Von der Tatsache der Eheschließung ist deren rechtliche Wirksamkeit in Deutschland zu unterscheiden. Letztere richtet sich auch für die Bedürfnisse des Freizügigkeitsrechts nach dem deutschen IPR, insbes. Art. 11 und Art. 13 EGBGB.
Es spricht viel dafür, dass eine Ghanaerin und ein Nicht-Ghanaer, die beide ihren Wohnsitz in Deutschland haben, zumindest im Wege der Rechtswahl in Ghana durch Vertreter eine Ehe nach "customary law" schließen können, die in Deutschland wirksam ist. [LS von der Redaktion neu gefasst]
Die Antragstellerin ist Staatsangehörige Ghanas und wurde dort geboren. Sie besitzt einen gültigen ghanaischen Reisepass. Außer einem schon 2018 abgelaufenen belgischen Schengen-Visum ist kein Aufenthaltstitel aus Deutschland oder einem anderen Schengen-Staat bekannt, den sie besitzt oder besaß. In ihrem Pass befindet sich ein Stempel über die Einreise in den Schengen-Raum am Flughafen Brüssel am 13.05.2018. Nach eigenen Angaben lebte die Antragstellerin ab dem Jahr 2018 in Belgien und zog im Januar 2022 zusammen mit dem Mann, den sie als ihren Ehemann bezeichnet, nach Bremen. Der Mann ist belgischer Staatsangehöriger ghanaischer Herkunft und in Bremen als Arbeitnehmer erwerbstätig. Eine melderechtliche Wohnsitzanmeldung in Bremen existiert für den Ehemann, nicht aber für die Antragstellerin. Die Antragstellerin hat ihren Ehemann am 19.02.2022 in Ghana geheiratet. Bei der Ehe handelt es sich laut den vorgelegten Unterlagen um eine „customary marriage“. Bei der Eheschließung wurden beide Ehegatten, die sich zu diesem Zeitpunkt in Deutschland aufhielten, durch Verwandte vertreten.
Am xx.xx.2024 beantragte die Antragstellerin beim Migrationsamt der Stadtgemeinde Bremen die Ausstellung einer Aufenthaltskarte nach § 5 FreizügG/EU als Familienangehörige eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers. Mit Schreiben vom 10.04.2024 teilte das Migrationsamt der Antragstellerin mit, dass eine Aufenthaltskarte nicht ausgestellt werde, und kündigte die Prüfung einer Verteilung nach § 15a AufenthG als unerlaubt eingereiste Ausländerin an. Mit Bescheid vom 02.05.2024 wies die zuständige (Landes-)Behörde der Antragsgegnerin die Antragstellerin gem. § 15a Abs. 4 Satz 1 AufenthG einer Aufnahmeeinrichtung des Landes Niedersachsen zu und drohte ihr die Vollstreckung mit unmittelbarem Zwang an. Die sofortige Vollziehung der Zwangsandrohung wurde angeordnet. Die Antragstellerin hat im Juni 2024 beim Verwaltungsgericht Klage erhoben und die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung beantragt. Mit Beschluss vom 11.07.2024 hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage bzgl. der Verteilungsentscheidung angeordnet und bzgl. der Zwangsmittelandrohung wiederhergestellt. Mit ihrer fristgerecht eingelegten und begründeten Beschwerde begehrt die Antragsgegnerin die Ablehnung des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz.
[1]II. Die zulässige Beschwerde, bei deren Prüfung der Senat auf die dargelegten Gründe beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 AufenthG), ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Verteilung und die Zwangsmittelandrohung im Ergebnis zurecht angeordnet bzw. wiederhergestellt. Die Erfolgsaussichten der Klage sind nach summarischer Prüfung offen (1.). Eine Folgenabwägung geht zugunsten der Antragstellerin aus (2.).
