Eine Rechtswahlklausel ist geeignet, den Arbeitnehmer in die Irre zu führen, wenn sie ihm den unzutreffenden Eindruck vermittelt, auf den Vertrag sei nur das Recht des gewählten Mitgliedstaats anwendbar, ohne ihn darüber zu unterrichten, dass er nach Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO - auch - den Schutz der zwingenden Bestimmungen des objektiven Rechts genießt. Eine solche Klausel benachteiligt den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist deshalb gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
Der am 16.06.1968 geborene Kläger ist niederländischer Staatsbürger und hat seinen Wohnsitz in den A. Er ist seit dem 16.04.2018 bei der Beklagten beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis liegt der schriftliche Anstellungsvertrag vom 13.04.2018 zugrunde. Der Anstellungsvertrag enthält unter § 16 "Arbeitsrecht" eine Rechtswahlklausel zugunsten des deutschen Rechts. Der Kläger war zuletzt als Global Security Officer tätig, wobei für die Position eine Stellenbeschreibung der Beklagten - überwiegend in englischer Sprache - existiert. Das durchschnittliche Bruttomonatsgehalt des Klägers beläuft sich auf ... EUR. Die Beklagte gehört einem Konzernverbund an und hat ihren Sitz in B. Sie beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Vollzeitarbeitnehmer. Unter dem xx.xx.2019 schlossen die Parteien als Zusatz zum Anstellungsvertrag eine Home Office-Vereinbarung. Im Anschluss arbeitete der Kläger zunächst an zwei Tagen in der Woche an seinem Wohnsitz in den A und an den übrigen drei Tagen am Standort der Beklagten in B. Als sog. Grenzgänger ist er deshalb seit dem 01.03.2019 in den A sozialversichert. Seit dem Beginn der Covid-19-Pandemie arbeitete der Kläger zunächst bis Mitte März 2022 ausschließlich in seinem Homeoffice. Von wo aus der Kläger zuletzt seine Arbeitsleistung erbrachte, ist zwischen den Parteien streitig. Eine schriftliche Genehmigung bezüglich des Arbeitens im Ausland ist dem Kläger nicht erteilt worden. Sogenannte "mobile Arbeitstage" trug der Kläger weiterhin nicht in seinen Kalender ein. Seit dem 28.11.2022 war der Kläger durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis zum 30.04.2023.
Gegen diese Kündigungen wendet sich der Kläger mit seiner am 17.02.2023 beim Arbeitsgericht Dortmund eingegangenen Klage. Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 27.01.2023 und 31.01.2023 nicht aufgelöst wurde.
[1]I. Die Berufung der Beklagten ist statthaft, § 64 Abs. 1, Abs. 2 [lit.] c ArbGG und nach § 519, §§ 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG am 08.03.2024 gegen das am 08.02.2024 zugestellte Urteil form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der nach § 66 Abs. 1 Satz 1, Satz 5 ArbGG verlängerten Frist am 08.05.2024 begründet worden. Sie ist damit zulässig.
[2]II. In der Sache bleibt die Berufung der Beklagten jedoch erfolglos, da das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage zu Recht stattgeben hat.
[3]1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist auch die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gegeben.
