PDF-Version

Verfahrensgang

AG Celle, vom 24.05.2024 – 50 F 5014/22 AD, IPRspr 2024-96

Rechtsgebiete

Anerkennung und Vollstreckung → Ehe- und Kindschaftssachen
Kindschaftsrecht → Adoption
Allgemeine Lehren → Ordre public

Leitsatz

Ein Adoptionsverfahren ist in dem Moment eingeleitet, in dem die zuständige Behörde erstmals mit dem Vorgang befasst ist.

Die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung ist gem. § 109 FamFG ausgeschlossen, wenn die Anerkennung der Entscheidung zu einem Ergebnis führt, dass mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist.

Eine ausländische Adoptionsentscheidung verstößt gegen den deutschen ordre public, wenn im Rahmen des Adoptionsverfahrens das Kindeswohl gar nicht oder nur unzureichend berücksichtigt worden ist. Das ist dann der Fall, wenn das ausländische Adoptionsstatut eine Prüfung des Kindeswohls nicht vorsieht, sich in der Entscheidung keine Hinweise auf eine Auseinandersetzung mit dem Kindeswohl finden oder in der Begründung lediglich formelhaft auf die Kindeswohldienlichkeit der Adoption für das Kind hingewiesen wird.

Das Adoptionsgericht muss eine umfassende Kindeswohlprüfung vornehmen. Dabei ist zwischen den Vorteilen abzuwägen, die sich für die weitere Entwicklung des Kindes im Fall der Adoption voraussichtlich ergeben, und den Nachteilen, die absehbar dadurch entstehen werden. Diese Abwägung muss dazu führen, dass die Adoption zu einer nachhaltigen Verbesserung der persönlichen Verhältnisse und der Rechtsstellung des Kindes führt. [LS der Redaktion]

Rechtsnormen

26/2003 Child'sRightA (Nigeria) s. 131; 26/2003 Child'sRightA (Nigeria) s. 133
AdVermiG § 2a
AdWirkG § 1; AdWirkG § 2; AdWirkG § 4; AdWirkG § 5; AdWirkG § 9
BGB § 1741
EGBGB Art. 6
FamFG § 108; FamFG § 109
GG Art. 1; GG Art. 2

Sachverhalt

Der Antragsteller ist deutscher Staatsangehöriger und als selbstständiger Steuerberater in Deutschland berufstätig. Die Antragstellen trägt vor, sie sei nigerianische und spanische Staatsangehörige. Die Antragsteller sind seit dem 26.01.2019 Eheleute. Sie haben seit dem 01.08.2019 ihren Wohnsitz unter der Adresse ... Am 11.11.2021 wurde durch das Familiengericht in Abuja die Adoption der Betroffenen durch die Antragstellerin ausgesprochen. Am 12.11.2021 gab die Antragstellerin eine eidesstattliche Erklärung ab, in der sie erklärte, die biologische Mutter der Betroffenen zu sein. Am 28.01.2022 gab die Antragstellerin eine eidesstattliche Versicherung ab, in der sie erklärte, die Adoptivmutter der Antragstellerin zu sein. Nach dem Ausspruch der Adoption durch das Familiengericht Abuja nahm die Antragstellerin die Betroffene in Obhut und lebt seither mit ihr Nigeria.

Die Antragsteller begehren die Anerkennung der durch das Familiengericht in Abuja, Wuse Zone II, Bundesrepublik Nigeria, am 11.11.2021 ausgesprochenen Adoption der Betroffenen durch die Antragstellerin.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]B.

[2]I.

[3]Die Beurteilung der Anerkennung der Adoptionsentscheidung des Familiengerichts Abuja vom 11.11.2021 richtet sich nach § 108 Abs. 1, Abs. 2 [FamFG], §§ 2,4 und 5 AdWirkG in der nach dem 01.04.2021 geltenden Fassung.

[4]Gemäß § 9 AdWirkG sind auf die Anerkennung ausländischer Entscheidungen, die in Verfahren ergangen sind, die vor dem 01.04.2021 eingeleitet worden sind, die Vorschriften des Adoptionswirkungsgesetzes und des § 108 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in ihrer bis dahin geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.

[5]Es kann vorliegend jedoch nicht festgestellt werden, dass das vor dem Familiengericht Abuja geführte Adoptionsverfahren vor dem 01.04.2021 eingeleitet worden ist.

[6]Ein Adoptionsverfahren ist in dem Moment eingeleitet, in dem die zuständige Behörde erstmals mit dem Vorgang befasst ist (BT-​Drs. 19/16718).