[2]1. ... a) ... aa) ... bb) Jedenfalls für die Bedürfnisse des Eilverfahrens ist davon auszugehen, dass Verwandte der Antragstellerin und ihres Ehemanns am 19.02.2022 in Kumasi (Ghana) in Vertretung für die Eheschließenden im Rahmen einer Trauungszeremonie nach „customary law“ übereinstimmende Erklärungen abgegeben haben, wonach die Antragstellerin und ihr Ehemann die Ehe miteinander eingehen wollen. Nach § 5a Abs. 2 FreizügG/EU darf von der Person, die geltend macht, als Familienangehörige eines Unionsbürgers freizügigkeitsberechtigt zu sein, außer ihrem Pass und einer Meldebestätigung des Unionsbürgers nur ein Nachweis über das Bestehen der familiären Beziehung verlangt werden; Art. 10 Abs. 2 lit. b) Richtlinie 2004/38/EG spricht von einer „Bescheinigung über das Bestehen einer familiären Beziehung“. An den Nachweis der Eheschließung dürfen daher keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Die Vorlage einer Heiratsurkunde ist in der Regel ausreichend (Gerstner-Heck in: Decker/ Bader/ Kothe, BeckOK MigrR, 18. Ed. Stand 15.01.2024, FreizügG/EU § 5a Rn. 13). Dem hat die Antragstellerin genüge getan mit der Vorlage eines Auszugs aus dem ghanaischen Register für gewohnheitsrechtliche Ehen und der Vorlage einer Urkunde über eine vor dem High Court of Justice in Accra abgegebene Erklärung je eines Onkels der beiden Ehegatten, wonach diese am 19.02.2022 in Kumasi durch Stellvertreter eine gewohnheitsrechtliche Ehe geschlossen haben. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass diese Urkunden Fälschungen sind oder einen unrichtigen Inhalt haben, liegen nicht vor.
[3]cc) Zu trennen von der Tatsachenfrage, ob eine Eheschließung stattgefunden hat, ist die Rechtsfrage, ob diese Eheschließung in Deutschland wirksam ist. Die Wirksamkeit der Ehe beurteilt sich auch im Rahmen des Freizügigkeitsrechts nach dem Internationalen Privatrecht (OVG LSA, Beschl. v. 06.08.2015 –
[4]Damit wäre die Ehe der Antragstellerin in Deutschland wirksam, wenn die Eheschließung den Formerfordernissen des Rechts von Ghana, dem Staat, in dem die Ehe geschlossen wurde, erfüllen sollte. Umgekehrt wäre sie unwirksam, wenn sie diesen Erfordernissen nicht genügen würde. Denn da die Antragstellerin ghanaische Staatsangehörige ist, wären dann nicht nur die Vorgaben des Rechts des Eheschließungsortes nicht erfüllt, sondern zugleich könnten auch die Vorgaben der Heimatrechtsordnungen beider Ehegatten nicht kumulativ erfüllt sein (vgl. dazu, dass die Erfüllung der Formerfordernisse des Heimatrechts nur eines Ehegatten bei Ehegatten mit unterschiedlicher Staatsangehörigkeit nicht genügt Rentsch, in: BeckOGK BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 237).
[5]Ob nach ghanaischem Recht eine ohne Aufenthaltstitel und melderechtliche Anmeldung in Deutschland lebende Ghanaerin und ein in Deutschland lebender belgischer Staatsangehöriger in Ghana durch Stellvertreter eine „customary marriage“ formgültig schließen können, ist nach summarischer Prüfung offen. Da es dabei um die Auslegung und Anwendung ausländischen Rechts geht, handelt es sich um eine Tatsachen- und nicht um eine Rechtsfrage (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 293 ZPO; vgl. auch Huber/ Röß, in: Musielak/ Voit, ZPO, 21. Aufl. 2024, § 293 Rn. 1).
