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Verfahrensgang

AG Villingen-Schwenningen, Beschl. vom 07.03.2024 – 25 F 91/23
OLG Karlsruhe, Beschl. vom 07.06.2024 – 18 WF 59/24, IPRspr 2024-226

Rechtsgebiete

Natürliche Personen → Geschäftsfähigkeit

Leitsatz

Ein neunjähriges Kind, das gemäß Art. 7 Abs. 2 Satz 1 EGBGB in Verbindung mit § 106 BGB beschränkt geschäftsfähig ist, ist im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens nicht verfahrensfähig. [LS der Redaktion]

Rechtsnormen

BGB § 106; BGB §§ 112 f.; BGB § 1671
EGBGB Art. 7
EuEheVO 2019/1111 Art. 7
FamFG § 9; FamFG §§ 58 ff.

Sachverhalt

Das Kind B (im Folgenden: Betroffene), geboren am … in …, reiste Mitte Oktober 2023 nach Deutschland ein. Sie lebt seitdem bei ihrem Onkel K. (im Folgenden: Onkel) in …. Ihre Mutter M (im Folgenden: Mutter) und ihr Vater V (im Folgenden: Vater) sind mit den vier Geschwistern der Betroffenen in … verblieben. Die Betroffene hat telefonischen Kontakt zu ihren Eltern unter Verwendung des Mobiltelefons ihres Onkels. Mit Schreiben vom 20.10.2023 regte das Jugendamt des Schwarzwald-​Baar-​Kreises gegenüber dem Amtsgericht - Familiengericht - Villingen-​Schwenningen die Feststellung des Ruhens der elterlichen Sorge nach § 1674 BGB und die Bestellung des Onkels zum Vormund der Betroffenen an.

Mit Beschluss vom 07.03.2024 (25 F 91/23) entschied das Amtsgericht Villingen-​Schwenningen, von familiengerichtlichen Maßnahmen abzusehen. Mit Schreiben vom 28.03.2024 legte die Betroffene selbst Beschwerde gegen den Beschluss ein. 

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II.

[2]1. Die Beschwerde der Betroffenen ist unzulässig.

[3]a) Die in jeder Lage des Verfahrens zu prüfende internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergibt sich vorliegend aus Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2019/1111 des Rates vom 25.06.2019 (Brüssel IIb-​VO), da das Kind B seit Einleitung des Verfahrens ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat.

[4]b) Die neunjährige Betroffene ist nicht verfahrensfähig. Nur wer verfahrensfähig ist, kann wirksam Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG einlegen (Grandel/Stockmann/ Böhm, StichwortKommentar Familienrecht, 3. Auflage 2021, Beschwerdeverfahren Rn. 40).

[5]aa) ... (1) Grundsätzlich sind nach bürgerlichem Recht beschränkt geschäftsfähige Personen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 FamFG nur dann selbst verfahrensfähig, wenn sie für den Gegenstand des Verfahrens nach bürgerlichem Recht als geschäftsfähig anerkannt sind, etwa nach §§ 112 f. BGB, oder soweit sie das 14. Lebensjahr vollendet haben und in einem Verfahren, das ihre Person betrifft, ein ihnen nach bürgerlichem Recht zustehendes Recht geltend machen, wie etwa ihr Recht zum Widerspruch gemäß § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB (Sternal/Sternal, FamFG, 21. Auflage 2023, § 9 Rn. 12) ...

[6](2) Nach diesen Maßgaben ist eine Verfahrensfähigkeit der neunjährigen Betroffenen unter keinem Gesichtspunkt gegeben. Zwar ist sie gemäß Art. 7 Abs. 2 Satz 1 EGBGB in Verbindung mit § 106 BGB beschränkt geschäftsfähig. Sie ist jedoch weder nach bürgerlichem Recht als für den Gegenstand des Verfahrens geschäftsfähig anerkannt noch hat sie das 14. Lebensjahr vollendet.

[7]c) ...

Fundstellen

Volltext

Link, Landesrecht Baden-Württemberg

LS und Gründe

FamRZ, 2024, 1795
ZKJ, 2024, 403

Bericht

Fuchs, NZFam, 2024, 892

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2024-226

Lizenz

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