[7]Die Antragstellerin hat zwar behauptet, sie hätten bis zum 01.02.2021 einen offiziellen Adoptionsantrag ausgefüllt, der ihnen vom The Channels Children Center zugesandt worden sei. Dabei kann es sich jedoch zweifellos nicht um einem Adoptionsantrag gehandelt haben, der zu der Adoptionsentscheidung des Familiengerichts Abuja vom 11.11.2021 führte und sich auf die Betroffene dieses Verfahrens bezog. Vor dem 01.02.2021 war die Betroffene nämlich noch nicht geboren. Nach den vorgelegten Unterlagen wurde die Betroffene am ....2021 bzw. ...2021 geboren. Dafür, dass die Antragsteller um die Betroffene bereits wussten, als sie sich noch im Zustand des nasciturus befand, und die Antragsteller vor der Geburt der Betroffenen bereits einen Adoptionsantrag stellten, liegen keine Anhaltspunkte vor.

[8]Im Übrigen bestehen Zweifel daran, dass das The Channels Children Center zuständige Behörde für die Durchführung des Adoptionsverfahrens war.

[9]Nach der Darstellung des Antragstellers wurde der Adoptionsantrag bei dem nigerianischen Gericht am erst am 07.07.2021 eingereicht. Die Antragsteller verweisen insofern auf den Request for Adoption/Fostering in FCT vom 07.07.2021 (Bl. 71 d. A.) und auf den auf diesem Dokument befindlichen Eingangsstempel vom 07.07.2021. Insofern ist allerdings festzustellen, dass es sich dabei nicht um einen gerichtlichen Eingangsstempel handelt, sondern um den Eingangsstempel des Office of ... Secretary Social Development, jedenfalls jene Institution, die als Antragsgegnerin Verfahrensbeteiligte in dem vor dem Familiengericht Abuja geführten Adoptionsverfahren war. Wenn man auf die Einreichung des Antrags auf Adoption vom 07.07.2021 abstellt, so erfolgte dieser jedenfalls nach dem 01.04.2021.

[10]II.

[11]Gemäß § 108 Absatz 1 FamFG werden, abgesehen von Entscheidungen in Ehesachen sowie von Entscheidungen nach [§] 1 Abs. 2 AdWirkG ausländische Entscheidungen anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. Für die Anerkennung oder Nichtanerkennung einer Annahme als Kind gelten gemäß § 108 Abs. 2 Satz 3 FamFG die Bestimmungen des AdWirkG, wenn der Angenommene zur Zeit der Annahme das 18. Lebensjahr nicht vollendet hatte. Das war vorliegend der Fall. Die Betroffene war zum Zeitpunkt des Ausspruchs der verfahrensgegenständlichen Annahme als Kind sieben Monate alt.

[12]Die Anerkennung der Adoptionsentscheidung des Familiengerichts Abuja vom 11.11.2021 richtet sich vorliegend nach der Regelung des § 4 AdWirkG. Danach wird eine ausländische Adoptionsentscheidung im Sinne des § 1 Abs. 2 AdWirkG nicht anerkannt, wenn die Adoption ohne eine internationale Adoptionsvermittlung gemäß § 2a Abs. 2 des Adoptionsvermittlungsgesetzes vorgenommen worden ist.

[13]Nach der letztgenannten Vorschrift hat in den Fällen des § 2a Abs. 1 Satz 1 und 2 des Adoptionsvermittlungsgesetzes eine Vermittlung durch die Adoptionsvermittlungsstelle gemäß § 2a Abs. 4 Adoptionsvermittlungsgesetz stattzufinden. Gemäß § 2a Abs. 1 Satz 1 Adoptionsvermittlungsgesetz ist ein internationales Adoptionsverfahren ein Adoptionsverfahren, bei dem ein Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland ins Inland gebracht worden ist, gebracht wird oder gebracht werden soll, entweder nach seiner Adoption im Heimatstaat durch Annehmende mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland oder im Hinblick auf eine Adoption im Inland oder im Heimatstaat.

[14]Vorliegend handelt es sich um ein internationales Adoptionsverfahren im Sinne der vorgenannten Vorschriften. Die Betroffene hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Nigeria. Sie wurde dort am ....2021/...2021 geboren. Vor der Adoption lebte sie im Waisenhaus in Abuja und seither bei der Antragstellerin in Nigeria.

[15]Die Betroffene soll nach den Vorstellungen der Antragsteller von Nigeria nach Deutschland gebracht werden.