[6](1) Innerhalb der Rechtsordnung Ghanas existieren verschiedene Teilrechtsordnungen. Nach Art. 11 Abs. 1 der Verfassung von Ghana setzt sich das Recht Ghanas zusammen aus der Verfassung (lit. a), geschriebenen Gesetzen und Verordnungen (lit. b und c), dem vorkonstitutionellen „bestehenden Recht“ (lit. d, näher Abs. 4) und dem ungeschriebenen „common law (lit. e). Das „common law“ gliedert sich wiederum in das aus der englischen Rechtstradition stammende „common law im engeren Sinne“ und das aus der afrikanischen Tradition stammenden „customary law“ (Art. 11 Abs. 2 und 3 der Verfassung, https://judicial.gov.gh/index.php/the-laws-of-ghana; vgl. zum gesamten Vorstehenden näher Woodman/ Wanitzek, in: Bergmann/ Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Ghana, S. 26 ff.). Die zentrale Norm des internen Kollisionsrechts, das bestimmt, welche der Teilrechtsordnungen innerhalb der ghanaischen Rechtsordnung auf einen Sachverhalt Anwendung findet, ist Sec 54 Courts Act (Woodman/ Wanitzek, in: Bergmann/ Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Ghana, S. 29 f.). Ist in einem konkreten Fall das anwendbare Recht zu bestimmen, so ist zuerst das für die betreffende Rechtsmaterie einschlägige ghanaische Gesetzesrecht daraufhin zu prüfen, ob es eine spezielle interne Kollisionsregel enthält. Ist dies nicht der Fall, so ist die allgemeine interne Kollisionsnorm in Sec 54 (1) Courts Act zu konsultieren (Woodman/ Wanitzek, in: Bergmann/ Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Ghana, S. 30). Nach Sec 54 (1) Rule 1 Courts Act ist eine sich aus einem Rechtsgeschäft ergebende Streitfrage nach dem Recht zu entscheiden, das die Parteien des Rechtsgeschäfts gewählt haben, oder nach dem Recht, das die Parteien, der Natur oder Form des Rechtsgeschäfts nach zu schließen, gewählt haben könnten. Ist keine Rechtswahl erfolgt, so ist das „personale Recht“ der beteiligten Personen anzuwenden, wenn diese ein gemeinsames „personales Recht“ besitzen. Besitzen sie kein gemeinsames „personales Recht“, hat das Gericht die einschlägigen Bestimmungen der unterschiedlichen personalen Rechte so miteinander zu kombinieren, dass ein billiges Ergebnis erzielt wird (Sec. 54 (1) Rule 3 und 5 Courts Act; [...]; vgl. auch Woodman/ Wanitzek, in: Bergmann/ Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Ghana, S. 29 f., 32) Zusammenfassend gilt somit: Entscheidend ist erstens die Rechtswahl, zweitens – wenn eine Rechtswahl nicht erfolgt ist – das gemeinsame personale Recht der Beteiligten und drittens – wenn ein gemeinsames personales Recht nicht existiert – vom Gericht nach billigem Ermessen zu bestimmende Prinzipien aus einem oder mehreren der personalen Rechte der Beteiligten (vgl. Woodman/ Wanitzek, in: Bergmann/ Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Ghana, S. 32). Die Eheschließung ist ein „Rechtsgeschäft“ im Sinne von Sec 54 (1) Rule 1 Courts Act, so dass Rechtswahl möglich ist und die Vermutung einer Rechtswahl aufgrund von Natur oder Form des Rechtsgeschäfts gilt. Die Wahl des für die Ehe geltenden Recht erfolgt dabei in der Regel durch die Wahl der Eheform (vgl. Woodman/ Wanitzek, in: Bergmann/ Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Ghana, S. 31).
