Bietet ein im Ausland ansässiges Glücksspielunternehmen über eine Website virtuelle Glückspiele an, so kann gem. Art. 17, 18 EuGVVO die Zuständigkeit eines deutschen Gerichts gegeben sein, wenn der Teilnehmer ein in Deutschland wohnender Verbraucher ist. In diesem Fall findet gem. Art. 6 Rom I-VO deutsches Recht Anwendung. [LS der Redaktion]
Der Kläger begehrt mit der am 30.12.2022 eingereichten und am 26.01.2023 zugestellten Klage von der Beklagten, einer Gesellschaft maltesischen Rechts mit Sitz in Malta, die die Internetseite „www.....de“ betreibt und im streitgegenständlichen Zeitraum keine Konzession für die Veranstaltung von Online-Glücksspielen in Deutschland oder Baden-Württemberg besaß, die Rückerstattung verlorener Glückspieleinsätze.
[1]II.
[2]Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
[3]Dem Kläger steht ein Rückzahlungsanspruch gemäß §§ 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1, 817 S. 1 BGB und §§ 823 Abs. 2, 31 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 zu. Soweit Bereicherungsansprüche verjährt sind, folgt der Anspruch auf Rückzahlung der Verluste aus §§ 823 Abs. 2, 31, 852 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV 2012.
[4]1.
[5]Die Klage ist zulässig.
[6]a)
[7]Insbesondere besteht eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die ungeachtet des weit gefassten Wortlauts des § 513 Abs. 2 ZPO auch in der Berufungsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH, Urteil vom 28.11.2002 -
[8]aa)
[9]Die deutschen Gerichte sind gemäß Art. 17 Abs. 1 lit. c, Art. 18 Abs. 1 EuGVVO für die geltend gemachten Bereicherungsansprüche international zuständig, da es sich um eine Verbrauchersache handelt.
[10]Der Kläger hat seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland und ist Verbraucher im Sinne von Art. 17 Abs. 1 EuGVVO. Danach ist Verbraucher eine Person, die den betreffenden Vertrag zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dient. Da hier keiner dieser Zwecke einschlägig ist, ist der Kläger als Verbraucher zu behandeln. Insbesondere verliert ein Spieler seine Verbrauchereigenschaft auch dann nicht, wenn er täglich viele Stunden an einem Spiel teilnimmt und dabei erhebliche Gewinne erzielt (EuGH, Urteil vom 10.12.2020 - C-774/19, juris, Rn. 50).
[11]Die internationale Zuständigkeit wäre auch dann gegeben, wenn der Kläger einen Prozessfinanzierungsvertrag nach dem Vorbild des als Anl. BK4 vorgelegten Vertrags geschlossen und die Forderung zur Sicherheit an den Prozessfinanzierer abgetreten hätte. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist für die Anwendung der Art. 17 ff. EuGVVO erforderlich, aber auch ausreichend, „dass die Parteien des Rechtsstreits auch die Vertragspartner sind“ (vgl. EuGH, Urteil vom 26.03.2020 - C-215/18, NJW-RR 2020, 552, Rn. 58; EuGH, Urteil vom 25.01.2018 - C-498/16, EuZW 2018, 197 Rn. 44). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Eine Forderungsabtretung hat hingegen grundsätzlich keinen Einfluss auf die Bestimmung des zuständigen Gerichts (vgl. EuGH, Urteil vom 25.01.2018 - C-498/16 a.a.O., Rn. 48).
[12]Die Beklagte hat ihre gewerbliche Tätigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland ausgerichtet, indem sie mit einer deutschsprachigen Internetdomain und auf Deutsch abgefassten FAQ und Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Veranstaltung von Glücksspielen in Deutschland anbot.
[13]Auch soweit ein Kläger die Rückgewähr von Beträgen geltend macht, die aufgrund eines nichtigen Vertrags und ohne Rechtsgrund gezahlt wurden, bilden ein „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne dieser Vorschrift den Gegenstand des Verfahrens (vgl. EuGH, Urteil vom 20.04.2016 - C-366/13).
[14]bb)
[15]Die verfolgten deliktischen Ansprüche unterfallen ebenfalls dem o.g. Verbrauchergerichtsstand, weil dieser auch nichtvertragliche Anspruchsgrundlagen erfasst, soweit sich die Klage allgemein auf einen Vertrag bezieht und eine so enge Verbindung zu diesem Vertrag aufweist, dass sie von ihm nicht getrennt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 05.10.2010 -
[16]Jedenfalls wäre insoweit der Gerichtsstand nach Art. 7 Nr. 2 EuGVVO eröffnet.