[16]Für die verfahrensgegenständliche Adoption, die durch das Familiengericht Abuja am 11.11.2021 ausgesprochen wurde, hätte daher eine Vermittlung durch eine Adoptionsvermittlungsstelle stattfinden müssen ...

[17]Die verfahrensgegenständliche Adoption wurde nicht unter Einschaltung einer anerkannten Adoptionsvermittlungsstelle begleitet/vermittelt. Die Adoption wurde nach dem Vorbringen der Antragsteller weder durch die Gemeinsame Zentrale Adoptionsstelle in Hamburg noch durch die Adoptionsvermittlungsstelle der Landeshauptstadt Hannover oder durch eine andere zugelassene Adoptionsvermittlungsstelle/Auslandsvermittlungsstelle vorbereitet oder begleitet.

[18]III.

[19]Die Anerkennung der durch das Familiengericht Abuja am 11.11.2021 ausgesprochen Annahme der Betroffenen durch die Antragstellerin ist gemäß § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG ausgeschlossen. Danach ist die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung ausgeschlossen, wenn die Anerkennung der Entscheidung zu einem Ergebnis führt, dass mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist. Ein die Anerkennung hindernder Verstoß gegen den ordre public kann sich sowohl aus dem materiellen Ergebnis der ausländischen Entscheidung (materiell-​rechtlicher ordre public) als aus dem zugrunde liegenden ausländischen Verfahren (verfahrensrechtlicher ordre public) ergeben. Nach der Rechtsprechung des BGH ist beim materiell-​rechtlichen ordre public für die Frage der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung regelmäßig nicht auf den kollisionsrechtlichen ordre public nach Art. 6 EGBGB abzustellen, den die deutschen Gerichte bei Anwendung ausländischen Rechts zu beachten haben, sondern auf den großzügigeren anerkennungsrechtlichen ordre public. Mit diesem ist eine ausländische Entscheidung nicht schon dann unvereinbar, wenn der deutsche Richter - hätte er das Verfahren entschieden - aufgrund zwingenden deutschen Rechts zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Maßgeblich ist beim anerkennungsrechtlichen ordre public vielmehr, ob das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts im konkreten Fall zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und dem in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass es nach deutscher Vorstellung untragbar erscheint (BGH, FamRZ 2020, 1481 (IPRspr 2020-103)). Eine derartige Ausnahme besteht bei der Nichtberücksichtigung des Kindeswohls. Eine ausländische Adoptionsentscheidung verstößt gegen den deutschen ordre public, wenn im Rahmen des Adoptionsverfahrens das Kindeswohl gar nicht oder nur unzureichend berücksichtigt worden ist. Das ist dann der Fall, wenn das ausländische Adoptionsstatut eine Prüfung des Kindeswohls nicht vorsieht, sich in der Entscheidung keine Hinweise auf eine Auseinandersetzung mit dem Kindeswohl finden oder in der Begründung lediglich formelhaft auf die Kindeswohldienlichkeit der Adoption für das Kind hingewiesen wird.

[20]Der wesentliche Grundsatz des deutschen Adoptionsrechts ist, dass eine Adoption dem Wohl des anzunehmenden Kindes dienen muss. Dies folgt aus der Vorschrift des § 1741 BGB, die diesen Grundsatz als erstes Tatbestandsmerkmal für die Kindesannahme herausstellt. Das Gesetz trägt damit dem aus Art. 1 und Art. 2 GG folgenden Grundrecht des Kindes auf freie und möglichst ungestörte Entfaltung seiner Persönlichkeit Rechnung.

[21]Daraus folgt, dass das Gericht, das über den Adoptionsantrag zu entscheiden hat, eine umfassende Kindeswohlprüfung vorzunehmen hat. Dabei ist zwischen den Vorteilen abzuwägen, die sich für die weitere Entwicklung des Kindes im Fall der Adoption voraussichtlich ergeben und den Nachteilen, die absehbar dadurch entstehen werden. Diese Abwägung muss dazu führen, dass die Adoption zu einer nachhaltigen Verbesserung der persönlichen Verhältnisse und der Rechtsstellung des Kindes führt. Für die Anerkennungsfähigkeit einer ausländischen Adoptionsentscheidung ist es zwingend erforderlich, dass diese sich mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine konkrete Adoption dem Kindeswohl entspricht, ob also ein Adoptionsbedürfnis vorliegt, die Elterneignung der Annehmenden gegeben ist und eine Eltern-​Kind-​Beziehung bereits entstanden bzw. ihre Entstehung zu erwarten ist.

