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Verfahrensgang

AG Besigheim, Beschl. vom 14.12.2023 – 1 F 716/23
OLG Stuttgart, Beschl. vom 23.05.2024 – 15 UF 23/24, IPRspr 2024-107

Rechtsgebiete

Zuständigkeit → Zuständigkeit in Ehe- und Kindschaftssachen
Ehe und andere familienrechtliche Lebens- und Risikogemeinschaften → Güterrecht
Sachenrecht

Leitsatz

Der Erwerb von Immobilien in Deutschland durch einen Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Gütergemeinschaft nach polnischem Recht setzt grundsätzlich die Mitwirkung des anderen Ehegatten voraus. [LS von der Redaktion neu gefasst]

Rechtsnormen

BGB § 878; BGB § 894
EGBGB Art. 4; EGBGB Art. 14; EGBGB Art. 15; EGBGB Art. 229 § 47
EuGVVO 1215/2012 Art. 1; EuGVVO 1215/2012 Art. 24
EuGüVO 2016/1103 Art. 1; EuGüVO 2016/1103 Art. 4; EuGüVO 2016/1103 Art. 5; EuGüVO 2016/1103 Art. 6; EuGüVO 2016/1103 Art. 69
FamFG § 65
FamGB 1964 (Polen) Art. 31 § 1; FamGB 1964 (Polen) Art. 33 Nr. 10; FamGB 1964 (Polen) Art. 35; FamGB 1964 (Polen) Art. 37 § 1; FamGB 1964 (Polen) Art. 43 § 1; FamGB 1964 (Polen) Art. 52 § 2
IPRG 2011 (Polen) Art. 51

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]Zu Recht hat das Amtsgericht den Antrag auf Grundbuchberichtigung abgewiesen. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung.

[2]1.

[3]a.

[4]Deutsche Gerichte sind international zuständig.

[5]Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ist entgegen § 65 Abs. 4 FamFG stets vom Beschwerdegericht zu prüfen (BGH NJW 2022, 2403 Rn. 12 (IPRspr 2022-148), BGH FamRZ 2015, 2146 (IPRspr 2015-263b)).

[6]Die internationale Zuständigkeit ergibt sich vorliegend aus Art. 6 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 2016/1103 des Rates zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung in Fragen des ehelichen Güterstands vom 24.06.2016 (im Folgenden EuGüVO) und nicht aus Art. 24 Nr. 1 der Verordnung (EU) Nr. [1215/2012] des Europäischen Parlaments und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 12.12.2012 (im Folgenden Brüssel Ia-​VO). Nach dieser Vorschrift sind die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die unbewegliche Sache belegen ist, ohne Rücksicht auf den Wohnsitz der Parteien für Verfahren, die dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, ausschließlich zuständig (forum rei sitae; zum Grundbuchberichtigungsanspruch vgl. EuGH NJW 2017, 315 Rn. 42).

[7]Denn nach Art. 1 Abs. 2 lit. a Brüssel Ia-​VO ist diese Verordnung nicht auf die ehelichen Güterstände anzuwenden. Dabei umfasst der Begriff der „ehelichen Güterstände“ in Art. 1 Abs. 2 lit. a Brüssel Ia-​VO alle vermögensrechtlichen Beziehungen, die sich unmittelbar aus der Ehe oder ihrer Auflösung ergeben (EuGH, Beschluss vom 14. Juni 2017 - C-​67/17 -, Rn. 28, juris). Dem Anwendungsbereich der EuGüVO steht auch nicht Art. 1 Abs. 2 lit. g EuGüVO entgegen. Diese Bereichsausnahme erfasst lediglich eine besondere Fallkonstellation, wonach kein Mitgliedstaat verpflichtet sein soll, ein dingliches Recht an einem Gegenstand, der in seinem Hoheitsgebiet belegen ist, anzuerkennen, wenn die lex rei sitae dieses dingliche Recht nicht kennt (Erwägungsgrund Nr. 24 Satz 2). Der Erwerbsvorgang, also die sich aus dem ehelichen Güterstand ergebende Begründung oder Übertragung eines Rechts an beweglichen oder unbeweglichen Vermögensgegenständen, ist dagegen nicht vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen und richtet sich dementsprechend nach dem Güterstatut (Erwägungsgrund Nr. 24 Satz 1; MüKoFamFG/Mayer, 3. Aufl., Art. 1 EuGüVO Rn. 35).

[8]Vorliegend geht es um die Rechtsfolgen eines Erwerbsvorgangs in Deutschland unter Geltung des maßgeblichen Güterrechtsstatuts und dem daraus resultierenden geltend gemachten Grundbuchberichtigungsanspruch nach § 894 BGB. Mithin ist die EuGüVO anwendbar, somit mangels Ergiebigkeit der Art. 4 und 5 EuGüVO Art. 6 lit. b EuGüVO aufgrund des weiterhin bestehenden gewöhnlichen Aufenthalts des Antragsgegners in Deutschland.

[9]2.

[10]a) Nach § 894 BGB kann, wenn der Inhalt des Grundbuchs in Ansehung eines Rechts an einem Grundstück mit der wirklichen Rechtslage nicht im Einklang steht, derjenige, dessen Recht durch die Eintragung einer nicht bestehenden Belastung oder Beschränkung beeinträchtigt ist, die Zustimmung zu der Berichtigung des Grundbuchs von demjenigen verlangen, dessen Recht durch die Berichtigung betroffen wird ...

