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Verfahrensgang

BGH, Urt. vom 13.05.2004 – I ZR 264/00, IPRspr 2004-86

Rechtsgebiete

Immaterialgüterrecht und Unlauterer Wettbewerb (bis 2019)
Außervertragliche Schuldverhältnisse → Unerlaubte Handlungen, Gefährdungshaftung

Leitsatz

Zur Anwendbarkeit deutschen Wettbewerbsrechts auf die in einer inländischen Tageszeitung veröffentlichte Ankündigung einer im Ausland (hier: Luxemburg) stattfindenden Sonderveranstaltung.

Rechtsnormen

EGBGB Art. 40
EGV-Amsterdam Art. 28
UWG § 1; UWG § 7

Sachverhalt

Der Kl., ein deutscher Einzelhandelsverband nimmt die Bekl., die ein Sportgeschäft in L. im Großherzogtum Luxemburg betreibt, wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens u.a. auf Unterlassung in Anspruch.

Die Bekl. warb aus Anlass des einjährigen Bestehens ihres Sportgeschäfts am 23.10.1998 mit einer ganzseitigen Anzeige in der Tageszeitung „Trierischer Volksfreund“. Dort kündigte sie für die Zeit vom 23.–31.10.1998 eine „Rotpreis-Revolution“ als „eine Dankeschön/Geburtstags-Aktion für unsere Kunden“ an, und sie wies mit Schlagzeilen wie „!!100 000 Artikel müssen raus!!“, „Zeltverkauf“, „-70%“, „-60%“, „-50%“, „-40%“ auf Preisreduzierungen hin. Für jeden „50. Kassenkunden“ wurde ein Einkaufsgutschein in Höhe von 1 000 Lux. fr (etwa 25 Euro) versprochen; an zwei Tagen sollte die Möglichkeit bestehen, eine Schottlandreise für zwei Personen zu gewinnen.

Der Kl. hat diese Werbung unter dem Gesichtspunkt eines übertriebenen Anlockens, einer unzulässigen Sonderveranstaltung und eines Verstoßes gegen die Zugabeverordnung als wettbewerbswidrig beanstandet. Nach Ansicht der Bekl. sei ihr Verhalten nach luxemburgischem Recht nicht zu beanstanden. Im Hinblick darauf verstieße ein Verbot gegen Art. 28 EG.

Das LG hat der Klage stattgegeben. Das OLG hat die Berufung der Bekl. zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die – vom Berufungsgericht zugelassene – Revision der Bekl., mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt – mit Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]I. Das Berufungsgericht hat in dem Verhalten der Bekl. einen Verstoß gegen das deutsche Wettbewerbsrecht, das im Streitfall anwendbar sei, gesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

[2]Da von der Werbung der Bekl. in einer Trierer Tageszeitung die Interessen der inländischen Verbraucher und Mitbewerber betroffen seien, liege der Marktort der Werbemaßnahme im Inland, auch wenn der Absatz, für den geworben werde, im Ausland stattfinden solle. Daher sei die beanstandete Werbung nach deutschem Wettbewerbsrecht zu beurteilen ...

[3]Die beanstandete Werbung enthalte ... die Ankündigung einer unzulässigen Sonderveranstaltung nach § 7 I UWG. Durch eine ganze Reihe blickfangmäßig herausgestellter Schlagzeilen werde der Eindruck erweckt, die Bekl. veranstalte aus Anlass ihres einjährigen Bestehens einen einmaligen Verkauf, bei dem für eine beschränkte Zeit sämtliche Artikel des Sortiments im Preis ermäßigt seien.Es könne offen bleiben, ob die beworbene Sonderveranstaltung nach luxemburgischem Recht zulässig sei. Fielen Werbe- und Absatzmarkt auseinander, sei das Recht des Werbemarkts maßgeblich. Die Ankündigung einer nach § 7 I UWG unzulässigen Sonderveranstaltung sei nicht nur ein unselbständiger Hilfsakt der Durchführung, sondern selbständige Tatbestandsvariante. Dies folge aus dem Zweck des § 7 I UWG, der nicht nur dem Schutz der Mitbewerber dienen, sondern auch Verbraucher und Allgemeinheit vor übermäßiger unsachlicher Beeinflussung schützen solle. Dieses Schutzinteresse werde nicht nur von der Durchführung, sondern auch von der Ankündigung einer Sonderveranstaltung berührt. Die Anwendung des § 7 I UWG verstoße auch nicht gegen Art. 28 EG. Denn bei dem Verbot der Ankündigung einer Sonderveranstaltung handele es sich um eine von Art. 28 EG nicht erfasste Verkaufsmodalität ... II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht stand. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Klageabweisung.

[4]1. ... Ankündigung einer Sonderveranstaltung:

[5]a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht dem Kl. kein Anspruch auf Unterlassung der beanstandeten Ankündigung einer Sonderveranstaltung aus § 7 I UWG zu. Das Verbot des § 7 I UWG bezieht sich lediglich auf Verkaufsveranstaltungen, die im Geltungsbereich des Gesetzes durchgeführt werden.