[4]Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist eine von Amts wegen zu prüfende Sachurteilsvoraussetzung. Eine gemäß Art. 23 Nr. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 (im Folgenden: Brüssel Ia-VO) nach der Entstehung der Streitigkeit getroffene arbeitsvertragliche Gerichtsstandsvereinbarung, die den Voraussetzungen des Art. 23 Nr. 2 Brüssel Ia-VO genügt (vgl. dazu BAG vom 30.11.2022 -
[5]Bei einem Arbeitsrechtsstreit handelt es sich um eine zivilrechtliche Streitigkeit iSv. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Brüssel Ia-VO. Der dafür erforderliche Auslandsbezug (vgl. BAG vom 22.08.2024 -
[6]Vorliegend ist jedoch zu berücksichtigen, dass die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte zwischen den Parteien nicht im Streit steht. Die Beklagte, die ihren Sitz in Deutschland hat, hat sich auf die vor dem Arbeitsgericht Dortmund erhobene Klage rügelos eingelassen, so dass die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach Art. 26 Abs. 1 Satz 1 Brüssel Ia-VO eingetreten ist. Die Einlassung der Beklagten kann insoweit als stillschweigende Anerkennung des angerufenen Gerichts und somit als Vereinbarung von dessen Zuständigkeit betrachtet werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die Beklagte auf die Anwendbarkeit deutschen Rechts beruft. Einer Belehrung der Beklagten über die Folgen rügeloser Einlassung bedurfte es nicht, Art. 26 Abs. 2 Brüssel Ia-VO (vgl. BAG vom 30.11.2022 -
[7]2. ... a) ... b) Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts kommt vorliegend jedoch niederländisches und nicht deutsches Recht zur Anwendung.
[8]aa) Die Anwendbarkeit deutschen Rechts folgt nicht aus der Rechtswahlklausel in § 16 des Anstellungsvertrags.
[9](1) Auf die Regelung in § 16 des schriftlichen Anstellungsvertrags vom 13.04.2018 sind die §§ 305c Abs. 2, 306, 307 bis 309 BGB anzuwenden (§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB). Die Beklagte hat den Arbeitsvertrag vorformuliert, dem Kläger in dieser Form angeboten und damit im Rechtssinne gestellt. Hierfür begründet bereits das äußere Erscheinungsbild des Anstellungsvertrags eine tatsächliche Vermutung (vgl. BAG vom 21.11.2023 -
[10](2) Nach dem Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen erweist sich die Rechtswahlklausel als unwirksam.
[11](a) Das anzuwendende Recht bestimmt sich nach der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.06.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO). Diese findet ausweislich ihres Art. 28 auf Verträge Anwendung, die - wie der Anstellungsvertrag der Parteien - nach dem 17.12.2009 geschlossen wurden. Eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten besteht, weil die Beklagte ihren Sitz in Deutschland hat, während der Kläger bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses und auch danach seinen Wohnsitz in den A hatte und von dort aus (zumindest auch) Arbeitsleistungen für die Beklagte erbrachte, (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Rom I-VO).
[12]Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Rom I-VO unterliegt der Vertrag - ganz oder zu Teilen (Art. 3 Abs. 1 Satz 3 Rom I-VO) - dem von den Parteien ausdrücklich oder konkludent (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO) gewählten Recht. Dies gilt auch für Individualarbeitsverträge (Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Rom I-VO). Gemäß Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO darf die Rechtswahl jedoch nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der unabdingbare gesetzliche Schutz entzogen wird, der ihm nach Art. 8 Abs. 2 und 4 Rom I-VO ohne die getroffene Rechtswahl zustände (vgl. ferner Erwägungsgrund 35 Rom I-VO). Soweit das auf den Arbeitsvertrag anzuwendende Recht nicht durch Rechtswahl bestimmt ist, unterliegt der Arbeitsvertrag dem Recht des Staates, in dem oder andernfalls von dem aus der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet (Art. 8 Abs. 2 Satz 1 Rom I-VO). Ergibt sich aus der Gesamtheit der Umstände, dass der Vertrag eine engere Verbindung zu einem anderen als dem in Art. 8 Abs. 3 Rom I-VO bezeichneten Staat aufweist, ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden (Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO) (vgl. BAG vom 23.01.2024 -