[7](2) Entscheidend für die Bestimmung der ghanaischen Teilrechtsordnung, die auf die Ehe der Antragstellerin Anwendung findet, ist also nicht in erster Linie das personale Recht der Antragstellerin und ihres Ehemanns, sondern die von ihnen getroffene Rechtswahl. Die Antragstellerin trägt vor, dadurch, dass sie und ihr Ehemann die Ehe nach customary law Ritus geschlossen und als customary marriage haben registrieren lassen, hätten sie konkludent die Anwendung von customary law gewählt. Im Hinblick auf Sec 54 (1) Rule 1 Alt. 2 Courts Act, wonach sich eine konkludente Rechtswahl aus der Form des Rechtsgeschäfts ergeben kann, erscheint dies schlüssig. Auch nach Woodman/ Wanitzek, in: Bergmann/ Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Ghana, S. 43 liegt in der Wahl der Eheform zugleich die Wahl des auf die Eheschließung anwendbaren Rechts. Läge eine solche Rechtswahl vor, wäre sie voraussichtlich trotz des Umstandes, dass der Ehemann nicht ghanaischer Staatsangehöriger ist, gültig. Die Möglichkeit einer Eheschließung zwischen einem europäischen und einem ghanaischen Ehepartner nach dem „customary law“ des letztgenannten aufgrund einer Rechtswahl wird in der Literatur zum ghanaischen Recht bejaht (vgl. Woodman/ Wanitzek, in: Bergmann/ Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Ghana, S. 31 f.), obwohl das „personal law“ eines Ausländers in der Regel nicht das „customary law“, sondern das „common law im engeren Sinne“ ist (vgl. Woodman/ Wanitzek, in: Bergmann/ Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Ghana, S. 30 f.). Nach Woodman/ Wanitzek, in: Bergmann/ Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Ghana, S. 43 ist keine der Eheformen kirchliche Ehe, Zivilehe und customary law marriage von vornherein auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt.
[8](3) Selbst falls keine wirksame, konkludente Rechtswahl durch die Eheschließenden erfolgt sein sollte, ist nicht auszuschließen, dass auf die Ehe der Antragstellerin ganz oder teilweise Regeln des customary law Anwendung finden. Nach Sec 54 (1) Rule 3 und Rule 5 Halbsatz 1 Courts Act wäre dies – wie oben unter (1) ausgeführt – der Fall, wenn beide Ehegatten dasselbe customary law als personal law hätten. Würde einer von ihnen dem „common law im engeren Sinne“ und der andere einem customary law unterliegen oder würden beide unterschiedlichem customary law unterliegen, wäre nach Sec 54 (1) Rule 5 Halbsatz 2 Courts Act im Einzelfall zu entscheiden, inwieweit die Anwendung von Regelungen aus der einen oder anderen Teilrechtsordnung zu billigen Ergebnissen führt. Nur wenn beide Ehegatten dem „common law im engeren Sinne“ als personal law unterliegen sollten, würde – vorbehaltlich abweichender Rechtswahl – nach Sec 54 (1) Rule 3 und Rule 5 Halbsatz 1 Courts Act ausschließlich dieses Anwendung finden.
[9]„Personales Recht“ einer Person ist das „customary law“, wenn die betroffene Person einem solchen unterliegt, und das „common law im engeren Sinne“, wenn die betroffene Person keinem „customary law“ unterliegt (vgl. Sec 54 (1) Satz 1 Courts Act; näher Woodman/ Wanitzek, in: Bergmann/ Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Ghana, S. 30). Nach welchen Kriterien sich die Zugehörigkeit zu einem bestimmten „customary law“ richtet, definiert das Gesetz nicht. Die Rechtsprechung geht von der Vermutung aus, dass eine Person, die als Ghanaer(in) geboren wurde, einem „customary law“ unterliegt, während bei einer Person, die als Nicht-Ghanaer(in) geboren wurde, eine Vermutung zugunsten der Anwendbarkeit von „common law“ besteht. Ein Wechsel des personalen Rechts wird grundsätzlich als möglich erachtet, unterliegt aber hohen Anforderungen. Während es möglich ist, für einzelne Rechtsgeschäfte (wie z.B. eine Ehe) nach Sec 54 (1) Rule 1 ein vom personal law der Beteiligten abweichendes Recht zu wählen, gibt es kein generelles Optionsrecht, das durch Geburt erworbene personal law zu ändern, außer durch Domizilwechsel in ein anderes Land (Woodman/ Wanitzek, in: Bergmann/ Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Ghana, S. 30 f.).
