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Verfahrensgang

LG Mönchengladbach, Urt. vom 03.12.2021 – 8 O 8/20
OLG Düsseldorf, Urt. vom 25.08.2022 – 15 U 42/22
BGH, Urt. vom 23.01.2024 – I ZR 147/22, IPRspr 2024-3

Rechtsgebiete

Zuständigkeit → Sonstige besondere Gerichtsstände
Unlauterer Wettbewerb und Kartellrecht (ab 2020) → Lauterkeitsrecht

Leitsatz

Bei der Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 2 UWG ist die Parallele zur allgemeineren Regelung des § 32 ZPO zu berücksichtigen, nach der für Klagen aus unerlaubten Handlungen das Gericht zuständig ist, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Eine Zuwiderhandlung im Sinn von § 14 Abs. 2 Satz 2 UWG ist sowohl am Handlungsort als auch am Erfolgsort begangen, so dass eine Zuständigkeit wahlweise dort gegeben ist, wo die Verletzungshandlung begangen oder in das Rechtsgut eingegriffen worden ist.

Der Erfolgsort liegt im Fall von Wettbewerbsverletzungen im Internet im Inland, wenn sich der Internetauftritt bestimmungsgemäß auf den inländischen Markt auswirken soll. [LS der Redaktion]

Rechtsnormen

Rom II-VO 864/2007 Art. 4; Rom II-VO 864/2007 Art. 6
UWG § 3; UWG § 4; UWG § 8; UWG § 14
ZPO § 32; ZPO § 545

Sachverhalt

Der Kläger ist ein Fachverband, in dem Hersteller von Eindrehpapieren und -filtern für Zigaretten zusammengeschlossen sind. Entsprechend seiner Satzung nimmt er die kollektiven gewerblichen Interessen seiner Mitglieder wahr. Einige seiner Mitglieder sind auf dem deutschen Markt tätig. Die in Deutschland ansässige Beklagte zu 1 vertreibt weltweit und auch in Deutschland Raucherbedarfsartikel an Groß- und Einzelhändler. Ihr wichtigstes Produkt ist Eindrehpapier für Zigaretten mit der Bezeichnung "R.". Klickte der Internetnutzer im Jahr 2018 im Internetauftritt der Beklagten zu 1 "www.xxx.com" die Kachel mit der Bezeichnung "R. " an, wurde er auf die Internetseite "www.xxx.com" weitergeleitet, auf der der Instagram-​Account "r.xxx7" verlinkt war. Diesen Instagram-​Account betreibt der in den Vereinigten Staaten von Amerika wohnhafte Beklagte zu 2, der damals Geschäftsführer der Beklagten zu 1 war. Er veröffentlichte im Jahr 2018 dort - und auch auf dem Instagram-​Account "r.xxx" - ein englischsprachiges Video.

Der Kläger beanstandet die in dem Video enthaltenen Aussagen über die Zigaretten-​Eindrehpapiere anderer Hersteller. Nach einem Verfahren der einstweiligen Verfügung (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR 2020, 204) hat der Kläger die Beklagten auch in der Hauptsache unter Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform auf Unterlassung dieser Aussagen in englischer und deutscher Sprache in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Aus den Entscheidungsgründen:

[6] ... [7] B. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hat mit Blick auf die Hauptsache keinen Erfolg. Die Klage ist zulässig (dazu B I) und begründet (dazu B II). Lediglich die erstinstanzliche Kostenentscheidung ist geringfügig zu ändern (dazu B III).

[8] I. Die Klage ist zulässig. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die deutschen Gerichte international zuständig sind (dazu B I 1) und der Kläger prozessführungsbefugt ist (dazu B I 2).

[9] 1. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ist auch unter Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 9. März 2023 - I ZR 167/21, GRUR 2023, 887 [juris Rn. 11] = WRP 2023, 825 - Tellerschleifgerät). Im Streitfall ergibt sie sich aus § 14 Abs. 2 Satz 2 UWG.