[13](b) Dass die Rechtswahl durch eine vom Arbeitgeber vorformulierte Standardklausel in den Arbeitsvertrag eingeführt wird, macht sie nicht unzulässig. Der Rechtswahlvertrag unterliegt jedoch den Bestimmungen der AGB-Kontrolle und dabei insbesondere dem Transparenzgebot. Zustandekommen und Wirksamkeit des Rechtswahlvertrags sind anhand der gewählten Rechtsordnung zu beurteilen, Art. 11 Abs. 1 Rom I-VO) (vgl. ErfK-Schlachter, 25. Aufl. 2025, Art. 9 VO (EG) 593/2008, Rn. 5; BAG vom 23.01.2024 -
[14]Gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich die zur Unwirksamkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung führende unangemessene Benachteiligung aus der mangelnden Klarheit und Verständlichkeit der Bedingung ergeben. Dieses Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Es müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Der Vertragspartner des Klauselverwenders soll ohne fremde Hilfe Gewissheit über den Inhalt der vertraglichen Rechte und Pflichten erlangen und nicht von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten werden. Eine Klausel, die die Rechtslage unzutreffend oder missverständlich darstellt und auf diese Weise dem Verwender ermöglicht, begründete Ansprüche unter Hinweis auf die in der Klausel getroffene Regelung abzuwehren, benachteiligt den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (vgl. BAG vom 24.08.2016 -
[15]Dies hat zur Folge, dass eine Rechtswahlklausel geeignet ist, den Arbeitnehmer in die Irre zu führen, wenn sie ihm den unzutreffenden Eindruck vermittelt, auf den Vertrag sei nur das Recht des gewählten Mitgliedstaats anwendbar, ohne ihn darüber zu unterrichten, dass er nach Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO - auch - den Schutz der zwingenden Bestimmungen des objektiven Rechts genießt. Eine solche Klausel benachteiligt den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist deshalb gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam (im Ergebnis offen gelassen BAG vom 23.01.2024 -
[16](c) Danach erweist sich die Rechtswahlklausel des Anstellungsvertrags gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB als unwirksam, da sie die Rechtslage unzutreffend und verkürzt darstellt. Nach § 16 des Anstellungsvertrags "findet auf das Arbeitsverhältnis deutsches Recht Anwendung". Eine Unterrichtung darüber, dass dem Kläger darüber hinaus gemäß Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO der unabdingbare gesetzliche Schutz zusteht, der ihm nach Art. 8 Abs. 2 und 4 Rom I-VO ohne die getroffene Rechtswahl zustände, beinhaltet die Klausel nicht. Der verständige und redliche Vertragspartner muss unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise (zur Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen: BAG vom 23.03.2017 -
[17](d) Eine rechtskonforme ergänzende Vertragsauslegung kommt nicht in Betracht, da der Wegfall der Klausel weder die Beklagte über Gebühr benachteiligt noch den Kläger in einem Maß begünstigt, das durch seine schutzwürdige Interessen nicht gerechtfertigt ist (vgl. BAG vom 24.08.2016 -
[18]bb) Da die im Arbeitsvertrag erfolgte Rechtswahl unwirksam ist, bestimmt sich die anwendbare Rechtsordnung nach Art. 8 Abs. 2 bis Abs. 4 Rom I-VO.