[10]Es liegt nahe, dass das jeweilige personale Recht der Antragstellerin und ihres Ehemanns wegen des Wohnsitzes in Deutschland bzw. beim Ehemann auch wegen seiner belgischen Staatsangehörigkeit nicht (mehr) customary law, sondern „common law im engeren Sinne“ ist. Gesichert erscheint dies jedoch nicht. Bei der Antragstellerin ist von der Vermutung auszugehen, dass sie als ghanaische Staatsangehörige durch Geburt zunächst einem customary law zugeordnet wurde. Ob sie dieses personal law mit einem Domizilwechsel ins Ausland automatisch kraft Gesetzes zugunsten des „common law im engeren Sinne“ verliert, oder ob ein Domizilwechsel ihr nur ein diesbezügliches Optionsrecht eröffnet, kann der Formulierung bei Woodman/ Wanitzek, in: Bergmann/ Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Ghana, S. 31 nicht mit Sicherheit entnommen werden. Ebenso ist nicht gesichert, ob die Antragstellerin ihr „domicile“ überhaupt im Sinne des ghanaischen Rechts nach Belgien oder Deutschland verlagert hat bzw. hatte. „Domizil“ bezeichnet im ghanaischen Recht – weitgehend wie im englischen common law – die Zugehörigkeit zu einem Rechtsgebiet. Eine starke Vermutung spricht für die Beibehaltung des durch Geburt erworbenen „domicile of origin“. Nur unter engen Voraussetzungen wird ein „domicile of choice“ erworben, nämlich wenn sowohl der ständige Aufenthalt als auch die Absicht gegeben ist, sich in dem Rechtsgebiet für immer oder für unbegrenzte Zeit niederzulassen (Woodman/ Wanitzek, in: Bergmann/ Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Ghana, S. 34 f.). Die Antragstellerin hat sich zwar für längere Zeit in Belgien aufgehalten und möchte sich erkennbar für unbegrenzte Zeit in Deutschland aufhalten. Allerdings besaß bzw. besitzt sie soweit ersichtlich weder in Belgien noch in Deutschland einen Aufenthaltstitel, der einen solchen Aufenthalt erlaubt. Sie ist in Deutschland auch nicht gemeldet. Ein eventuelles unionsrechtliches Freizügigkeitsrecht wäre erst nach der Eheschließung entstanden. Vor diesem Hintergrund und der starken Tendenz des ghanaischen Rechts zur Beibehaltung eines bisherigen Domizils wäre näher zu klären, ob bei der Antragstellerin zum Zeitpunkt der Eheschließung ein Domizilwechsel eingetreten war. Der Ehemann der Antragstellerin ist soweit ersichtlich bei seiner Geburt Ghanaer gewesen und wurde somit einem „personal law“ zugeordnet. Er dürfte sein „domicile“ allerdings mittlerweile aus Ghana verlegt haben, denn er wohnt offenbar nicht nur faktisch seit längerer Zeit in Belgien bzw. Deutschland, sondern ist als eigener Staatsangehöriger Belgiens bzw. freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger zu einem solchen Aufenthalt auch auf unabsehbare Zeit berechtigt und in Deutschland ordnungsgemäß gemeldet. Bei ihm dürfte es für die Frage, ob ein customary law sein personal law geblieben oder ob das „common law im engeren Sinne“ sein personal law geworden ist, darauf ankommen, ob Wohnsitzverlagerung ins Ausland und/oder der Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit automatisch zum Ausscheiden aus dem customary law führen oder nur eine Option diesbezüglich eröffnen.
