Eine vorherige Zustimmung oder eine nachträgliche Genehmigung des Sorgeberechtigten zu einem Verbringen oder einem Zurückhalten des Kindes führen gemäß Art. 13 Abs. 1 lit. a HKÜ dazu, dass das Verbringen von vornherein nicht rechtswidrig war oder die ursprüngliche Widerrechtlichkeit beseitigt wird. Die Zustimmung kann auch konkludent erklärt werden; für ihr Vorliegen ist der objektive Empfängerhorizont maßgeblich.
Im Rahmen des Art. 13 Abs. 1 HKÜ gilt der Amtsermittlungsgrundsatz nach § 14 Nr. 2 IntFamRVG i. V. mit § 26 FamFG nicht.
Die Bindungswirkung von Elternvereinbarungen beurteilt sich nicht nach den Grundsätzen des allgemeinen Vertragsrechts, sondern allein nach den kindschaftlichen Maßstäben der §§ 1626 ff. BGB. Denn nur so kann den Besonderheiten elterlicher Abreden hinreichend Rechnung getragen werden.
Eine Elternvereinbarung kann nicht wirksam widerrufen werden, wenn ein Elternteil einem zeitlich begrenzten Auslandaufenthalt des Kindes (hier: in Japan) nur unter der Bedingung zugestimmt hat, dass das Kind nach Zeitablauf wieder an den früheren Aufenthaltsort (hier: Deutschland) zurückkehrt, und nun der andere Elternteil diese Vereinbarung nicht mehr gelten lassen will. [LS der Redaktion]
Die Mutter wendet sich gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 14.12.2023, mit dem ihr Antrag auf Rückführung des gemeinsamen Kindes X nach Japan zurückgewiesen worden ist.
[1]II.
[2]1.
[3]Die Beschwerde ist gemäß § 40 Abs. 2 S. 1 IntFamRVG statthaft. Sie ist auch im Übrigen nach den anwendbaren Vorschriften des FamFG zulässig, insbesondere ist sie gem. § 40 Abs. 2 S. 2 IntFamRVG fristgerecht eingelegt und begründet worden. […]
[4]2.
[5]In der Sache hat die Beschwerde jedoch keine Aussicht auf Erfolg.
[6]a) Ob der gewöhnliche Aufenthalt von X vor ihrer Ausreise im Juli 2023 in Japan lag, kann dahinstehen und muss nicht abschließend beantwortet werden.
[7]b) Denn X ist – wie das Amtsgericht zu Recht festgestellt hat – von dem Antragsgegner im Sommer 2023 nicht widerrechtlich nach Deutschland verbracht worden, Art. 3 HKiEntÜ.
[8]Das Amtsgericht ist dabei zutreffend davon ausgegangen, dass der Anordnung der Rückgabe eine Einwilligung der Mutter in die Ausreise von X entgegensteht.
[9]aa) Eine vorherige Zustimmung oder eine nachträgliche Genehmigung des Sorgeberechtigten zu einem Verbringen oder einem Zurückhalten des Kindes führen gemäß Art. 13 Abs. 1 lit. a HKiEntÜ dazu, dass das Verbringen von vornherein nicht rechtswidrig war oder die ursprüngliche Widerrechtlichkeit beseitigt wird (Bach/Gildenast, Internationale Kindesentführung, Rz. 116, 118). Eine Zustimmung in diesem Sinne kann auch konkludent erklärt werden; für ihr Vorliegen kommt es auf einen objektiven „Empfängerhorizont“ an (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 14.8.2006 –
[10]Der Nachweis der Zustimmung oder Genehmigung obliegt dabei gemäß Art. 13 Abs. 1 lit. a HKiEntÜ demjenigen, der sich der Rückgabe des Kindes widersetzt. Der Elternteil, der das Kind in ein anderes Land verbracht hat, trägt die Beweislast für die Erteilung einer Zustimmung durch den anderen Elternteil. Etwaige Zweifel gehen zu seinen Lasten. Im Rahmen des Art. 13 Abs. 1 HKiEntÜ gilt der Amtsermittlungsgrundsatz nach § 14 Nr. 2 IntFamRVG i. V. mit § 26 FamFG nicht (OLGR Hamburg 2009, 208; Hausmann, Internationales und Europäisches Familienrecht, U. Rz. 195; Erb-Klünemann, FamRB 2018, 327, 328).
