortprinzip setzt die Anwendung deutschen Wettbewerbsrechts voraus, dass die wettbewerbsrechtlichen Interessen der Mitbewerber im Inland aufeinander treffen (vgl. BGH, Urt. vom 4.6.1987 – I ZR 109/85, GRUR 1988, 453, 454 (IPRspr. 1987 Nr. 112) = WRP 1988, 25 [Ein Champagner unter den Mineralwässern]; BGHZ 113, 11, 14 f. (IPRspr. 1990 Nr. 157) [Kauf im Ausland]; BGH, Urt. vom 14.5.1998 – I ZR 10/96, GRUR 1998, 945, 946 (IPRspr. 1998 Nr. 122) = WRP 1998, 854 [Co-Verlagsvereinbarung]). Hieran ist auch unter der Geltung des Art. 40 EGBGB n. F. festzuhalten (BGH, Urt. vom 13.5.2004 – I ZR 264/00, GRUR 2004, 1035, 1036 (IPRspr 2004-86) = WRP 2004, 1484 [Rotpreis-Revolution]).

[5]Soweit der Kl. die Unterlassung rechtsbesorgender Tätigkeit begehrt, wie sie aus Schreiben des Bekl. zum Zwecke der Schuldenregulierung ersichtlich ist, waren die betreffenden Schreiben im Auftrag eines im Inland lebenden Schuldners an einen inländischen Gl. gerichtet. Sie entfalteten daher Wirkungen auf dem deutschen Markt für rechtsbesorgende und rechtsberatende Tätigkeit, auf dem der Kl. gleichartige Leistungen anbietet und erbringt.

[6]Die beanstandete Werbung des Bekl. im Internet ist gleichfalls nach deutschem Wettbewerbsrecht zu beurteilen, weil sie nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zielgerichtet für den deutschen Markt bestimmt war und sich dort ausgewirkt hat (vgl. BGH, Urt. vom 30.3.2006 – I ZR 24/03, GRUR 2006, 513, 515 (IPRspr 2006-112) = WRP 2006, 736 [Arzneimittelwerbung im Internet]). Soweit der Bekl. dabei auch Teledienste im Sinne des TDG und der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt vom 8.6.2000 (ABl. EG Nr. L 178/1; im Folgenden: E-Commerce-Richtlinie) anbietet und erbringt, unterliegen diese gemäß Art. 3 IV lit. a, 4 II E-Commerce-Richtlinie, § 4 V 1 Nrn. 1 und 4 TDG den innerstaatlichen Zulassungsbeschränkungen.

[7]2. Mit Recht hat das OLG angenommen, dass dem Kl. gegen den Bekl. wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 1 RBerG aus § 8 I 1, III Nr. 1 i.V.m. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG bzw. § 1 UWG a.F. hinsichtlich der durch die im Klageantrag in Bezug genommenen Schreiben und Internetausdrucke umschriebenen Tätigkeiten ein Unterlassungsanspruch zusteht. Die Verstöße fallen nicht deshalb aus dem Anwendungsbereich des RBerG heraus, weil ein Teil der Tätigkeiten aus den Niederlanden in Gang gesetzt wird.

[8]a) Die Bestimmung des Art. 1 § 1 RBerG zählt zu den Vorschriften, die dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer, insbesondere der Verbraucher, das Marktverhalten zu regeln (BGH, Urt. vom 11.11.2004 – I ZR 182/02, GRUR 2005, 355, 356 = WRP 2005, 330 [Testamentsvollstreckung durch Steuerberater]).