[22]1. Vorliegend kann nicht festgestellt werden, dass der Adoptionsentscheidung des Familiengerichts Abuja eine Kindeswohlprüfung vorausgegangen ist, die diesen Erfordernissen auch nur annähernd gerecht wird.

[23]Die Prüfung der Antragstellerin durch die nigerianischen Behörden ist insofern defizitär, als diese nicht im Vorfeld eines Adoptionsverfahrens erfolgte, sondern erst, als die Betroffene den Antragstellern durch das Kinderheim bereits vorgestellt worden war, die Antragsteller des Kind regelmäßig besuchten und der Antrag auf Adoption bereits gestellt worden war.

[24]Ausreichende Feststellungen zu der Kindeswohlprüfung, die durch das Social Development Sekretariat geführt wurde, können nicht getroffen werden.

[25]Nach der Darstellung des Antragstellers im Rahmen der richterlichen Anhörung vom 06.12.2022 und der schriftlichen Darstellung der Antragstellerin im Schreiben vom 08.12.2022 verhielt es sich so, dass im September 2021 vier Personen bei den Antragstellern waren, die sich deren Haus angesehen haben, das sie in Nigeria haben. Zudem sollen regelmäßige Besuche in der Wohnung der Antragstellerin stattgefunden haben, um die Eignung und den Komfort des Hauses der Antragsteller, den familiären Hintergrund und die Vorgeschichte der Antragstellerin zu ermitteln und festzustellen. Dabei bleibt ungeklärt bleibt, wieviele Besuche tatsächlich stattfanden und welchen Inhalt die Gespräche hatten. Auch sei es nach der Darstellung der Antragsteller darum gegangen, die Einkommenssituation der Antragsteller zu klären.

[26]Nach der Darstellung des Antragstellers sei die Betroffene allerdings nicht bei den Antragstellern gewesen, als der Besuch der vier Personen erfolgte. Eine Beobachtung und Bewertung der Interaktion zwischen der Betroffenen und der Antragstellerin erfolgte daher nicht. Ob und welche Unterlagen von den Antragstellern - mit Ausnahme der Personenstandsurkunden - bei den nigerianischen Behörden vorgelegt wurden, bleibt unklar ...

[27]Die familiäre Situation der Antragstellerin, ihre Wohnsituation und ihre soziale Eingebundenheit in Deutschland war mangels Einschaltung einer deutschen Adoptionsvermittlungsstelle nicht im Blick und wurde weder betrachtet noch bewertet. Dies geschah, obwohl den nigerianischen Behörden aufgrund der Angaben in dem Request of Adoption/Fostering in FCT bekannt war, dass die offizielle Adresse der Annehmenden in Deutschland ist.

[28]Dafür, dass die Kindeswohlprüfung in Nigeria defizitär geführt wurde, spricht zudem der zeitliche Ablauf. Nach der Darstellung des Antragstellers wurde der Antrag auf Adoption am 07.07.2021 gestellt. Am 11.11.2021 wurde bereits die Adoption ausgesprochen, also nach nur vier Monaten Verfahrensdauer.

[29]Die Prüfung durch das Social Development Department dauerte nach der Darstellung der Antragstellerin lediglich drei Wochen. Gemäß Art. 131 Absatz 1e des nigerianischen child Act von 2003 ist jedoch eine "Bonding - Periode" vorgeschrieben. Danach muss das zu adoptierende Kind mindestens in drei aufeinanderfolgenden Monaten von den Antragstellern versorgt werden, bevor ein Adoptionsbeschluss erfolgen kann. Diese Vorschrift blieb ersichtlich unbeachtet.

[30]Es kann auch nicht festgestellt werden, dass das Familiengericht Abuja die gebotene Kindeswohlprüfung vorgenommen hat.

[31]Nach nigerianischen Recht setzt eine Adoption voraus, dass diese dem Kindeswohl dient (Art. 133 (c) Child Act 2003). In der Entscheidung des Familiengerichts Abuja vom 11.11.2021 sind keine Ausführungen enthaltenen, die eine Auseinandersetzung mit dem Kindeswohl erkennen lassen. Die Entscheidung enthält keine Feststellungen - nicht einmal formelhaft - dazu, dass die Adoption der Betroffenen durch die Antragstellerin dem Wohl der Betroffenen dient. Es heißt darin lediglich, dass sich das Gericht vergewissert habe, dass die Antragstellerin nicht disqualifiziert oder behindert sei (that the applicant suffer no disqualification or disability). Die Entscheidung enthält damit keine positiven Feststellungen, sondern lediglich Ausführungen in Gestalt eines nihil obstat. Die Ausführungen lassen sowohl gemessen an den nigerianischen Adoptionsvoraussetzungen als auch an den deutschen Kriterien, die für eine Adoption erforderlich sind, nur einen rudimentären Prüfungsumfang erkennen.

