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Verfahrensgang

BPatG, Beschl. vom 17.11.2017 – 25 W (pat) 112/14
BGH, Beschl. vom 31.01.2019 – I ZB 114/17, IPRspr 2019-365
BGH, Beschl. vom 27.07.2023 – I ZB 114/17 (BPatG), IPRspr 2023-67

Rechtsgebiete

Juristische Personen und Gesellschaften → Gesellschaftsstatut, insbesondere Rechts- und Parteifähigkeit

Leitsatz

Ist eine Gesellschaft in der Schweiz ansässig, so beurteilt sich ihre Rechtsfähigkeit gemäß der Sitztheorie nach dem Recht der Schweiz. Hiernach verliert eine Gesellschaft mit ihrer Löschung im Handelsregister ihre Parteifähigkeit.

Eine im schweizerischen Handelsregister bereits gelöschte juristische Person muss im Handelsregister ausnahmsweise wieder eingetragen werden, um klagen oder verklagt werden zu können. Dies hat im Registerverfahren zu erfolgen, kann nur auf Antrag geschehen und setzt eine Glaubhaftmachung schutzwürdiger Interessen voraus, die nur durch Wiedereintragung der Gesellschaft in das Handelsregister befriedigt werden können. [LS der Redaktion]

Rechtsnormen

MarkenG § 3; MarkenG § 50; MarkenG § 54; MarkenG § 82; MarkenG § 115; MarkenG § 124
ZPO § 50; ZPO § 56

Sachverhalt

Für die Markeninhaberin ist seit Juli 2001 die dreidimensionale IR-​Marke Nr. 763 699 unter anderem für die Waren der Klasse 30 "Coffee, coffee extracts and coffee-​based preparations; coffee substitutes and artificial coffee extracts" eingetragen. Seit Januar 2003 ist der Schutz auf Deutschland erstreckt. 

Die in der Schweiz geschäftsansässige Antragstellerin hat am xx.xx.2011 beim Deutschen Patent- und Markenamt die Schutzentziehung für Deutschland in Bezug auf die vorstehend genannten Waren beantragt. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat der IR-​Marke den Schutz in Bezug auf diese Waren für Deutschland entzogen. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Markeninhaberin ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Bundespatentgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde hat die Markeninhaberin die Zurückweisung des Schutzentziehungsantrags begehrt. Die Antragstellerin hat beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen. Über das Vermögen der Antragstellerin ist im November 2018 in der Schweiz das Konkursverfahren eröffnet worden. Der Senat hat mit Beschluss vom 31. Januar 2019 festgestellt, dass das Rechtsbeschwerdeverfahren aus diesem Grund unterbrochen ist. Das Konkursverfahren über das Vermögen der Antragstellerin ist am xx.xx.2023 geschlossen und die Antragstellerin am xx.xx.2023 im Handelsregister gelöscht worden. Die Markeninhaberin beantragt nunmehr, den Schutzentziehungsantrag zu verwerfen, weil die Antragstellerin ihre Parteifähigkeit verloren habe.

Aus den Entscheidungsgründen:

[7] II. Das Bundespatentgericht hat angenommen, der angegriffenen Marke sei gemäß §§ 50, 54, § 115 Abs 1, § 124 MarkenG im beantragten Umfang der Schutz zu entziehen, weil sie insoweit nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG schutzunfähig sei.

[8] III. Die Rechtsbeschwerde der Markeninhaberin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des Bundespatentgerichts und zur Verwerfung des Schutzentziehungsantrags der Antragstellerin (§ 50 Abs. 1, § 54 Abs. 1, § 115 Abs. 1, § 124 MarkenG) als unzulässig.

[9] 1. Der Schutzentziehungsantrag ist unzulässig geworden, weil die Antragstellerin im Lauf des Verfahrens ihre Beteiligtenfähigkeit verloren hat.

