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Verfahrensgang

KG, Beschl. vom 24.06.2024 – 12 SchH 6/23
BGH, Beschl. vom 09.01.2025 – I ZB 48/24, IPRspr 2025-3

Rechtsgebiete

Schiedsgerichtsbarkeit

Leitsatz

Die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung bestimmt sich nach dem auf die Schiedsvereinbarung anzuwendenden Recht. In einem Fall mit Auslandsberührung ist das Schiedsvereinbarungsstatut in analoger Anwendung von Art. V Abs. 1 Buchst. a UNÜ zu ermitteln.

Die isolierte Beurteilung der Schiedsvereinbarung im Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO führt nicht dazu, dass eine etwaige Rechtswahlklausel überhaupt keiner (schieds-​)gerichtlichen Kontrolle unterliegt. [LS der Redaktion]

Rechtsnormen

BGB §§ 305 ff.
UNÜ Art. V
ZPO § 1032; ZPO § 1059

Sachverhalt

Die Antragstellerin verpflichtete sich in einem zwischen den Parteien geschlossenen VOB-​Vertrag vom 7./9. September 2020, für ein in den Niederlanden zu errichtendes Car Port Solarkraftwerk verschiedene Werkleistungen zu erbringen. Der Vertrag sieht eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts und eine Schiedsklausel nach der Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) vor. Mit einer Schiedsklage vom 4. Juli 2022 macht die Antragstellerin Werklohnansprüche in Höhe von ... € gegenüber der Antragsgegnerin geltend, die mit Klageerwiderung und Widerklage die Ansprüche zurückweist und widerklagend Mängel-​, Verzugs- und Vertragsstrafenansprüche im Wert von bis zu ... € geltend macht. Ein Schiedsgericht hat sich noch nicht konstituiert. Die Parteien haben zunächst ohne Ergebnis in einem Mediationsverfahren über die gegenseitigen Ansprüche verhandelt.

Die Antragstellerin hat beim Kammergericht im Oktober 2023 einen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens gestellt. Das Kammergericht hat den Antrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin, deren Zurückweisung die Antragsgegnerin beantragt.

Aus den Entscheidungsgründen:

[9] II. Das Kammergericht hat den Antrag für zulässig, aber unbegründet gehalten und dazu im Wesentlichen ausgeführt:

[10] ... [11] III. [12] 1. ... [13] a) ... [15] b) ... [16] aa) ... [17] bb) ... [18] 2. Der Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO ist jedoch unbegründet. Die zwischen den Parteien im Vertrag vom 7./9. September 2020 vereinbarte Schiedsklausel ist wirksam.

[19] a) Im Rahmen eines Antrags nach § 1032 Abs. 2 ZPO prüft das Gericht, ob eine wirksame Schiedsvereinbarung besteht, diese durchführbar ist und der Gegenstand des Schiedsverfahrens der Schiedsvereinbarung unterfällt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juli 2012 - III ZB 66/11, SchiedsVZ 2012, 281 [juris Rn. 4]; Beschluss vom 19. September 2019I ZB 4/19, SchiedsVZ 2020, 50 [juris Rn. 11], jeweils mwN).

[20] b) Die Frage der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung bestimmt sich nach dem auf die Schiedsvereinbarung anzuwendenden Recht (Schiedsvereinbarungsstatut). In einem Fall mit Auslandsberührung, die sich im Streitfall aus dem Erfüllungsort in den Niederlanden ergibt, ist das Schiedsvereinbarungsstatut in analoger Anwendung von Art. V Abs. 1 Buchst. a des Übereinkommens vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (BGBl. II 1961 S. 122; UNÜ) zu ermitteln (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 2020I ZR 245/19 (IPRspr 2020-227), SchiedsVZ 2021, 97 [juris Rn. 51]). Danach unterliegt die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung vorrangig dem von den Parteien gewählten Recht und hilfsweise dem Recht des Landes, in dem der Schiedsspruch ergangen ist oder - bei analoger Anwendung von Art. V Abs. 1 Buchst. a UNÜ im Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO - ergehen wird (zum Einredeverfahren nach § 1032 Abs. 1 ZPO vgl. BGH, SchiedsVZ 2021, 97 [juris Rn. 52]).

[21] Danach ist auf die Schiedsvereinbarung deutsches Recht anwendbar. Die Parteien haben für die Schiedsvereinbarung allerdings keine ausdrückliche Rechtswahl getroffen. Die Wahl deutschen Rechts in Ziffer 28.1 des Vertrags bezieht sich in Verbindung mit der Formulierung in Ziffer 28.3 (v) ausdrücklich (nur) auf das "in der Sache" anwendbare Recht. Die Anwendung deutschen Rechts - einschließlich der Vorschriften der §§ 305 bis 310 BGB - folgt nach Art. V Abs. 1 Buchst. a UNÜ analog jedoch aus dem Schiedsort in Deutschland gemäß Ziffer 28.3 (iii) des Vertrags.

[22] c) ... [24] d) ... [25] e) ... [26] aa) ... [27] bb) ... [28] cc) ... [29] f) ... [30] aa) ... [31] bb) ... [32] cc) ... [33] (1) ... [34] (2) ... [35] dd) ... [36] (1) ... [37] (2) ... [39] g) ... [41] h) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde führt die isolierte Beurteilung der Schiedsvereinbarung in Ziffer 28.3 (i) im Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO auch nicht dazu, dass die von der Antragstellerin beanstandete Rechtswahlklausel in Ziffer 28.3 (v) überhaupt keiner (schieds-​)gerichtlichen Kontrolle unterliegt.

[42] Im Schiedsverfahren ist es Sache des Schiedsgerichts, die Rechtswahl in Ziffer 28.1 in Verbindung mit Ziffer 28.3 (v) des Vertrags einer rechtlichen Überprüfung zu unterziehen. Im Rahmen eines Vollstreckbarerklärungs- oder Aufhebungsverfahrens käme der Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO in Betracht, wenn die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führte, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspräche. Unabhängig davon, ob die AGB-​Vorschriften zum deutschen ordre public zählen, kann die Anerkennung oder Vollstreckung eines Schiedsspruchs - aufgrund der Nichtanwendung der AGB-​Vorschriften im schiedsgerichtlichen Verfahren - zu einem Ergebnis führen, das gegen den ordre public verstößt, wenn zum Beispiel das Schiedsgericht eine vertragliche Regelung für wirksam hält, deren Zustandekommen sich nicht mehr als Ausdruck vertraglicher Selbstbestimmung begreifen lässt, oder eine vertragliche Regelung zu schlechthin nicht mehr tragbaren Vertragsfolgen führt (vgl. Pfeiffer, NJW 2012, 1169, 1173; vgl. auch Hahnefeld/Wittinghofer, SchiedsVZ 2005, 217, 223 mit Fn. 47 unter Verweis auf Schlosser, BB 1992, Beilage 15 zu Heft 28, 24; Schlosser in Stein/Jonas aaO § 1029 Rn. 46).

[43] ...

Fundstellen

Volltext

Link, openJur
Link, BGH (bundesgericht.de)
Link, BMJ (rechtsprechung-im-internet.de

nur Leitsatz

BB, 2025, 321
LMK, 2025, 807219
ZIP, 2025, 1203, mit Anm. Reiss

LS und Gründe

MDR, 2025, 469
NJW, 2025, 896
RIW, 2025, 158
WM, 2025, 720
ZVertriebsR, 2025, 187, mit Anm. Korte

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2025-3

Lizenz

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