[19](1) Auf Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse ist bei unterbliebener oder unwirksamer Rechtswahl nach Art. 8 Abs. 2 Rom I-VO objektiv das Recht des Staats anwendbar, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, selbst wenn er vorübergehend in einen anderen Staat entsandt wird. Übt der Arbeitnehmer seine Tätigkeit in mehreren Vertragsstaaten aus, ist gewöhnlicher Arbeitsort der Ort, an dem oder von dem aus er seine berufliche Tätigkeit tatsächlich ausübt, und, in Ermangelung eines Mittelpunkts der Tätigkeit, der Ort, an dem er den größten Teil seiner Arbeit verrichtet. Erst wenn auch dann ein gewöhnlicher Arbeitsort in einem Staat nicht feststellbar ist, darf auf die "einstellende Niederlassung" iSv. Art. 8 Abs. 3 Rom I-VO zurückgegriffen werden (vgl. BAG vom 26.04.2022 -
[20]Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO sieht vor, dass diese Anknüpfungskriterien nicht anwendbar sind, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist; in diesem Fall ist das Recht dieses anderen Staats anzuwenden. Für die "Gesamtheit der Umstände" ist nicht allein die Anzahl der für eine Verbindung zu dem einen oder dem anderen Staat sprechenden Kriterien maßgebend. Vielmehr müssen die Anknüpfungsmomente gewichtet werden. Zu berücksichtigen sind ua. der Arbeitsort, der Sitz des Arbeitgebers, die Staatsangehörigkeit der Vertragsparteien und der Wohnsitz des Arbeitnehmers. Vertragsimmanente Gesichtspunkte wie die Vertragssprache, die Währung, in der die Vergütung gezahlt wird, oder die Bezugnahme auf Rechtsvorschriften eines bestimmten Staats haben nachrangige Bedeutung. Andernfalls hätte es der Arbeitgeber in der Hand, das vom Gesetzgeber vorgesehene Günstigkeitsprinzip durch die Vertragsgestaltung und entsprechende Abreden zu unterlaufen. Eine derartige Disposition über den zwingenden Arbeitnehmerschutz soll Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO gerade verhindern. In seinem Rahmen kommt es auf davon unabhängige, objektive Umstände an. Ein wesentliches Kriterium ist dabei der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine Steuern und Abgaben entrichtet und der Sozialversicherung angeschlossen ist. Sollen die Einzelumstände auf engere Verbindungen zu einem anderen Staat verweisen, müssen sie insgesamt das Gewicht der einschlägigen Regelanknüpfung deutlich übersteigen (vgl. BAG vom 26.04.2022 -
[21]Der gewöhnliche Arbeitsort wird nicht durch die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses dauerhaft festgeschrieben, sondern kann dynamisch im Verlaufe der Durchführung des Arbeitsverhältnisses wechseln. Mit dem dauerhaften Wechsel des Arbeitsorts wechselt grundsätzlich das anwendbare Recht. Jedoch ändert eine nur vorübergehende Entsendung in das Ausland nichts an der Maßgeblichkeit des bisherigen gewöhnlichen Arbeitsorts, § 8 Abs. 2 S. 2 Rom I-VO. Dies gilt auch für einen (pandemiebedingt) vorübergehenden Wechsel ins Home-Office im Ausland. Die Verbindung mit dem ursprünglichen Arbeitsort bleibt bei zeitlich beschränktem Auslandseinsatz maßgeblich, wenn die Rückkehr und spätere Weiterbeschäftigung am ursprünglichen Ort beabsichtigt ist (vgl. ErfK-Schlachter, 25. Aufl. 2025, Art. 9 VO (EG) 593/2008, Rn. 13 mwN.).
[22](2) Aus den vorstehenden Grundsätze ergibt sich für den vorliegend Fall, dass niederländisches Recht zur Anwendung gelangt.
[23](a) Der gewöhnliche Arbeitsort des Klägers befand sich zuletzt in den A, da der Kläger ab März 2020 bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit seine Arbeit gewöhnlich, zeitlich überwiegend und nicht lediglich vorübergehend an seinem Wohnsitz im Home Office verrichtete. Soweit die Parteien darüber streiten, von wo aus der Kläger ab Mitte März 2022 bis zu seiner Arbeitsunfähigkeit arbeitete, so ist das Vorbringen des Klägers, er habe bis zuletzt - wie auch zuvor - im Home Office gearbeitet, als zugestanden anzusehen.
[24]Nachdem die Beklagte erstinstanzlich noch vortrug, der Kläger habe arbeitsvertragswidrig und ohne ihr Wissen aus dem Home Office weitergearbeitet, hat sie in zweiter Instanz mit Nichtwissen bestritten, dass dies der Fall war. Vielmehr habe sie - die Beklagte - davon ausgehen dürfen, dass der Kläger zumindest drei Tage pro Woche am Standort in B arbeitete. Mit ihrem Berufungsvorbringen hat die Beklagte den Vortrag des Klägers nicht ausreichend gemäß § 138 Abs. 2 und 3 ZPO bestritten.
