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Verfahrensgang

LG Köln, Urt. vom 17.02.2025 – 26 O 12/21, IPRspr 2025-63

Rechtsgebiete

Zuständigkeit → Allgemeiner Gerichtsstand
Rechtsgeschäft und Verjährung → Verjährung
Juristische Personen und Gesellschaften → Gesellschaftsstatut, insbesondere Rechts- und Parteifähigkeit

Leitsatz

Die Verjährungsfrist gem. s. 213 (2) des Civil Practice Law & Rules in New York beträgt sechs Jahre. Der Lauf der Verjährung beginnt mit Fälligkeit und Einklagbarkeit des Anspruchs.

Die Verjährung von vertraglichen Ansprüchen bestimmt sich gem. Art. 12 lit. d Rom I-VO nach dem Vertragsstatut. Unerheblich ist dabei, ob dieses aufgrund der prozessrechtlichen Qualifikation der Verjährung die lex fori anwenden würde. [LS der Redaktion]

Rechtsnormen

BGB § 288; BGB § 291
CVP 2012 (New York/USA) s. 213
EuGVVO 1215/2012 Art. 4
RCO (New York/USA) s. 2b; RCO (New York/USA) s. 3; RCO (New York/USA) s. 193
Rom I-VO 593/2008 Art. 12
ZPO § 12; ZPO § 13

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine US-amerikanische sufi-islamische Glaubensgemeinschaft in der Rechtsform einer gemeinnützigen Organisation nach Vorschrift 501 (c) (3) des 26. Titels des United States Code mit Sitz in New York. Die Beklagten sind natürliche Personen mit ständigem Aufenthalt in Bergheim, Deutschland. Unter dem xx.xx.2012 unterzeichnete der Beklagte zu 2) ein vorgelegte „Loan Agreement“, die dazugehörige „Promissory Note payable in Agreed Installments“ und ließ die Unterschriftsleistung bei dem Notar in Köln beglaubigen. In dem Darlehensvertrag wird als Darlehensnehmer nur der Beklagte zu 2) genannt. Ausweislich Ziffer 1 des Darlehensvertrags gewährte die Klägerin dem Beklagten zu 2) ein Darlehen in Höhe von ... US-Dollar. Gemäß Ziffer 2 des Vertrags stand das Darlehen im Zusammenhang mit dem Objekt Bergheim, dessen Eigentümer der Beklagte zu 2) ist. In Ziffer 14 heisst es, dass das Recht des Staates New York anwendbar sein soll, in Ziffer 15 wird als Gerichtsstand New York benannt. Dieses „Loan Agreement“ ist nur von dem Beklagten zu 2) unterschrieben, weder Vertreter der Klägerin, noch der Beklagte zu 1) haben dieses Dokument unterzeichnet. In dem „Promissory Note payable in Agreed Installments“ heisst es, dass das Darlehen in 20 monatlichen Zahlungen von jeweils ... US-Dollar jeweils zum ersten eines Monats, beginnend mit dem 01.01.2013 bis zum 01.08.2014 zurückzuzahlen ist. Ein Betrag von ... US-Dollar wurde am 29.10.2012 vom Konto der Klägerin bei der NBT Bank auf die Bankverbindung des Beklagten zu 2) gezahlt. Ausweislich zweier zu den Akten gelangen Mietverträgen vermietete der Beklagte zu 2) das Objekt Bergheim an den Beklagten zu 1, ab dem 01.01.2014 zu einem monatlichen Mietpreis von ... €, ab dem 01.01.2018 zu einem Mietpreis von ... € nebst Betriebskostenvorauszahlung, wobei die Klägerin die Richtigkeit der Angabe in Abrede stellt. Mit anwaltlichem Schreiben vom 30.03.2020 erklärte die Klägerin gegenüber dem Beklagten zu 1) die fristlose, hilfsweise die ordentliche Kündigung des Darlehensvertrags. Die Beklagten erheben die Einrede der Verjährung.

Die Klägerin beantragt, die Beklagten zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von ... US-Dollar und die vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von ... Euro jeweils nebst Zinsen zu zahlen.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

[2]Der Klägerin steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner ein Anspruch auf Zahlung von ... US‑Dollar als Rückzahlung der letzten drei Raten des den 7 Beklagten gewährten Darlehens zu. Im Übrigen ist die Klageforderung unbegründet, da verjährt.

[3]Im Einzelnen:

[4]1. Zuständigkeit des Gerichts

[5]Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Köln folgt aus Art. 4 EuGVVO (Verordnung EUV 1215/2012). Danach sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen. Dies trifft auf die Beklagten zu, die beide ihren Wohnsitz in Deutschland haben und hatten. Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts folgt aus §§ 12, 13 ZPO.