[11](4) Das Gutachten der deutschen Botschaft in Accra vom 15.06.2015, wonach eine Eheschließung nach customary law nicht möglich sei, wenn mindestens ein Eheschließender seinen Wohnsitz im Ausland hat, vermittelt dem Senat nicht die volle Überzeugung von der Richtigkeit dieser Auffassung. Schon die eingeschränkte Sachkunde der erstellenden Person mindert die Überzeugungskraft des Gutachtens. Es wurde ausweislich der Verfasserangabe auf S. 1, rechts oben, nicht von einer in Ghana oder Deutschland juristisch vollständig ausgebildeten Person erstellt, sondern von einer Rechtsreferendarin oder einem Rechtsreferendar. Das Gutachten nimmt als Ausgangspunkt, dass nur Personen, die dem ghanaischen customary law unterliegen, eine customary law marriage schließen können (S. 2 des Gutachtens). Auf die Möglichkeit der Rechtswahl gemäß Sec 54 (1) Rule 1 Courts Act und die bei Bergmann/Ferid daraus abgeleitete Zulässigkeit einer customary law Ehe zwischen ghanaischen und ausländischen Staatsangehörigen geht das Gutachten nicht ein. Die entscheidende Bedeutung, die das Gutachten dem Umstand, ob die eheschließenden Personen ihr Domizil inner- oder außerhalb von Ghana haben, beimisst, könnte daher rühren, dass es nicht zwischen formellen und materiellen Voraussetzungen der Eheschließung unterscheidet. Für die formellen Voraussetzungen der Eheschließung verweist das ghanaische Internationale Privatrecht in erster Linie auf das Recht des Eheschließungsortes, nicht auf das Domizilrecht der Ehegatten (Woodman/ Wanitzek, in: Bergmann/ Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Ghana, S. 35 f.). Hingegen richten sich die materiellen Voraussetzungen nach dem Domizilrecht, wobei strittig ist, ob auf das Domizil der Ehegatten vor der Eheschließung oder auf das beabsichtigte Ehedomizil abzustellen ist (Woodman/ Wanitzek, in: Bergmann/ Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Ghana, S. 36; vgl. auch BGH, Beschl. v. 04.10.1990
[12](5) Sollte auf die Form der Eheschließung der Antragstellerin customary law anwendbar sein, spricht viel dafür, dass die Vertretung beider Eheschließenden durch Verwandte zulässig war. Die Eheschließung nach customary law ist – abgesehen von der für die Wirksamkeit unerheblichen staatlichen Registrierung – nicht gesetzlich geregelt, sondern richtet sich in ihren Formerfordernissen und materiellen Voraussetzungen nach dem jeweils relevanten, ungeschriebenen Gewohnheitsrechtssystem (Woodman/ Wanitzek, in: Bergmann/ Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Ghana, S. 43, zur Registrierung dort S. 45 f.). In Ghana existieren circa 70 bis 100 Ethnien mit jeweils eigenen customary law Systemen, die teilweise Gemeinsamkeiten aufweisen, sich aber teilweise auch stark unterscheiden (Woodman/ Wanitzek, in: Bergmann/ Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Ghana, S. 28). Die Vielzahl und Vielfalt der Gewohnheitsrechtssysteme lässt keine generelle Darstellung der gewohnheitsrechtlichen Ehe zu (Woodman/ Wanitzek, in: Bergmann/ Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Ghana, S. 43). Üblich ist eine Zeremonie unter Beteiligung von Familienangehörigen, gegebenenfalls mit Austausch von Geschenken. Die Anwesenheit der Ehepartner bei der Zeremonie ist nicht unbedingt erforderlich. Dass nur die Braut anwesend ist, ist häufig der Fall; dass beide Ehepartner abwesend sind, ist eher ungewöhnlich, steht der Wirksamkeit der Eheschließung aber nicht entgegen (Woodman/ Wanitzek, in: Bergmann/ Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Ghana, S. 43 f.). Die eidesstattliche Versicherung, die zwei Onkel der Antragstellerin und ihres Ehemanns vor dem High Court of Justice abgegeben haben (Bl. 44 d. BA), beschreibt in Ziff. 3 bis 7 eine solche Zeremonie.
[13]b) ...
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