[9]b) Die Tätigkeit des Bekl. stellt eine erlaubnispflichtige geschäftsmäßige Rechtsbesorgung im Sinne von Art. 1 § 1 RBerG dar. Eine solche liegt vor, wenn eine geschäftsmäßige Tätigkeit darauf gerichtet und geeignet ist, konkrete fremde Rechtsangelegenheiten zu verwirklichen oder konkrete fremde Rechtsverhältnisse zu gestalten. Dabei ist zur Abgrenzung erlaubnisfreier Geschäftsbesorgung von erlaubnispflichtiger Rechtsbesorgung auf den Kern und den Schwerpunkt der Tätigkeit abzustellen, weil eine Besorgung wirtschaftlicher Belange vielfach auch mit rechtlichen Vorgängen verknüpft ist. Es ist daher zu fragen, ob die Tätigkeit überwiegend auf wirtschaftlichem Gebiet liegt und die Wahrnehmung wirtschaftlicher Belange bezweckt oder ob die rechtliche Seite der Angelegenheit im Vordergrund steht und es wesentlich um die Klärung rechtlicher Verhältnisse geht (BVerfG, WRP 2002, 1423, 1425; BGH, GRUR 2005, 355, 356 aaO m.w.N.). Der Bekl. befasst sich bei seiner Tätigkeit für die von ihm geführte Stiftung mit der Regulierung fremder Schulden. Nach dem Inhalt der vom Kl. beanstandeten Schreiben und Internetausdrucke steht dabei nicht die wirtschaftliche Seite der Überschuldung im Vordergrund, die durch das RBerG nicht berührt wäre (vgl. BVerwG, NJW 2005, 1293, 1296 f.; OLG Oldenburg, GRUR 2006, 605 f.). Vielmehr betrifft die in dem Unterlassungsantrag des Kl. durch Bezugnahme auf die vorgelegten Schreiben und Internetauftritte des Bekl. beschriebene Tätigkeit die inhaltliche Prüfung der gegen den Schuldner gerichteten Forderungen, die Vorbereitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens nach den §§ 305 ff. InsO sowie die Geltendmachung eigener Forderungen des Schuldners gegen seine Gläubiger. Darin liegt eine Rechtsbesorgung im Sinne von Art. 1 § 1 RBerG.

[10]c) Der Bekl. verfügt über keine Erlaubnis nach dem RBerG. Er hat auch nicht geltend gemacht, dass er von einer Landesbehörde als geeignete Person oder Stelle im Sinne von § 305 I Nr. 1 InsO anerannt worden ist oder dass er die Voraussetzungen einer geeigneten Person oder Stelle nach einem landesrechtlichen Ausführungsgesetz zu § 305 I Nr. 1 letzter Halbs. InsO erfüllt.

[11]d) Das beanstandete Verhalten des Bekl., das er von den Niederlanden aus vornimmt, unterfällt, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, dem Anwendungsbereich des RBerG.

[12]aa) Die Frage, ob das RBerG bei Fallgestaltungen mit Auslandsberührung anwendbar ist, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 2000, 509 f. (IPRspr. 1999 Nr. 101); OLG Oldenburg, MDR 2001, 1309 (IPRspr. 2001 Nr. 117); OLG Stuttgart, AnwBl 2002, 368 (IPRspr. 2000 Nr. 135); Chemnitz-Johnigk, Rechtsberatungsgesetz, 11. Aufl., Rz. 261; Armbrüster, RIW 2000, 583 ff.; Budzikiewicz, IPRax 2001, 218 ff. einerseits; OLG Stuttgart, MDR 1997, 285 f.; LG Dortmund, AnwBl 1999, 617 f. (IPRspr. 1998 Nr. 125); Henssler-Prütting-Weth, Bundesrechtsanwaltsordnung, 2. Aufl., Einl. RBerG Rz. 65 ff., 77; Rennen-Caliebe, Rechtsberatungsgesetz, 3. Aufl., Art. 1 § 1 Rz. 5, 11 andererseits). Übereinstimmung besteht allerdings darin, dass das RBerG grundsätzlich nur die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten in seinem Geltungsbereich, also im Inland, einschränkt. Findet die Rechtsbesorgung ausschließlich im Ausland statt, ist das RBerG selbst dann nicht anwendbar, wenn die Beratung mittelbar auch zu Auswirkungen im Inland führt, etwa wenn sich ein Inländer im Ausland durch einen ausländischen Rechtsbesorger über einen Inlandssachverhalt beraten lässt und dann im Inland entsprechend dem erteilten Rat tätig wird (vgl. OLG Hamm aaO; OLG Oldenburg aaO; Budzikiewicz aaO 224; Rennen-Caliebe aaO Art. 1 § 1 Rz. 5; Kleine-Cosack, RBerG, 2004, Allgemeiner Teil II B Rz. 95; Chemnitz-Johnigk aaO Rz. 261; Henssler-Prütting-Weth aaO Einl. RBerG Rz. 68).