[32]Eine weitere Unzulänglichkeit besteht darin, dass durch die Adoptionsentscheidung des Familiengerichts Abuja nur die Adoption der Betroffenen durch die Antragstellerin ausgesprochen und der Antragsteller als Ehemann der Antragstellerin außen vorgelassen wurde und damit eine unvollkommene rechtliche Familieneinbindung in die Familie ... erfolgte.

[33]2. Darüber hinaus bestehen Zweifel, dass die Rechte der leiblichen Eltern der Betroffenen gewahrt wurden.

[34]Zu den wesentlichen Grundsätzen deutschen Rechts gehört es, dass die Rechte der leiblichen Eltern gewahrt werden müssen. Die leiblichen Eltern müssen grundsätzlich ihre Einwilligung zu einer Adoption ihres Kindes erteilen. Davon kann nur in bestimmten Ausnahmefällen abgesehen werden.

[35]Die Antragsteller haben zwar eine eidesstattliche Versicherung der Frau ... vom 05.10.2021 vorgelegt, in der diese erklärte, die biologische Mutter eines am ....2021 geborenen Kindes zu sein, dieses zur Adoption freigebe und auf alle ihre Rechte an dem Kind verzichte.

[36]Es bestehen jedoch Zweifel, dass es sich bei der Erklärenden um die leibliche Mutter der Betroffenen handelt. Nach der Darstellung der Antragstellerin habe diese am 06.04.2021 vom The Channels Children Center erfahren, dass ein gerade einen Monat altes Kind zur Adoption freigegeben worden sei. Die eidesstattliche Versicherung, durch die die Freigabe erklärt wurde, datiert allerdings vom 05.10.2021, erfolgte also erst ca. sechs Monate später.

[37]Gegenüber dem Sozialarbeiter der Organisation Save the Children initiative (STCI) erklärte die Antragstellerin schließlich noch, dass die leiblichen Eltern der Betroffenen unbekannt seien.

[38]Eine weitere Aufklärung zur Identität der leiblichen Mutter der Betroffenen, insbesondere zu den im Schreiben der Gemeinsamen Zentralen Adoptionsstelle vom 15.01.2024 unter 3.a. aufgeführten Fragen war nicht möglich.

[39]Zudem ist in diesem Zusammenhang auffällig, dass vor der Adoption keine Geburtsurkunde für die Betroffene ausgestellt wurde, die die biologische Mutter der Antragstellerin als Mutter ausweist. Selbst wenn es in Nigeria erforderlich sein sollte, dass zur Erstellung einer Geburtsurkunde zwingend auch ein Vater benannt werden muss, ein Umstand, der dem Gericht auch aus anderen, insbesondere osteuropäischen und asiatischen Ländern bekannt ist, so hindert dieser nicht, die Ausstellung einer Geburtsurkunde zu erreichen, da erfahrungsgemäß entweder Personen aus der Familie, zum Beispiel Großvater oder eine fiktive Person angegeben werden.

[40]Unerklärlich bleibt dem Gericht, wie es den Antragstellern möglich war, die am 08.11.2021 ausgestellte Geburtsurkunde für die Betroffene zu erhalten, in der die Antragsteller als Mutter und Vater der Betroffenen aufgeführt sind, obwohl zu jenem Zeitpunkt die Adoption noch nicht ausgesprochen worden war, somit zumindest eine inhaltlich falsche Urkunde ausgestellt wurde. Der Umstand, dass die Antragsteller von dieser Urkunde bei Einleitung des vorliegenden Verfahrens Gebrauch machten, sei an dieser Stelle nicht einmal abschließend bewertet.

[41]IV.

