In Anweisungsfällen bestimmt sich das Bereicherungsrecht, das auf den Direktkondiktionsanspruch des Angewiesenen gegen den Zuwendungsempfänger anzuwenden ist, nach Art. 10 Abs. 2 sowie hilfsweise Abs. 3 Rom II-VO. [LS von der Redaktion neu gefasst]
Der Kläger, der seinen Wohnsitz in U./S. hat, nimmt die Beklagte auf (Rück-)Übertragung von Bitcoins sowie hilfsweise auf Wertersatz für diese Bitcoins in Anspruch.
[1]Auf den zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht erhobenen Einspruch des Klägers vom 14.09.2023 hin ist gem. § 343 Satz 1 ZPO auszusprechen, dass das klagabweisende Versäumnisurteil vom 29.08.2023 aufrechterhalten bleibt. Die Klage bleibt ohne Erfolg, denn sie ist hinsichtlich des Hauptantrags unbegründet (hierzu unter I.), während der Hilfsantrag bereits unzulässig ist (hierzu unter II.).
[2]I. Der auf Übertragung von 13,55708611 Bitcoins gerichtete Hauptantrag ist zulässig, aber in der Sache nicht begründet.
[3]1. ... 2. Der Hauptantrag ist indes unbegründet, weil dem Kläger kein Anspruch gegen die Beklagte auf Übertragung von 13,55708611 Bitcoins zusteht. Da zwischen den Parteien - unstreitig - keine vertraglichen oder quasivertraglichen Beziehungen bestehen, könnte sich ein entsprechender Anspruch nur aus Bereicherungsrecht ergeben. Indes liegen die Voraussetzungen eines Bereicherungsausgleichs im Verhältnis zwischen den Parteien nicht vor. Im Einzelnen:
[4]a) Etwaige Bereicherungsansprüche des Klägers gegen die Beklagten aufgrund des Transfers von insgesamt 13,55708611 Bitcoins am 04.09.2018 unterliegen gem. Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II-VO“) deutschem Recht.
[5]Nach Art. 10 Abs. 1 Rom II-VO gilt zunächst, dass dann, wenn ein außervertragliches Schuldverhältnis aus ungerechtfertigter Bereicherung, einschließlich von Zahlungen auf eine nicht bestehende Schuld, an ein zwischen den Parteien bestehendes Rechtsverhältnis - wie einen Vertrag oder eine unerlaubte Handlung - anknüpft, das eine enge Verbindung mit dieser ungerechtfertigten Bereicherung aufweist, das Recht anzuwenden ist, dem dieses Rechtsverhältnis unterliegt. Nach Art. 10 Abs. 2 Rom II-VO ist, wenn das anzuwendende Recht nicht nach Absatz 1 bestimmt werden kann und die Parteien zum Zeitpunkt des Eintritts des Ereignisses, das die ungerechtfertigte Bereicherung zur Folge hat, ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat haben, das Recht dieses Staates anzuwenden. Kann das anzuwendende Recht nicht nach den Absätzen 1 oder 2 bestimmt werden, so ist gem. Art. 10 Abs. 3 Rom II-VO das Recht des Staates anzuwenden, in dem die ungerechtfertigte Bereicherung eingetreten ist.
[6]Im vorliegenden Fall bestimmt sich das anzuwendende Recht auf dieser sog. Anknüpfungsleiter nach der dritten Stufe, d.h. nach Art. 10 Abs. 3 Rom II-VO, mit der Folge, dass deutsches Recht anzuwenden ist, weil die Bereicherung auf den Wallets der Beklagten mit Sitz in Hamburg/Deutschland eingetreten ist. Insbesondere ist das anzuwendende Recht nicht nach Absatz 1 zu bestimmen, weil die ungerechtfertigte Bereicherung nicht an ein zwischen den Parteien bestehendes Rechtsverhältnis anknüpft, das eine enge Verbindung mit dieser ungerechtfertigten Bereicherung aufweist.
[7]Zwar besteht einerseits ein vertragliches Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und Herrn M. bzw. der schweizerischen G. S. GmbH aufgrund der Beteiligung des Klägers an dem ICO des „G. S. Coin“. Auch besteht andererseits ein vertragliches Rechtsverhältnis zwischen der schweizerischen G. S. GmbH und der Beklagten aufgrund des „GMST Token Sale Advisory Service Agreement“ (Anlage B1). Das - vom Kläger geltend gemachte - außervertragliche Schuldverhältnis aus ungerechtfertigter Bereicherung weist aber keine enge Verbindung mit einem dieser Rechtsverhältnisse auf, weil der Kläger gerade keinen Bereicherungsausgleich entlang der vertraglichen Leistungsbeziehungen geltend macht, sondern (in deutscher Terminologie) einen Direktkondiktionsanspruch gegen die Beklagte. In Anweisungsfällen bestimmt sich das Bereicherungsrecht, das auf den Direktkondiktionsanspruch des Angewiesenen gegen den Zuwendungsempfänger anzuwenden ist, nach Art. 10 Abs. 2 sowie hilfsweise Abs. 3 Rom II-VO (MüKoBGB/Junker, 8. Aufl. 2021, Rom II-VO Art. 10 Rn. 26; BeckOGK/Schinkels, Stand: 1.8.2018, Rom II-VO Art. 10 Rn. 49 a.E.; Grüneberg/Thorn, 82. Aufl. 2023, Art. 10 Rom II-VO Rn. 9).
[8]Eine Bestimmung des anzuwendenden Bereicherungsrechts nach Art. 10 Abs. 2 Rom II-VO scheidet aus, weil die Parteien zum Zeitpunkt des Eintritts des Ereignisses, das die ungerechtfertigte Bereicherung zur Folge hat, d.h. am 04.09.2018, als der Kläger Bitcoins auf die Wallets der Beklagten transferierte, keinen gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat hatten. Der Kläger hatte (und hat) seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz, während die Beklagte in Deutschland sitzt.
[9]b) ...