[11]b) Das Grundbuch ist nicht unrichtig, weshalb ein Grundbuchberichtigungsanspruch der Antragstellerin nicht besteht. Die Antragstellerin ist nach polnischem Recht nicht Bruchteilseigentümerin bzw. nach Beendigung der Gemeinschaft hälftige Miteigentümerin geworden (vgl. Art. 35, 43 § 1 des polnischen Familien- und Vormundschaftsgesetzbuches vom 25.02.1964 in der Fassung vom 17.06.2004 [FVGB]).

[12]aa) Das anzuwendende Recht bestimmt sich gemäß Art. 229 § 47 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB, Art. 69 Abs. 3 EuGüVO nach Art. 15 EGBGB in seiner bis einschließlich 28.01.2019 geltenden Fassung (aF), da die Beteiligten die Ehe vor dem 29.01.2019 geschlossen und keine Rechtswahl getroffen haben. Nach Art. 15 Abs. 1 EGBGB aF unterliegen die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe dem bei der Eheschließung für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgeblichen Recht. Dies war hier gemäß Art. 229 § 47 Abs. 1 EGBGB i.V.m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB aF das polnische Recht als das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit die Eheleute zum Zeitpunkt der Eheschließung besaßen.

[13]Dabei spricht Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB aF allerdings eine Gesamtverweisung im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB aF aus, eine Verweisung also, die auch das polnische Kollisionsrecht umfasst. Dabei richten sich die persönlichen und güterrechtlichen Beziehungen zwischen den Ehegatten gemäß Art 51 Abs. 1 des polnischen Gesetzes über das Internationale Privatrecht vom 04.02.2011 nach ihrem jeweils geltenden gemeinsamen Heimatrecht. Eine Rückverweisung nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB aF sieht das polnische Recht nicht vor.

[14]bb) Gesetzlicher Güterstand ist nach Art. 31 § 1 FVGB die „gesetzliche Gütergemeinschaft“ („wspólność ustawowa“, vgl. Margonski in Süß/Ring, Eherecht in Europa, 4. Aufl., Länderteil Polen, Rn. 16). Der Erwerb von Immobilien durch einen Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Gütergemeinschaft setzt grundsätzlich die Mitwirkung des anderen Ehegatten voraus. Es wird vermutet, dass der Erwerb zum gemeinschaftlichen Vermögen erfolgt. Nach Art. 37 § 1 Nr. 1 FVGB ist der entgeltliche Immobilienerwerb zum gemeinschaftlichen Vermögen zustimmungsbedürftig. Fehlt die Zustimmung des Ehegatten, ist der Vertrag schwebend unwirksam (Art. 37 § 2 FVGB). Vorliegend hat die Antragstellerin offensichtlich dem Grundstückserwerb zugestimmt, da sie als Miteigentümerin eingetragen werden will.

[15]cc) Vorliegend war der gesetzliche Güterstand jedoch bereits zum Zeitpunkt der Vornahme des Abschlusses des Kaufvertrages am 22.05.2015 aufgehoben, weshalb die Antragstellerin das Grundstück nicht zu gemeinschaftlichem Eigentum der Beteiligten erwerben konnte. Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichts O. vom 19.12.2018 (Az. II Ca 1063/18) wurde der Zeitpunkt, zu dem die Gütertrennung zwischen den vormaligen Ehegatten eingetreten ist, gemäß Art. 52 § 2 FVGB rückwirkend auf den 21.05.2015 festgelegt. Die vor Rechtskraft des polnischen Urteils vom 19.12.2018 schwebende Unwirksamkeit des Grundstückserwerbs wurde danach rückwirkend beseitigt. Zum Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts war der Antragsgegner daher alleine berechtigt und verpflichtet.

[16]Da es hinsichtlich des begehrten Grundbuchberichtigungsanspruchs alleine auf das maßgebliche deutsche Recht als das Recht der belegenen Sache ankommt (vgl. insoweit auch vgl. EuGH NJW 2017, 315 Rn. 42), ist das Grundbuch zum jetzigen Zeitpunkt nicht unrichtig (zur Heilung Staudinger/Picker, BGB (2019), § 894 Rn. 64). Der Antragsgegner ist zu Recht als alleiniger Eigentümer der Immobilie eingetragen. Auf § 878 BGB kommt es dabei ersichtlich nicht an. Es geht nicht um eine Verfügungsbeschränkung nach deutschem Recht, sondern um die Aufhebung der Gütergemeinschaft nach polnischem Recht. Die jeweiligen unterschiedlichen Rechtsinstitute des deutschen und des polnischen Rechts sind strikt voneinander zu trennen. Ob die Antragstellerin, wie von ihr behauptet, noch einen Anspruch auf Auseinandersetzung der vormaligen Gütergemeinschaft nach polnischem Recht hat, kann, zumal vom Antragsgegner wegen eines behaupteten Surrogationserwerbs - Erwerb aufgrund alleine den Antragsgegner verpflichtender abgeschlossener Darlehensverträge - nach Art. 33 Nr. 10 FVGB ohnehin bestritten, dahingestellt bleiben. Ein etwaiger schuldrechtlicher Auseinandersetzungsanspruch nach polnischem Recht führt gerade nicht zur Unrichtigkeit des Grundbuchs nach deutschem Recht, der Antragsteller wurde zu Recht alleine ins Grundbuch eingetragen.

[17]...

Fundstellen

LS und Gründe

Juris-Permalink, https://www.juris.de/perma?d=NJRE001590390
BeckRS, 2024, 29442

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2024-107

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