[13]Keine Einigkeit besteht jedoch in der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Rechtsbesorgung im Inland anzunehmen ist. Teils wird dabei daran angeknüpft, ob die Tätigkeit im Inland (nicht nur mittelbare) Wirkungen entfaltet (so OLG Hamm aaO; OLG Oldenburg aaO; Chemnitz-Johnigk aaO Rz. 261), teils daran, ob der Rechtsbesorger seine Niederlassung im Inland hat (so OLG Stuttgart aaO; LG Dortmund aaO; Henssler-Prütting-Weth aaO Einl. RBerG Rz. 75). Andere Stimmen im Schrifttum wollen darauf abstellen, ob die Tätigkeit im Inland nicht lediglich vorübergehend ist (vgl. Kleine-Cosack aaO Rz. 93; Mankowski, AnwBl 2001, 73, 75 ff.) oder ob der Auftraggeber seinen Sitz im Inland hat (Armbrüster aaO 588).

[14]bb) Das RBerG gibt von seinem Wortlaut her keinen Anhaltspunkt dafür, ob es auch vom Ausland aus erfolgende Rechtsbesorgungen erfasst. Es knüpft allein an die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten an. Maßgeblich ist daher darauf abzustellen, ob die mit dem RBerG verfolgten Schutzzwecke seine Anwendung auf die vorliegende Fallkonstellation rechtfertigen.

[15](1) Das RBerG dient dem Schutz der Rechtsuchenden und dem Interesse der Allgemeinheit an der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege. Der Zulassungsvorbehalt des RBerG wird von den Belangen des Gemeinwohls getragen, den Einzelnen und die Allgemeinheit vor ungeeigneten Rechtsberatern zu schützen und die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege nicht zu gefährden; dabei ist auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der rechtsberatenden Berufe Rücksicht zu nehmen (BVerfG, NJW 2004, 2662; BGH, Urt. vom 6.12.2001 – I ZR 14/99, GRUR 2002, 987, 992 = WRP 2002, 956 [Wir Schuldenmacher]).

[16](2) Der Streitfall betrifft eine außergerichtliche Rechtsbesorgung im Auftrag eines inländischen Auftraggebers gegenüber dessen im Inland ansässigen Gegner u.a. etwa zur Vorbereitung eines gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens nach den §§ 305 ff. InsO. Die vom Bekl. nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen im Ausland verfassten und von dort aus verschickten Schreiben waren an den inländischen Gl. des Auftraggebers des Bekl. gerichtet. Diese Tätigkeit, für die der Bekl. entsprechend den vorgelegten Internetausdrucken im Inland geworben hat, stellt, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, eine inländische Rechtsbesorgung dar, die unter Berücksichtigung der Schutzzwecke des RBerG nur bei Vorliegen der in diesem Gesetz genannten Zulassungsvoraussetzungen vorgenommen werden darf. Der Auftraggeber des Bekl. und sein Gl., dem gegenüber die Rechtsbesorgung vorgenommen worden ist, sind im Inland ansässig, so dass der Schutzzweck des RBerG, inländische Rechtsuchende vor ungeeigneten Rechtsberatern zu bewahren, unmittelbar betroffen ist. Die Rechtsbesorgung dient der Durchführung eines Schuldenbereinigungsverfahrens nach den §§ 305 ff. InsO. Soweit das gerichtliche Verfahren voraussetzt, dass eine außergerichtliche Schuldenbereinigung erfolglos versucht worden ist, und dabei die Mitwirkung geeigneter Personen und Stellen vorgesehen ist (§ 305 I Nr. 1 InsO), soll damit einer übermäßigen Belastung der Gerichte mit Verbraucherinsolvenzverfahren entgegengewirkt werden (vgl. BT-Drucks. 12/7302 S. 190; MünchKommInsO-Ott, 2003, § 305 Rz. 1, 26). Auch der Schutzzweck der Erhaltung einer funktionsfähigen Rechtspflege gebietet es demnach, die Zulässigkeit der Rechtsbesorgung im vorliegenden Fall von dem Vorliegen der gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen abhängig zu machen.

[17](3) Der Umstand, dass der Bekl. seinen Wohnsitz in den Niederlanden hat und die im Inland wirkende Rechtsbesorgung von dort aus in Gang setzt, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Im Schrifttum wird zu Recht angeführt, dass der Sitz der Niederlassung des Rechtsbesorgers wegen der Umgehungsgefahr kein geeigneter Anknüpfungspunkt für die Frage der Anwendbarkeit des RBerG ist (vgl. Mankowski aaO 75; Budzikiewicz aaO 222). Nicht qualifizierte Rechtsbesorger könnten sich ansonsten den Anforderungen des RBerG durch die bloße Verlegung ihrer Niederlassung in das Ausland entziehen, um von dort aus rechtsberatende Tätigkeiten in Deutschland vorzunehmen, und zwar nicht nur in grenznahen Gebieten, sondern unter Nutzung der modernen Kommunikationsmittel (z.B. telefonische oder Online-Rechtsberatung) im gesamten Geltungsbereich des Gesetzes.