[10] a) Die Beteiligtenfähigkeit in einem markenrechtlichen Registerverfahren zählt zu den Verfahrensvoraussetzungen, deren Mangel das Gericht grundsätzlich in jeder Verfahrenslage einschließlich der Rechtsbeschwerdeinstanz in entsprechender Anwendung von § 56 Abs. 1 ZPO von Amts wegen zu berücksichtigen hat (zur Parteifähigkeit im Zivilprozess vgl. BGH, Urteil vom 30. April 2015 - I ZR 13/14, BGHZ 205, 195 [juris Rn. 16] - Tagesschau-​App, mwN). Verliert der Löschungsantragsteller seine Beteiligtenfähigkeit, ist der Löschungsantrag als unzulässig zu verwerfen (vgl. BPatG, Beschluss vom 12. Februar 2008 - 24 W [pat] 59/02, juris Rn. 7; Beschluss vom 19. Juni 2008 - 25 W [pat] 21/06, juris Rn. 12). Dasselbe gilt, wenn derjenige, der im Hinblick auf eine IR-​Marke einen Schutzentziehungsantrag stellt, seine Beteiligtenfähigkeit verliert. Beteiligtenfähig ist in entsprechender Anwendung von § 50 Abs. 1 ZPO (§ 82 Abs. 1 MarkenG), wer rechtsfähig ist.

[11] b) Die Antragstellerin hat ihre Rechtsfähigkeit und damit ihre Beteiligtenfähigkeit verloren.

[12] aa) Die Antragstellerin ist eine außerhalb des Gebiets der Europäischen Union in der Schweiz geschäftsansässige Aktiengesellschaft. Ihre Rechtsfähigkeit ist nach dem Recht des Ortes zu beurteilen, an dem sie ihren Verwaltungssitz hat (BGH, Urteil vom 27. Oktober 2008 - II ZR 290/07, ZInsO 2009, 149 [juris Rn. 20]). Vorliegend ist danach das Recht der Schweiz maßgeblich.

[13] bb) Nach dem Recht der Schweiz hat die Antragstellerin infolge der nach Durchführung des Konkursverfahrens erfolgten Löschung im Handelsregister ihre Parteifähigkeit verloren (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 1968 - VII ZR 23/68 (IPRspr. 1968–1969 Nr. 211), BGHZ 51, 27 [juris Rn. 10 bis 12]).

[14] Anders als im deutschen Recht (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Mai 2015 - VII ZB 53/13, NJW 2015, 2424 [juris Rn. 19] mwN; BPatG, Beschluss vom 15. Januar 2013 - 33 W [pat] 134/08, juris Rn. 18) wird in der Schweiz allgemein angenommen, dass die Parteifähigkeit der Gesellschaft durch die Löschung im Handelsregister verloren geht. Eine im Handelsregister bereits gelöschte juristische Person muss - wenn sich herausstellt, dass noch Vermögenswerte vorhanden sind - im Handelsregister ausnahmsweise wieder eingetragen werden, um klagen oder auf Herausgabe eines Vermögensgegenstands beziehungsweise Abtretung einer Forderung verklagt werden zu können (BGE 78 I 451; BGE 115 II 276; BGE 132 III 731). Dies hat im Registerverfahren zu erfolgen, kann nur auf Antrag geschehen und setzt eine Glaubhaftmachung schutzwürdiger Interessen voraus, die nur durch Wiedereintragung der Gesellschaft in das Handelsregister befriedigt werden können (vgl. Stäubli in Honsell/Vogt/Watter, Basler Kommentar, 5. Aufl., Art. 746 OR Rn. 6 mwN).

[15] Die Markeninhaberin hat einen aktuellen Handelsregisterauszug vorgelegt, aus dem sich die Löschung der Antragstellerin ergibt. Danach steht fest, dass die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren nicht mehr parteifähig ist. Es bedarf deshalb - anders, als wenn sich die Parteifähigkeit nach deutschem Recht richtete (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2010 - II ZR 115/09, NJW-​RR 2011, 115 [juris Rn. 22] mwN; Beschluss vom 20. Mai 2015 - VII ZB 53/13, NJW 2015, 2424 [juris Rn. 19] mwN; BPatG, Beschluss vom 15. Januar 2013 - 33 W [pat] 134/08, juris Rn. 18) - keiner Prüfung, ob Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Markeninhaberin möglicherweise noch über verwertbares Vermögen verfügt.

[16] 2. ...

Fundstellen

nur Leitsatz

BB, 2023, 2433
MDR, 2023, 1603

LS und Gründe

GRUR, 2023, 1561
MittdtschPatAnw, 2023, 567
WRP, 2023, 1465

Bericht

von Zumbusch, GRURPrax, 2024, 44

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2023-67

Lizenz

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