[6]aa) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass für die Frage des auf eine Wettbewerbshandlung anzuwendenden Rechts der Begehungsort maßgeblich ist und dass als Begehungsort nur der Ort angesehen werden kann, an dem die wettbewerblichen Interessen der Mitbewerber aufeinander treffen. Dort soll das Wettbewerbsrecht unlauteres Konkurrenzverhalten verhindern; auf diesen Ort beziehen sich auch das durch das Wettbewerbsrecht ebenfalls geschützte – und deshalb bei der Rechtsanknüpfung zu beachtende – Interesse der möglichen Kunden, als Marktteilnehmer vor unlauterem Verhalten bei der Werbung und dem Abschluss von Verträgen geschützt zu werden, sowie das daraus resultierende Interesse der Allgemeinheit an einem lauteren Wettbewerb (BGHZ 113, 11, 14 f. (IPRspr. 1990 Nr. 157); BGH, Urt. vom 26.11.1997 – I ZR 148/95, GRUR 1998, 419, 420 = WRP 1998, 386 (IPRspr. 1997 Nr. 128), jeweils m.w.N.). Hieran ist auch unter der Geltung des Art. 40 EGBGB n.F. festzuhalten (vgl. Palandt-Heldrich, BGB, 63. Aufl., Art. 40 EGBGB Rz. 11; Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., Einl. Rz. 188; Köhler-Piper, UWG, 3. Aufl., Einf. Rz. 92; Sack, WRP 2000, 269, 272).

[7]bb) Im rechtlichen Ansatz zutreffend hat das Berufungsgericht ferner angenommen, dass in Fällen, in denen ein Kaufmann seine Waren oder Leistungen grenzüberschreitend anbietet, der Marktort derjenige ist, an dem die Werbemaßnahme auf den Kunden einwirken soll, selbst wenn der spätere Absatz auf einem anderen Markt stattfinden soll (BGHZ aaO 15; Baumbach-Hefermehl Rz. 187). Diese Regel gilt jedoch uneingeschränkt nur in den Fällen, in denen die wettbewerbsrechtliche Beurteilung der Werbemaßnahme – wie beispielsweise in Fällen der irreführenden Werbung – nicht davon abhängig ist, ob das beworbene Absatzgeschäft wettbewerbsrechtlich zu beanstanden ist. Anders verhält es sich, wenn sich der Vorwurf der Unlauterkeit der Ankündigung ausschließlich darauf gründen kann, dass das beworbene, im Ausland stattfindende Absatzgeschäft unlauter ist. So kann die Werbung für ein im Ausland abzuschließendes Geschäft nicht mit der Begründung im Inland untersagt werden, dass der Geschäftsabschluss – wenn er im Inland stattfände – als Rechtsbruch nach § 1 UWG zu untersagen wäre (vgl. Staudinger-Fezer, BGB, 13. Bearb., EGBGB/IPR/IntWirtschR Rz. 572 ff.). Beispielsweise wäre es einem luxemburgischen Kaufmann unbenommen, in Deutschland damit zu werben, dass Kunden an einem deutschen Feiertag, an dem der Verkauf in Deutschland gegen die Bestimmungen des Ladenschlussgesetzes verstieße, in seinem Luxemburger Geschäftslokal willkommen seien.

[8]cc) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich bei dem Verbot der Ankündigung einer Sonderveranstaltung in § 7 I UWG um einen Fall, in dem sich die Unlauterkeit der Ankündigung aus der Unlauterkeit der angekündigten Verkaufsveranstaltung ergibt. Begegnet die Verkaufsveranstaltung keinen wettbewerbsrechtlichen Bedenken, kann auch die Ankündigung nicht nach § 7 I UWG untersagt werden (vgl. BGH, Urt. vom 15.1.1998 – I ZR 244/95, GRUR 1998, 585, 587 = WRP 1998, 487). Dies gilt unabhängig davon, ob der angekündigte Verkauf nach luxemburgischem Recht zulässig ist oder nicht. Denn das Verbot des § 7 UWG bezieht sich nur auf im deutschen Einzelhandel durchgeführte Sonderveranstaltungen. Es hat nicht den Zweck, den inländischen Verbraucher auch vor einer möglichen unsachlichen Beeinflussung zu schützen, die von im Ausland stattfindenden Sonderveranstaltungen ausgehen mag (Jacobs-Lindacher-Teplitzky-Schricker, UWG Großkommentar, 9. Lfg., Einl. Rz. F 220; Jacobs-Lindacher-Teplitzky-Jestaedt, UWG Großkommentar, 4. Lfg., § 7 Rz. 18; Gloy-Wilde, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 2. Aufl., § 6 Rz. 51; MünchKommBGB-Kreuzer, 3. Aufl., Art. 38 EGBGB Rz. 246; Staudinger-Fezer Rz. 463; Köhler-Piper aaO § 7 Rz. 7).

[9]Das Berufungsgericht weist allerdings zu Recht darauf hin, dass der deutsche Gesetzgeber mit dem Sonderveranstaltungsverbot auch das Ziel verfolgt hat, die Verbraucher vor einer übermäßig unsachlichen Beeinflussung ihrer wirtschaftlichen Entschließungen zu schützen (vgl. BGH, Urt. vom 28.9.1979 – I ZR 139/77, GRUR 1980, 112, 113; Baumbach-Hefermehl aaO § 7 Rz. 1). Auch dieser Schutzzweck rechtfertigt es jedoch nicht, auch die Ankündigung einer im Ausland stattfindenden Sonderveranstaltung zu untersagen. Denn der Gesetzgeber hat zu diesem Zweck für Sonderveranstaltungen einen Ordnungsrahmen geschaffen, der seiner Natur nach nur Geltung im Inland beanspruchen kann (vgl. Köhler-Piper Rz. 6 f.) ...

[10]dd) Die beanstandete Werbung kann unter diesen Umständen nicht unter dem Gesichtspunkt der Ankündigung einer unzulässigen Sonderveranstaltung verboten werden. Auf die Frage, ob ein Verbot der Werbung mit dem Grundsatz der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 28 EG vereinbar wäre, kommt es somit nicht an ...

Fundstellen

LS und Gründe

GRUR, 2004, 1035
RIW, 2004, 940
GRUR Int., 2005, 338

nur Leitsatz

LMK, 2004, 228, mit Anm. Schricker
EWiR, 2005, 351, mit Anm. Mankowski

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2004-86

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