[25](aa) ... (bb) Nach den vorgenannten Grundsätzen war die Beklagte verpflichtet, substantiierten Gegenvortrag zu halten, soweit sie das Vorbringen des Klägers bestritten hat. Dies hat sie jedoch nicht getan, so dass das Vorbringen des Klägers als zugestanden zu erachten ist.
[26]Die Beklagte hat nicht in Abrede gestellt, dass der Kläger ab März 2022 bis zum Eintritt seiner Erkrankung seine Arbeitsleistung erbrachte. Streitig ist vielmehr, von wo aus dies erfolgte. Hierzu hat die Beklagte zweitinstanzlich vorgetragen, dass sie davon ausgehe, dass der Kläger ab diesem Zeitpunkt seine Arbeitsleistung nach Maßgabe der Home Office-Vereinbarung in dem dort geregelten Umfang in B erbracht habe. Da sich die behaupteten Umstände in ihrem Wahrnehmungsbereich - nämlich ihrer Niederlassung in B - verwirklicht haben sollen, war die Beklagte gehalten, sich das für ihre Erklärung erforderliche Wissen zu verschaffen und hierzu Erkundigungen einzuholen. Dass die Beklagte dies ohne Erfolg versuchte, ergibt sich weder aus dem Berufungsvorbringen noch aus den Protokollerklärungen im Termin zur mündlichen Verhandlung. Dass und welche Informationen die Beklagte von wem erfolglos einzuholen versuchte, lässt sich ihrem Vorbringen nicht entnehmen. Allein der Hinweis auf die örtlichen Gegebenheiten am Standort in B sowie den Umstand, dass viele Meetings digital stattfinden, macht Erkundigungen - zB. bei in B beschäftigten Arbeitnehmern - nicht entbehrlich. Soweit die Beklagte darauf verweist, dass der Kläger keine mobilen Arbeitstage in seinen Kalender eintrug, spricht dies nicht für eine (ausschließliche) Tätigkeit in B, da dies auch vorher der Fall war. Aus dem Umstand der (weiterhin) nicht erfolgten Eintragungen konnte nicht auf eine Tätigkeit des Klägers in B an drei Tagen pro Woche geschlossen werden.
[27](cc) Es lag auch nicht eine nur vorübergehende Tätigkeit des Klägers im Ausland vor, bei der es bei der Maßgeblichkeit des vorherigen gewöhnlichen Arbeitsorts blieb. Zwar war der Kläger vor dem Beginn der Corona-Maßnahmen im März 2020 an drei Tagen wöchentlich und damit überwiegend in B tätig. Jedoch lag nicht [lediglich] ein (pandemiebedingt) vorübergehender Wechsel in das Home Office vor. Vielmehr erbrachte der Kläger bis zum Beginn seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit Ende November 2022 seine Arbeitsleistung für die Beklagte rund 2,5 Jahre durchweg an seinem Wohnort.
[28]Für eine lediglich vorübergehende Auslandstätigkeit spricht auch nicht die von der Beklagten im November 2021 eingeführte Richtlinie für mobiles Arbeiten. Denn diese regelt für die Stelle des Klägers, dass grundsätzlich mobil gearbeitet werden könne und jeder Mitarbeiter mindestens einmal pro Monat im Büro arbeiten müsse. Dies entspricht auch der von dem Kläger vorgelegten Stellenbeschreibung von Anfang des Jahres 2022, in der die Stelle als "V" beschrieben ist.
