Bietet ein im Ausland ansässiges Glücksspielunternehmen über eine Website virtuelle Glücksspiele an, so kann gem. Art. 17, 18 EuGVVO die Zuständigkeit eines deutschen Gerichts gegeben sein, wenn der Teilnehmer ein in Deutschland wohnender Verbraucher ist. Der Verbrauchergerichtsstand erfasst auch nichtvertragliche Ansprüche, soweit sich die Klage allgemein auf einen Vertrag bezieht und die gesetzlichen Ansprüche eine so enge Verbindung zu diesem Vertrag aufweisen, dass sie von ihm nicht getrennt werden können. In diesem Fall findet gem. Art. 6 Rom I‑VO deutsches Recht Anwendung. [LS der Redaktion]
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Rückzahlung von Geldeinsätzen, die er bei Glücksspielen im Zeitraum vom 05.07.2018 bis zum 16.11.2022 auf einer von der Beklagten betriebenen Webseite für Online-Glücksspiele verloren hat, nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Das Landgericht hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Gegen das Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 10. November 2023 –
[1]II.
[2]Die zulässige Berufung ist nur in geringem Umfang – und zwar teilweise in Bezug auf die Höhe der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten – begründet. Die zulässige Anschlussberufung ist teilweise begründet.
[3]Das Landgericht ist zu Recht von seiner Zuständigkeit ausgegangen (dazu unter 1.) und hat deutsches Recht angewandt (dazu unter 2.) ...
[4]1.
[5]Die Klage ist zulässig.
[6]Insbesondere besteht die in der Berufungsinstanz von Amts wegen zu prüfende (vgl. BGH, Urteil vom 28.11.2002 –
[7]a)
[8]Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die geltend gemachten Bereicherungsansprüche ergibt sich aus Art. 17 Abs. 1 lit. c), Art. 18 Abs. 1 EuGVVO.
[9]Der Kläger hat seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland. An seiner Verbrauchereigenschaft im Sinne von Art. 17 Abs. 1 EuGVVO bestehen keine durchgreifenden Zweifel. Danach ist Verbraucher eine Person, die den betreffenden Vertrag zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dient. Insbesondere verliert ein Spieler seine Verbrauchereigenschaft nicht, wenn er täglich viele Stunden an einem Spiel teilnimmt und dabei erhebliche Gewinne erzielt (EuGH, Urteil vom 10.12.2020 –
[10]Die Beklagte hat ihre gewerbliche Tätigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland ausgerichtet, indem sie mit einer deutschsprachigen Internetdomain (https://www.s... .de/de) und auf Deutsch abgefassten Geschäftsbedingungen die Veranstaltung von Glücksspielen in Deutschland angeboten hat.
[11]Auch die Rückgewähr von Beträgen, die aufgrund eines nichtigen Vertrags und ohne Rechtsgrund gezahlt wurden, beruht auf „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ i. S. d. Vorschrift (vgl. EuGH, Urteil vom 20.04.2016 – C-366/13, juris, Rn. 58, zur bis zum 09.01.2005 geltenden [Vorgänger-]Regelung VO [EG] 44/2001, dort Art. 5 Nr. 1 lit. a) VO [EG] 44/2001).
[12]b)
[13]Die verfolgten deliktischen Ansprüche unterfallen ebenfalls dem o.g. Verbrauchergerichtsstand, weil dieser nicht-vertragliche Anspruchsgrundlagen miterfasst, soweit sich die Klage allgemein auf einen Vertrag bezieht und eine so enge Verbindung zu diesem Vertrag aufweist, dass sie von ihm nicht getrennt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 05.10.2010 –
[14]Jedenfalls ist insoweit der Gerichtsstand nach Art. 7 Nr. 2 EuGVVO eröffnet. Das schädigende Ereignis i.S.d. Nr. 2 ist sowohl der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs als auch der Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 09.07.2020 – C-343/19, juris, Rn. 23). Da der Kläger unstreitig von seinem Wohnort aus an den streitgegenständlichen Online-Glücksspielen teilgenommen hat (S. 9 Klageschrift = Bl. 10 d. A.), hat sich hier der Schadenserfolg verwirklicht (vgl. OLG Köln, Urteil vom 31.10.2022 –
[15]Schließlich hat sich die Beklagte rügelos eingelassen, vgl. Art. 26 EuGVVO.
[16]2.
[17]Auf die Rechtsbeziehung der Parteien ist deutsches Recht anzuwenden.
[18]a)
[19]Gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. b) Rom I-VO findet auf vertragliche Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte deutsches Recht Anwendung.
[20]Der Kläger ist Verbraucher mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland und die Beklagte hat ihre Tätigkeit auf Deutschland ausgerichtet. Auch für Bereicherungsansprüche, die auf die Nichtigkeit eines Vertrags gestützt werden, wie hier der Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB, ist gemäß Art. 12 Abs. 1 lit. e) Rom I-VO das Vertragsstatut maßgeblich. Über die Nichtigkeit des Vertrags entscheidet gem. Art. 10 Abs. 1 Rom I-VO ebenfalls das Vertragsstatut. Art. 10 Abs. 1 Rom II-VO stellt insoweit klar, dass bei bereicherungsrechtlichen Ansprüchen, die an ein zwischen den Parteien bestehendes Rechtsverhältnis anknüpfen, ebenfalls das Vertragsstatut einschlägig ist.
[21]Auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien ist ebenfalls deutsches Deliktsrecht anwendbar. Gemäß Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO ist auf ein außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eintritt, unabhängig davon, in welchem Staat das schadensbegründende Ereignis oder indirekte Schadensfolgen eingetreten sind. Der Schaden ist vorliegend bei dem Kläger, also in Deutschland, eingetreten. Etwas Anderes folgt nicht aus Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO, da aufgrund des zugrundeliegenden Vertrages eine enge Verbindung zu Deutschland besteht.
[22]b)
[23]Eine entgegenstehende Rechtswahl hat die Beklagte schon nicht ausdrücklich behauptet.
[24]Soweit unter Ziffer 1.3 der eingereichten Geschäftsbedingungen der Beklagten, letzte Aktualisierung: 19.07.2021 (Anlage B1 Anlagenband Bekl.) maltesisches Recht für anwendbar erklärt wird, hat dies keinen Einfluss auf die Anwendbarkeit deutschen Rechts.
[25]Die Beklagte hat nicht dargetan, dass die zum Zeitpunkt der Eröffnung des Spielerkontos geltenden Geschäftsbedingungen der Beklagten ebenfalls eine solche Klausel enthielten und einbezogen waren bzw. die Parteien zu einem späteren Zeitpunkt die Geltung der vorgelegten Geschäftsbedingungen vom 19.07.2021 vereinbart hätten.
[26]Unabhängig von der Frage der Einbeziehung ist die Regelung unwirksam. Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom I-VO darf eine solche Rechtswahl dem Verbraucher nicht den Schutz der Bestimmungen entziehen, von denen nach dem ohne die Rechtswahl anzuwendenden Recht nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf (EuGH, Urteil vom 28.07.2016, C-191/15, juris, Rn. 69). Dementsprechend sind die §§ 305 ff. BGB auf Verbraucherverträge, die Verbraucher mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland geschlossen haben, anwendbar (BGH, Urteil vom 19.07.2012 –
[27]3. ...