[11]bb) Gemessen an diesen Grundsätzen ergibt sich eine solche Zustimmung aus der E-Mail der Mutter vom 4.8.2022.
[12](1) ... (2) ... (a) Der Senat teilt die Ansicht des Amtsgerichts, dass die Erklärung der Mutter vom 4.8.2022 eindeutig ist und die von der Mutter vorgetragene Zwangslage einer Wirksamkeit dieser Erklärung nicht entgegensteht. So kann die von der Mutter empfundene Drucksituation als wahr unterstellt werden, ohne dass dies geeignet wäre, die Aussagekraft ihrer Zustimmung zu relativieren. Denn der Vater ist unstreitig bereits Wochen zuvor mit seinem Anliegen an die Mutter herangetreten, ohne dass diese darauf reagierte. Daraus folgt, dass die Mutter den entstandenen Termindruck zumindest mitverursacht hat. Auch hätten der Mutter andere Möglichkeiten offengestanden, zunächst die streitigen Fragen zu klären, ohne die persönliche Erklärung abzugeben.
[13](b) Soweit die Mutter in diesem Zusammenhang auf § 138 BGB Bezug nimmt und vorsorglich die Anfechtung erklärt, ist bereits weder ein Anfechtungsgrund noch ein gegen die guten Sitten verstoßendes Rechtsgeschäft ersichtlich. Vor allem aber beurteilt sich die Bindungswirkung von Elternvereinbarungen nicht nach den Grundsätzen des allgemeinen Vertragsrechts, sondern allein nach den kindschaftlichen Maßstäben der §§ 1626 ff. BGB. Nur so kann den Besonderheiten elterlicher Abreden hinreichend Rechnung getragen werden, insbesondere dem Umstand, dass dadurch die Rechte des Kindes (mit-)gestaltet werden (vgl. Hammer, FamRZ 2005, 1209; BGH, Beschluss v. 14.10.1992 –
[14]Entgegen der Ansicht der Mutter ist daher eine etwaige ursprüngliche Elternvereinbarung durch eine neue ersetzt worden.
[15](c) Von dieser (neuen) Vereinbarung konnte die Mutter sich auch nicht einseitig lösen. Zwar folgt aus dem Wesen der elterlichen Autonomie sowie der Dynamik der Eltern-Kind-Beziehung, dass jeder Elternteil das Recht und sogar die Pflicht hat, seine Entscheidung zu überprüfen und gegebenenfalls neu zu treffen. Ob aus den Überlegungen zum Verhältnis von Flexibilität, Stabilität und Kontinuität folgt, dass ein Widerruf nur aus Gründen des Kindeswohls zuzulassen ist oder ob eine vorhandene, auf dem Konsens der Eltern beruhende Regelung so lange gültig bleiben muss, bis eine neue Regelung an ihre Stelle tritt, muss im vorliegenden Verfahren nicht entschieden werden. Eindeutig ist jedenfalls, dass sich die Zulassung eines freien Widerrufs, der der vorliegenden Elternvereinbarung jegliche Bindungswirkung abspricht, als unangemessen darstellt.
[16](d) Zur Begründung kann zunächst auf die sehr sorgfältige und ausführliche Begründung des Amtsgerichts Bezug genommen werden. Der Vater stimmte einer Ausreise des Kindes nach Japan im Sommer 2022 lediglich unter der Bedingung zu, dass eine Rückkehr nach Deutschland im Sommer 2023 vorgesehen ist und eine Verlängerung des Aufenthalts in Japan nur einvernehmlich erfolgen würde. Diese Zustimmung gab der Vater – was für die Mutter auch erkennbar war – daher in dem Willen ab, eine Klärung des Lebensmittelpunktes des Kindes ab Sommer 2023 notfalls – bei weiterhin bestehender elterlicher Uneinigkeit – in Deutschland herbeiführen zu können. Würde der Mutter nach Ankunft in Japan nun die Möglichkeit eingeräumt werden, sich von dieser Elternvereinbarung einseitig zu lösen, würde dies deren Grundlage in rechtsmissbräuchlicher Weise missachten.
[17]Zusammenfassend hat das Amtsgericht daher die Voraussetzungen für eine Rückführung nach Japan gemäß Art. 12 HKiEntÜ zutreffend verneint.
[18]3. ...