[29]Soweit in der Richtlinie ausgeführt ist, dass "V"-Arbeiten aus dem Ausland nur vorübergehend und nach individueller Prüfung sowie schriftlicher Genehmigung möglich sein solle, ist hinsichtlich des Klägers zu berücksichtigen, dass nach der Home Office-Vereinbarung vom 20.02.2019 bereits ein vertraglicher Anspruch des Klägers bestand, von seiner häuslichen Arbeitsstätte zu arbeiten. Diese Vereinbarung haben die Parteien ab März 2020 iSv. § 2 Nr. 2 der Home Office-Vereinbarung einvernehmlich dahingehend geändert, dass - vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie - die Tätigkeit der Klägers im Home Office erfolgen sollte, ohne dass eine zeitliche Begrenzung erfolgt ist. Unstreitig hat die Beklagte den Kläger bis zu seiner Erkrankung weder angewiesen noch darauf angesprochen, seine Tätigkeit wieder im Rahmen der in § 2 vorgesehenen Arbeitszeitverteilung der Home Office-Vereinbarung zu erbringen.
[30]Auch den Regelungen auf Seite 10 der Richtlinie für mobiles Arbeiten lässt sich nicht entnehmen, dass der Kläger seine Tätigkeit nunmehr wieder in B erbringen sollte. Soweit dort ausgeführt ist, dass ein vorübergehendes Arbeiten im Vorfeld von dem Abteilungsleiter schriftlich genehmigt werden müsse, so ermöglichte dem Kläger bereits die vertragliche Home Office-Vereinbarung die Tätigkeit an seinem Wohnsitz in den A. Sofern in der Richtlinie auf sozialversicherungsrechtliche Vorgaben als Grund verwiesen ist, war der Kläger bereits seit dem 01.03.2019 in den A sozialversichert. Dem Kläger ist beizupflichten, dass sich der Richtlinie nicht entnehmen lässt, ob deren Vorgaben überhaupt für Mitarbeiter gelten sollten, die bereits auf vertraglicher Grundlage seit Längerem im Ausland tätig und dort sozialversichert sind. Insbesondere war eine Absprache und Genehmigung "im Vorfeld" im Fall des Klägers, der zum Zeitpunkt der Einführung der Richtlinie bereits 1,5 Jahre fast ausschließlich im Home Office tätig war, nicht mehr möglich.
[31](b) Da nach alledem der gewöhnliche Arbeitsort des Klägers in den A liegt, bedarf es keines Rückgriffs auf die "einstellende Niederlassung" iSv. Art. 8 Abs. 3 Rom I-VO.
[32](c) Etwas anderes folgt nicht aus Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO, da sich vorliegend nicht aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist.
[33]Der Kläger ist niederländischer Staatsangehöriger, der einen Wohnsitz in den A hat und dessen gewöhnlicher Arbeitsort zuletzt und für einen erheblichen Zeitraum in den A war. Von erheblicher Bedeutung ist auch, dass der Kläger bereits seit dem 01.03.2019 in den A sozialversichert ist. Die Beklagte hat ihren Sitz in Deutschland und gehört zu einem international tätigen Konzernverbund an. Von nachrangiger Bedeutung ist, dass die vertraglichen Vereinbarungen auf deutsch verfasst sind und der Anstellungsvertrag eine Rechtswahlklausel enthält, die auf deutsches Recht Bezug nimmt. Besondere Einzelumstände, die auf engere Verbindungen des Arbeitsverhältnisses zu Deutschland als zu den A schließen lassen und damit das Gewicht der einschlägigen Anknüpfung an den gewöhnlichen Arbeitsort deutlich übersteigen, sind nicht gegeben. Dies folgt insbesondere nicht daraus, dass der Kläger nach der Richtlinie aus November 2021 einmal monatlich und damit in zeitlich untergeordneten Umfang seine Tätigkeit in der Niederlassung in B erbringen sollte. Im Rahmen seiner Tätigkeit arbeitete der Kläger nicht lediglich mit dem Standort der Beklagten in Deutschland, sondern auch mit Mitarbeitern der P-Gruppe in anderen Staaten. Eine besonders erhebliches Gewicht des Bezugs des Arbeitsverhältnisses zu Deutschland lässt sich den Umständen des Falls nicht entnehmen.