[42]Die Voraussetzungen für eine Anerkennung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AdWirkG liegen nicht vor. Abweichend von der Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 1 AdWirkG kann eine Anerkennung nach § 2 AdWirkG nur erfolgen, wenn zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-​Kind-​Verhältnis entsteht und die Annahme für das Wohl des Kindes erforderlich ist. Diese Vorschrift entspricht den Kriterien des § 1741 Abs. 1 Satz 2 BGB. Danach muss die Annahme als Kind zum Wohl des Anzunehmenden erforderlich sein. Die Annahme muss insgesamt oder im Hinblick einzelner Umstände die deutlich bessere Lösung darstellen, um eine sonst eintretende Gefährdung des Kindeswohls abzuwenden (Münchener Kommentar-​Maurer, BGB, 8. Aufl., § 1741 BGB Rz. 138). Das ist vorliegend nicht der Fall.

[43]Mit einem Wechsel der Betroffenen und der Antragstellerin nach Deutschland ist im Vergleich zu deren Lebenssituation in Nigeria keine erhebliche Verbesserung der Lebensbedingungen der Betroffenen verbunden. Er ist auch nicht vorzunehmen, um eine sonst eintretende Gefährdung des Kindeswohls abzuwenden.

[44]1. Die Betroffene und die Antragstellerin haben aufgrund des seit Herbst 2021 erfolgten Zusammenlebens sicher eine Mutter-​Tochter/Tochter-​Mutter-​Beziehung zueinander aufgebaut. Die Betroffene lebt bei der Antragstellerin in Nigeria in einer konsolidierten Wohnsituation. Beide leben in einem gesicherten Wohnbereich. Nach den Angaben der Antragstellerin liegt das Haus, in dem sie wohnen, in einer eingezäunten Nachbarschaft. Jedes der Häuser ist seinerseits eingezäunt. Nach der Einschätzung des Gerichts also ein ausreichend gesicherter Bereich.

[45]Die Wohnsituation ist unter Berücksichtigung afrikanischer Verhältnisse zumindest der gehobenen Mittelklasse zuzuordnen ...

[46]Wenn die Betroffene jetzt nach Deutschland käme, würde sie in ein ihr fremdes, gänzlich anderes Umfeld kommen.

[47]2. Die Betreuungssituation der Betroffenen in Nigeria ist gesichert und wohlbehütet.

[48]Die Situation ist komfortabler, als sie in Deutschland zu erreichen wäre ...

[49]3. Die Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebräuche in Nigeria sind der Betroffenen bekannt und geläufig. Sie lebt dort seit ihrer Geburt und hat nach dem Ergebnis der Anhörung vom 25.03.2024 in ihrem sozialen Umfeld auch bereits außerhäusliche Kontakte aufgebaut und, wenn auch eingeschränkt, erste Erfahrungen gesammelt.

[50]Wenn die Betroffene und die Antragstellerin nach Deutschland kommen und hier leben würden, würde die Betroffene in ein ihr fremdes Land kommen ...

[51]4. Ein Wechsel nach Deutschland stellt das Familiensystem ... vor große Herausforderungen. Die Gemeinsame Zentrale Adoptionsstelle weist in ihrer Stellungnahme vom 15.01.2024 zutreffend darauf hin, dass sich die Beziehungsdynamiken und Rollenverteilungen der Eheleute aufgrund der erstmaligen gemeinsamen Versorgung eines Kleinkindes stark verändern würden, zumal die Antragsteller in einer Zweizimmerwohnung zunächst in beengten Verhältnissen leben würden ...

[52]5. ... 6 ... 7 ... 8. Es ist besteht schließlich auch unter dem Gesichtspunkt eines Auslandsadoptionsbedürfnisses kein Grund für eine Anerkennung der durch das Familiengericht in Abuja ausgesprochenen Adoption der Betroffenen durch die Antragstellerin. Ohne eine Anerkennung bleibt es bei der Adoption nach nigerianischen Recht. Dem Wohl des Kindes ist grundsätzlich am besten gedient, wenn es in seinem gewohnten geographischen und kulturellen Umfeld aufwachsen kann. Das ist der Fall, wenn die Betroffene mit der Antragstellerin weiterhin in Nigeria lebt.

[53]V.

[54]Der Antrag des Antragstellers ist zurückzuweisen.

[55]Er ist nicht antragsbefugt gemäß § 5 Abs. 1 AdWirkG. Er gehört nicht zu dem in der vorgenannten Vorschrift bezeichneten Personenkreis.

[56]VI. ...

Fundstellen

LS und Gründe

Juris-Permalink, 2024, https://www.juris.de/perma?d=NJRE001576698

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2024-96

Lizenz

Copyright (c) 2024 Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht
Creative-Commons-Lizenz Dieses Werk steht unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.
<% if Mpi.live? %> <% end %>