[17]Das schädigende Ereignis i.S.d. Nr. 2 ist sowohl der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs als auch der Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens (st. Rspr., vgl. etwa EuGH, Urteil vom 09.07.2020 - C-343/19 -, Rn. 23, juris). Da der Kläger von seinem Wohnort aus an den streitgegenständlichen Online-Glücksspielen teilgenommen hat, handelt es sich hierbei sowohl um den Ort der schädigenden Handlung - der Zahlung des Klägers an die Beklagte als Glücksspielanbieterin -, als auch um denjenigen der Verwirklichung des Schadenserfolgs (ebenso OLG Köln, Urteil vom 31.10.2022 -
[18]Dabei wird nicht verkannt, dass nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. etwa Urteil vom 12.05.2021, C-709/19, Vereniging van Effectenbezitters, Rn. 26ff. m.w.N.) die Wendung „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“ in Art. 7 Nr. 2 EuGVVO jedoch nicht so weit ausgelegt werden darf, dass sie jeden Ort erfasst, an dem die nachteiligen Folgen eines Umstands spürbar sind, der bereits einen tatsächlich an einem anderen Ort entstandenen Schaden verursacht hat. Diese Wendung bezieht sich nicht schon deshalb auf den Ort des Klägerwohnsitzes - als Ort des Mittelpunkts seines Vermögens -, weil dem Kläger durch den Verlust von Vermögensbestandteilen in einem anderen Mitgliedstaat ein finanzieller Schaden entstanden ist. Obwohl allein die Tatsache, dass den Kläger finanzielle Konsequenzen treffen, nicht die Zuweisung der Zuständigkeit an die Gerichte seines Wohnsitzes rechtfertigt, ist eine solche Zuständigkeitszuweisung aber dann gerechtfertigt, wenn dieser Wohnsitz tatsächlich den Ort des ursächlichen Geschehens oder den der Verwirklichung des Schadenserfolgs darstellt (vgl. EuGH a.a.O.). Derartige Anknüpfungspunkte für einen Erfolgsort in Deutschland liegen hier vor. Der Kläger hat nicht nur seine Überweisungen an die Beklagte von seinem Wohnort in Deutschland aus veranlasst, sondern auch die Spielverträge, von Deutschland aus abgeschlossen, indem er von Deutschland aus auf einer deutschsprachigen Internetseite der Beklagten mit einer deutschen Domain gespielt hat. Insoweit wurden - selbst wenn man zwischen der Einzahlung auf das bei der Beklagten geführte Spielerkonto und zwischen dem eigentlichen Spieleinsatz differenziert - sämtliche Vermögensdispositionen von Deutschland aus getroffen und war für die Beklagte vorhersehbar, dass sie potentiell in Deutschland verklagt werden konnte.
[19]Schließlich hat sich im vorliegenden Fall bei einem behaupteten Verstoß gegen ein deutsches Schutzgesetz der Schadenserfolg deshalb in Deutschland verwirklicht, weil dies der Ort ist, an dem der Erfolg (hier das unerlaubte Anbieten von Glücksspielen in Deutschland) verhindert werden soll (vgl. BGH, Urteil vom 24.09.1986 -
[20]b) ... c) ... 2.
[21]Gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. b Rom I-VO findet auf vertragliche Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte deutsches Recht Anwendung. Der Kläger ist Verbraucher mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland und die Beklagte hat ihre Tätigkeit auf Deutschland ausgerichtet. Auch für Bereicherungsansprüche, die auf die Nichtigkeit eines Vertrags gestützt werden, wie hier der Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB, ist gemäß Art. 12 Abs. 1 lit. e Rom I-VO das Vertragsstatut maßgeblich. Über die Nichtigkeit des Vertrags entscheidet gem. Art. 10 Abs. 1 Rom I-VO ebenfalls das Vertragsstatut. Auch der Anspruch aus § 817 S. 1 BGB knüpft an eine Leistung aufgrund eines (vermeintlichen) vertraglichen Verhältnisses der Parteien an und weist eine enge Verbindung hierzu auf, so dass gemäß Art. 10 Abs. 1 Rom II-VO deutsches Recht anzuwenden ist.
[22]Auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien ist ebenfalls deutsches Deliktsrecht anwendbar. Gemäß Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO ist auf ein außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eintritt, unabhängig davon, in welchem Staat das schadensbegründende Ereignis oder indirekte Schadensfolgen eingetreten sind. Der Schaden ist vorliegend bei dem Kläger, also in Deutschland, eingetreten. Etwas anderes folgt auch nicht aus Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO, da aufgrund des zugrunde liegenden Vertrages eine enge Verbindung zu Deutschland besteht.
[23]3. ...
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