[18](4) Auf die Frage, ob der inländische Rechtsuchende, der sich zu einer Rechtsberatung ins Ausland begibt, erkennen kann, dass der ausländische Rechtsbesorger, solange er nur im Ausland tätig wird, nicht den inländischen Zulassungsvoraussetzungen unterworfen ist und seine Rechtsberatung daher möglicherweise nicht den Anforderungen genügt, die von einem inländischen Rechtsberater erwartet werden können, kommt es nicht an. Das RBerG enthält, soweit es Rechtsuchende vor ungeeigneten Rechtsberatern bewahren will, typisierende Regelungen. Es setzt auch bei der Rechtsbesorgung durch inländische Rechtsberater nicht voraus, dass der Rechtsuchende im Einzelfall die Ungeeignetheit des Rechtsberaters nicht erkennen konnte.

[19]e) Die vorstehend vorgenommene Beurteilung verstößt nicht gegen Art. 12 GG. Die Zulassungsbeschränkungen des RBerG sind mit Art. 12 GG vereinbar (vgl. BVerfGE 41, 378, 390; 75, 246, 267; 97, 12, 26 f.; BVerfG, NJW 2000, 1251; NJW 2002, 3531). Der Gesichtspunkt, dass der Bekl. einen Teil seiner Tätigkeit vom Ausland her vornimmt, gewährt keinen weiterreichenden Schutz.

[20]f) Ein Verstoß gegen Art. 49 EG liegt nicht vor. Der freie Dienstleistungsverkehr darf durch Regelungen beschränkt werden, die durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind und für alle im Geltungsbereich der betreffenden Regelung tätigen Personen und Unternehmen gelten, wenn dem Allgemeininteresse nicht bereits durch die Rechtsvorschriften Rechnung getragen ist, denen der Leistungserbringer in dem Staat unterliegt, in dem er ansässig ist (EuGH, Urt. vom 25.7.1991 – C-76/90, Slg. 1991, I-4221 Tz. 14 = GRUR Int. 1991, 807 [Säger/Dennemeyer]; Urt. vom 12.12.1996 – C-3/95, Slg. 1996, I-6511 Tz. 28 = WM 1997, 164 [Reisebüro Broede/Sandker]). Das durch das RBerG geschützte Allgemeininteresse daran, dass Rechtsuchende vor Schäden bewahrt werden, die ihnen dadurch entstehen könnten, dass sie Rechtsrat von Personen erhalten, die nicht die erforderliche berufliche oder persönliche Qualifikation besitzen, rechtfertigt eine Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit (EuGH, GRUR Int. 1991, 807 Tz. 16/17 [Säger/Dennemeyer]). Das RBerG wird zudem in nicht diskriminierender Weise angewendet, weil In- und Ausländer gleichermaßen davon betroffen sind. Es sind im vorliegenden Fall auch keine weniger einschneidenden Mittel ersichtlich, um die Ziele des RBerG zu verwirklichen. Da in den Niederlanden keine Vorschriften bestehen, welche die außergerichtliche Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten beschränken (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 1.9.2006, BR-Drucks. 623/06 S. 54 f.), ist dort dem Allgemeininteresse, welches das RBerG schützt, nicht in gleicher Weise Rechnung getragen. Aus der Regelung über die vorübergehende Tätigkeit eines europäischen Rechtsanwalts gemäß §§ 25 ff. EuRAG, die auf der Umsetzung der Richtlinie 77/249/EWG des Rates zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte vom 22.3.1977 (ABl. Nr. L 78/17) beruht, kann – abgesehen davon, dass der Bekl. nicht nur vorübergehend in Deutschland tätig ist – etwas anderes nicht hergeleitet werden, weil im Gegensatz zu nichtanwaltlichen Beratern der Zugang zum Rechtsanwaltsberuf in anderen Ländern regelmäßig in einer Weise geregelt ist, die eine ausreichende Überwachung der Qualität der Rechtsbesorgung gewährleistet.

Fundstellen

LS und Gründe

BB, 2007, 123
GRUR, 2007, 245
MDR, 2007, 536
NJW, 2007, 596
RIW, 2007, 134
WM, 2007, 231
WRP, 2007, 174
ZIP, 2007, 282
LMK, 2008, 14, mit Anm. Dörner

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