[6]2. Partei- und Prozessfähigkeit der Klägerin

[7]Die Klägerin als wirksam gegründete Religious Corporation ist auch klagebefugt. Dies richtet sich aufgrund des Sitzes der Klägerin in New York nach dem Recht des Bundesstaates New York. Hierzu hat der Sachverständige K , Rechtsanwalt und Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht sowie Attorney at Law (New York) in seinem Gutachten vom 29.05.2023 und Ergänzungsgutachten vom 15.02.2024 überzeugend dargelegt, dass die Parteifähigkeit der Klägerin sich nach dem New York Religious-Corporation Law (RCO) richten könne. Dafür müsse ein ordnungsgemäßes Certificate of Incorporation erstellt (§ 193 RCO) und dieses gemäß § 3 iVm 2b (1) (d) RCO ordnungsgemäß eingereicht und registriert worden sein.

[8]Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Klägerin hat insoweit bereits mit der Klageschrift die Kopie eines Certificate of Incorporation vorgelegt, dessen Inhalt der Sachverständige als den Regularien des § 193 RCO entsprechend festgestellt hat.

[9]Die Klägerin hat dieses auch – wie es der Sachverständige als nach dem Recht des Bundesstaats New York für erforderlich dargestellt hat – in dem County, wo sich der Sitz der Gesellschaft befindet, hier dem Delaware County New York, eingereicht und registrieren lassen. Diese Registrierung beim Clerk des County Delaware hat die Klägerin nachgewiesen durch Vorlage des Certificates of Incorporation of Osmanli Gergahi vom 09./10. August 2005 (vgl. Bl. 667 d.A.), deren – von den Beklagten bestrittene – Echtheit nachgewiesen wurde durch die im Original zur Gerichtakte gereichte Apostille des Deputy Secretary of State for Business and Licensing Services des New York State Departement vom 22.10.2024 (Bl. 685 ff. d.A.). Der Wirksamkeit sind die Beklagten nach Vorlage der Apostille auch nicht mehr entgegengetreten.

[10]3. Begründetheit der Klage

[11]Die Klage ist teilweise begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Zahlung von ... US-Dollar. Die weitergehende Forderung auf Rückzahlung des Darlehens ist verjährt, die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben.

[12]4. ... 5. ... 6. teilweise Verjährung

[13]Die Raten sind bis auf die letzten drei Raten, die im Juni, Juli und August 2014 fällig geworden sind, verjährt.

[14]Die Fälligkeit der Darlehensrückzahlung folgt dem im Vertragsentwurf festgehaltenen Tilgungsplan, wonach die erste Rate am 01.01.2013 und die letzte Rate am 01.08.2014 fällig gewesen war, was von den Parteien nicht in Abrede gestellt wird.

[15]Die Feststellungen zur Verjährung nach dem Recht des Bundesstaats New York stützt die Kammer auf die überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen K. Dieser hat ausgeführt, dass die Verjährungsfrist gem. § 213 (2) des Civil Practice Law & Rules (CPLR) sechs Jahre betrage. Der Lauf der Verjährung beginne mit Fälligkeit und Einklagbarkeit des Anspruchs, was bei dem Darlehensvertrag für jede einzelne Rückzahlungsrate zu bestimmen sei. Denn jede dieser Teilzahlungen habe eine eigene Fälligkeit, sodass diese nach dortigem Recht auch jeweils zu unterschiedlichen Zeitpunkten verjähre. Die Verjährung der einzelnen Raten sei grundsätzlich ab dem 01.01.2019 bis zum 01.08.2020 jeweils monatlich abgelaufen. Die Verjährungsfrist beginne, insoweit unmittelbar mit der nicht erfolgten Rückzahlung zum Fälligkeitszeitraum, wogegen die Klägerin auch keine Einwendungen mehr geltend macht.

[16]Sodann hat der Sachverständige K ausgeführt, dass der Gouverneur des Staates New York am 07.03.2020 die Executive Order Nr. 202 erlassen habe, die einen Notstand bezüglich der Corona Situation verhängt habe, in der festgelegt worden sei, dass in dieser Notlage ablaufende Verjährungsfristen gehemmt seien. Diese Verordnung sei letztlich bis zum 03.11.2020 verlängert worden.

[17]Regelungen der Verjährung seien im Recht des Staates New York Regeln des materiellen Rechts. Drei der vier New Yorker Appellationsgerichte hätten insoweit bei der Auslegung der Hemmungsregelung der Executive Order festgestellt, dass es eine Ablaufhemmung vom 20.03.2020 bis zum 03.11.2020 gegeben habe und die Verjährungsfrist sich insoweit um diese 228 Tage verlängere. Danach sei die eigentlich am 01.04.2020 verjährende Rate am 15.11.2020 verjährt, die am 01.05.2020 verjährende Rate am 15.12.2020 und die am 01.06.2020 verjährende Rate am 15.01.2021, mithin nach Klageerhebung.