[10] a) Soweit keine vorrangigen Bestimmungen über die internationale Zuständigkeit bestehen, regeln die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit mittelbar auch die Grenzziehung zwischen der Zuständigkeit deutscher und ausländischer Gerichte (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 27. Februar 2018 - VI ZR 489/16 (IPRspr 2018-274), BGHZ 217, 350 [juris Rn. 15]; Beschluss vom 27. Juli 2023 - I ZB 74/22 (IPRspr 2023-283), WM 2023, 1578 [juris Rn. 41], jeweils mwN). Vorliegend ist dies im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten von Amerika der Fall, in denen sich der Wohnsitz des Beklagten zu 2 befindet.

[11] Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UWG ist für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, mit denen ein Anspruch auf Grund des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb geltend gemacht wird, auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Zuwiderhandlung begangen wurde. Bei der Auslegung der Vorschrift ist die Parallele zur allgemeineren Regelung des § 32 ZPO zu berücksichtigen, nach der für Klagen aus unerlaubten Handlungen das Gericht zuständig ist, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist (vgl. OLG Köln, GRUR 1978, 658; Feddersen in Köhler/Bornkamm/ Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 14 Rn. 15). Unter Übertragung der zu § 32 ZPO ergangenen Rechtsprechung ist eine Zuwiderhandlung im Sinn von § 14 Abs. 2 Satz 2 UWG sowohl am Handlungsort als auch am Erfolgsort begangen, so dass eine Zuständigkeit wahlweise dort gegeben ist, wo die Verletzungshandlung begangen oder in das Rechtsgut eingegriffen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 2016 - I ZR 43/14 (IPRspr 2016-51), GRUR 2016, 1048 [juris Rn. 17] = WRP 2016, 1114 - An Evening with Marlene Dietrich, mwN). Der Erfolgsort liegt im Fall von Wettbewerbsverletzungen im Internet im Inland, wenn sich der Internetauftritt bestimmungsgemäß auf den inländischen Markt auswirken soll (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2013 - I ZR 131/12 (IPRspr 2013-233), GRUR 2014, 601 [juris Rn. 24] = WRP 2014, 548 - englischsprachige Pressemitteilung; Urteil vom 19. März 2015 - I ZR 94/13 (IPRspr 2015-155), GRUR 2015, 1129 [juris Rn. 12] = WRP 2015, 1326 - Hotelbewertungsportal). Zur Begründung der Zuständigkeit reicht die schlüssige Behauptung von Tatsachen aus, auf deren Grundlage sich eine im Gerichtsbezirk begangene Verletzungshandlung ergibt (vgl. BGH, GRUR 2016, 1048 [juris Rn. 17] - An Evening with Marlene Dietrich, mwN (IPRspr 2016-51)).

[12] b) Diese Voraussetzung hat das Berufungsgericht zutreffend festgestellt.

[13] aa) ... [14] bb) ... [15] cc) ... [16] 2. ... [17] a) ... [18] b) ... [20] c) ...[21] d) ... [22] aa) ... [23] bb) ... [26] dd) ... [28] II. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagten aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 2 UWG zu.

[29] 1. Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass sich der Anspruch nach deutschem Sachrecht beurteilt.

[30] a) Das Sachrecht, nach dem außervertragliche Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsverhalten zu beurteilen sind, bestimmt sich nach Art. 6 Abs. 1 und 2 der VO (EG) Nr. 864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-​II-​VO). Nach Art. 6 Abs. 1 Rom-​II-​VO ist das Recht des Staates anzuwenden, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind oder wahrscheinlich beeinträchtigt werden. Beeinträchtigt ein unlauteres Wettbewerbsverhalten ausschließlich die Interessen eines bestimmten Wettbewerbers, ist nach Art. 6 Abs. 2 Rom-​II-​VO hingegen die allgemeine Kollisionsnorm des Art. 4 Rom-​II-​VO anwendbar.

[31] b) ...

Fundstellen

Volltext

Link, openJur
Link, BMJ (rechtsprechung-im-internet)
Link, BGH (bundesgerichtshof.de)

nur Leitsatz

BB, 2024, 322

LS und Gründe

CR, 2024, 184
GRUR, 2024, 319
MDR, 2024, 317
MMR, 2024, 326
NJW-RR, 2024, 391
WRP, 2024, 324

Bericht

Klein, GRURPrax, 2024, 248
Dittmer, ZIP, 2024, 1451

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2024-3

Lizenz

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