[34]cc) Mit dem Wechsel des gewöhnlichen Arbeitsorts in die A wechselte grundsätzlich das anwendbare Recht. Die Anwendung niederländischen Rechts führt vorliegend zur Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigungen.
[35](1) Die Kündigungen verstoßen gegen das Kündigungsverbot in Art. 7:670 Abs. 1 des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs, weil sie während der bestehenden Arbeitsunfähigkeit des Klägers erfolgten. Art. 7:670 Abs. 1 regelt, dass der Arbeitgeber während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers aufgrund einer Krankheit nicht zur Kündigung berechtigt ist, es sei denn, die Arbeitsunfähigkeit hat (a) mindestens zwei Jahre bzw. sechs Wochen bei einem Arbeitnehmer gedauert, der das in Art. 7 Abs. a des Allgemeinen Altersgesetzes genannte Alter erreicht hat, oder (b) hat begonnen, nachdem ein Antrag auf Genehmigung iSv. von Art. 7:671a bei der niederländischen Agentur "Z" (UWV) oder bei dem in Art. 671a Abs. 2 genannten Ausschuss eingegangen ist.
[36]Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers bestand seit dem 28.11.2022 und zum Kündigungszeitpunkt deshalb noch nicht mindestens zwei Jahre. Das Rentenalter gemäß Art. 7 Abs. a, Art. 7 des Allgemeinen Altersgesetzes hat der am 16.06.1968 geborene Kläger nicht erreicht. Einen Antrag auf Genehmigung iSv. Art. 7:671a hat die Beklagte vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit nicht gestellt. Die Beklagte war somit schon aufgrund der Arbeitsunfähigkeit des Klägers nicht zur Kündigung berechtigt.
[37]Im Übrigen hätten die auf betriebsbedingte Gründe gestützten Kündigungen auch ohne Bestehen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit einer schriftlichen Genehmigung der UWV bedurft, die unstreitig nicht erfolgt ist. Nach Art. 7:669 des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs bedarf die Kündigung des Arbeitgebers auf Grundlage von Art. 669 Abs. 3 a, b einer schriftlichen Genehmigung der UWV. Art. 7:669 Abs. 3 a regelt, dass ein wichtiger Grund zur Kündigung iSv. Abs. 1 beim Wegfall von Arbeitsplätzen infolge der Einstellung der Tätigkeit des Unternehmens oder, über einen künftigen Zeitraum von mindestens 26 Wochen betrachtet, der notwendige Wegfall von Arbeitsplätzen infolge der Durchführung von Maßnahmen zur wirtschaftlichen Führung des Unternehmens aufgrund der betrieblichen Verhältnisse, vorliegt. Die Voraussetzungen für eine betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses lagen somit ebenfalls nicht vor.
[38](2) Aufgrund der eindeutigen Regelungen des niederländischen Rechts waren weitere Ermittlungen des ausländischen Rechts gemäß § 293 ZPO nicht veranlasst. Auch das Vorbringen der Parteien gab hierzu keinen Anlass. Zwischen den Parteien stehen weder die niederländischen Rechtsnormen noch die niederländische Rechtspraxis im Streit (vgl. BAG vom 22.08.2024 -
[39]3. Von daher ist das Arbeitsgericht im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigungen vom 27.01.2023 und 31.01.2023 aufgelöst wurde, so dass die Berufung der Beklagten zurückzuweisen ist.
[40]III. ... IV. ... V. Die Kammer hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage, ob Rechtswahlklauseln, die keine Unterrichtung nach Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO enthalten, nach AGB-Grundsätzen unwirksam sind, die Revision zugelassen (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).
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