[18]Bei der Frage, ob es sich bei der Wirkung der Executive Order um eine echte Verjährungshemmung handelt, die nach New Yorker Recht zu beantworten ist, folgt die Kammer der von dem Sachverständigen vorgeschlagenen und von drei der vier Appellationsgerichte vertretenen Meinung, dass es sich um eine echte Ablaufhemmung handelt. Diese erfolgte zur Entlastung der Gerichte aufgrund der Pandemie, und es wäre nicht tragfähig, wenn die Regelung nur ein Aussetzen der Verjährungsregelung bewirken würde, die im Ergebnis dann eine Fälligkeit und damit ein Bedürfnis zur Klageerhebung am ersten Tag nach der Wirkung der Hemmung bedingen würde.

[19]Sodann stellt sich nach den Ausführungen des Sachverständigen die Frage, ob die Executive Orders im deutschen Internationalen Privatrecht dem materiellen Recht zuzuordnen seien und daher vom deutschen Gericht anwendbar seien, oder dem Verfahrensrecht und damit nicht anwendbar wären. Soweit der Sachverständige ausgeführt hat, dass Verjährungsregelungen nach New Yorker Rechtsauffassung solche des Verfahrensrechts sind hat er indes auch herausgearbeitet, dass diese Rechtsfrage eben nicht nach New Yorker Recht zu beantworten ist. Vielmehr ist nach Auffassung der Kammer nach dem internationalen Privatrecht, hier insbesondere Art. 12 lit. d ROM-I VO davon auszugehen, dass die Verjährungsregelungen nach dem Vertragsstatut – dem Recht des Staates New York – hier entsprechend anwendbar ist. Denn eine prozessrechtliche Qualifikation der Verjährung, wie sie einige common-law-Länder vorsehen, ist daher ausgeschlossen, und dies selbst dann, wenn das anwendbare Recht sie prozessrechtlich qualifiziert (Bamberger/Roth/Spickhoff Rn. 11; Ferrari IntVertragsR/Ferrari, 3. Aufl. 2018, VO (EG) 593/2008 Art. 12 Rn. 20). Nach dem Vertragsstatut bemessen sich auch Hemmung und Neubeginn der Verjährung. Ausländische Verjährungsregeln gelangen folglich über Art. 12 lit. d Rom I-VO auch dann zur Anwendung, wenn das Vertragsstatut sie prozessual qualifizieren sollte. Auch wenn die Verjährungsvorschriften nach amerikanischer Rechtsprechung und Rechtslehre dem Verfahrensrecht und nicht dem materiellen Recht zugerechnet werden, so hindert das nicht den deutschen Richter, sie wie materiellrechtliche Vorschriften anzuwenden. Denn die Frage, ob die Verjährung eine Einrichtung des sachlichen Rechts oder nur eine solche des Prozeßrechtes ist, muss nach deutschem Recht entschieden werden. Nach diesem gehört die Verjährung dem sachlichen Recht an. Daraus folgt weiter, dass das Gericht die Verjährungsvorschriften des Staates anzuwenden hat, dessen sachlichem Recht das streitige Rechtsverhältnis im allgemeinen nach den Regeln des zwischenstaatlichen Privatrechts untersteht (vgl. BGH, Urteil vom 9.6.1960 - VIII ZR 109/59 (IPRspr. 1960–1961 Nr. 23), NJW 1960, 1720, beck-online).

[20]Vor diesem Hintergrund wendet die Kammer die Verjährungsregelungen wie die drei der vier New Yorker Appelationsgerichte an (vgl. hierzu auch: BGH, Urteil vom 03.05.1994 - VI ZR 278/93, NJW 1994, 1792, beck-online zur Maßgeblichkeit der Auslegung der Gerichte der anderen Rechtsordnung) mit der Folge, dass die letzten drei Raten von jeweils ... US-Dollar bei Klageerhebung noch nicht verjährt waren. Die weiteren Raten sind verjährt, was von der Klägerin zuletzt auch nicht mehr in Abrede gestellt wurde. Insbesondere kommt es für die Frage der Verjährung nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen K im Recht des Staates New York im hiesigen Fall im Ergebnis nicht darauf an, ob die Beklagten das Geld zweckentfremdet haben.

[21]Vor diesem Hintergrund steht der Klägerin gegen die Beklagten als Gesamtschuldner ein Anspruch auf Zahlung von ... US-Dollar zu. Der Anspruch ist ab Rechtshängigkeit, mithin ab dem 07.02.2021 zu verzinsen, §§ 288, 291 BGB.

[22]7. ...

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