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Verfahrensgang

AG Verden, Beschl. vom 29.07.2022 – 5 III 39/21
OLG Celle, Beschl. vom 12.06.2023 – 21 W 4/22, IPRspr 2023-334

Rechtsgebiete

Natürliche Personen → Namensrecht

Leitsatz

Nach Art. 10 Abs. 1 EGBGB unterliegt der Name einer Person dem Recht des Staates, dem die Person angehört. Dies ist bei der Antragstellerin, die vietnamesische Staatsangehörige ist, das vietnamesische Recht. Eine Rückverweisung ins deutsche Recht gemäß Art. 4 Abs. 1 EGBGB sieht das vietnamesische Recht nicht vor.

Der Namensbestandteil „thị“ ist regelmäßig ein Namenszusatz zum Familiennamen, wobei dies voraussetzt, dass unter der Silbe ein Punkt ist und dass Kleinbuchstaben verwendet werden. „Thị“ kann im Einzelfall auch Mittelname sein.

Für die Einordnung kann auch die in Teil 3 des Dokuments 9303 „Machine Readable Travel Documents“ der International Civil Aviation Organization beschriebene und sich aus dem maschinenlesbaren Teil des Reisepasses ergebende Zuordnung der Namensbestandteile herangezogen werden. [LS von der Redaktion neu gefasst]

Rechtsnormen

60/2014/QH 13 CSt (Vietnam) Art. 14
91/2015/QH 13 Cc. (Vietnam) Art. 26
EGBGB Art. 4; EGBGB Art. 10
FamFG §§ 58 ff.
PStG § 48; PStG § 51
PStV § 23

Sachverhalt

Die Antragsteller begehren die Änderung der Eintragung des Namens der Antragstellerin im Eheregister. Die Beteiligten heirateten 2020. Für die Antragstellerin trug das Standesamt in der Eheurkunde des Eheregisters der Gemeinde O als Familienname vor und in der Ehe „V. Thị“ sowie als Mittel- und Vorname „L. A.“ ein. 2021 bat der Antragsteller die Standesbeamtin des Fachbereichs Personal und Bürgerservice der Gemeinde O., den Mittelnamen „Thi“ seiner Frau in der Eheurkunde nicht dem Familiennamen zuzuordnen. Das vietnamesische Recht kenne keine zweigliedrigen Familiennamen. Die Zuordnung zum Vornamen ergebe sich insbesondere aus der Namensfolge im maschinenlesbaren Teil des Reisepasses. Nach den Vorgaben der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (International Civil Aviation Organization, im Folgenden: ICAO) weise das Zeichen „<<“ auf die Trennung von Nach- und Vornamen hin. Mehrere Vornamen seien lediglich durch das Zeichen „<“ abgegrenzt.  In dem 2021 durch die vietnamesischen Behörden ausgestellten Reisepass der Antragstellerin, die vietnamesische Staatsangehörige ist, ist als „Full name“ eingetragen: V. THỊ L. A.“. In dem unteren maschinenlesbaren Bereich des Reisepasses findet sich folgende Buchstaben- und Zeichenabfolge: „P<V####<<THI<L##<A# […].“ Die Bitte des Antragstellers um Änderung der Eintragung wies die Sachbearbeiterin der Gemeinde O. zurück.

Mit Schreiben vom 12.12.2021 (##) haben die Antragsteller beim Amtsgericht Verden (Aller) beantragt, die bereits gegenüber der Standesbeamtin der Gemeinde Oyten erbetene (korrekte) Eintragung des Namens der Antragstellerin in der Eheurkunde zu erwirken. Mit Beschluss vom 29.7.2022 hat das Amtsgericht Verden (Aller) das Standesamt angewiesen, den Namen der Antragstellerin im Eheregister des Standesamts in O. wie folgt zu berichtigen: Die Vornamen der Ehefrau lauten „L. A.“, der Familienname der Ehefrau lautet „V.“ und der Namenszusatz zum Familiennamen der Ehefrau lautet „Thị“. Gegen diesen Beschluss wenden sich beide Antragsteller; der Antragsteller mit seiner Beschwerde vom 22.8.2022 und die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde vom 28.4.2023.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II.

[2]Die Beschwerde des Antragstellers und die als Anschlussbeschwerde auszulegende Beschwerde der Antragstellerin sind zulässig und führen zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Anordnung.

[3]1.

[4]Die Beschwerde des Antragstellers ist gemäß der §§ 51 Abs. 1 Satz 1 PStG, 58 ff. FamFG zulässig …

[5]2.

[6]Die als Anschlussbeschwerde auszulegende Beschwerde der Antragstellerin vom 28. April 2023 ist ebenfalls zulässig …

[7]3.

[8]Es ist gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 PStG anzuordnen, den Eintrag für die Antragstellerin im Eheregister so zu berichtigen, dass der Namensteil „Thị“ nicht unter dem Familiennamen als Namenszusatz, sondern als Teil des Mittelnamens eingetragen wird.

[9]Nach Art. 10 Abs. 1 EGBGB unterliegt der Name einer Person dem Recht des Staates, dem die Person angehört. Dies ist bei der Antragstellerin, die vietnamesische Staatsangehörige ist, das vietnamesische Recht. Eine Rückverweisung ins deutsche Recht gemäß Art. 4 Abs. 1 EGBGB sieht das vietnamesische Recht nicht vor (Wohlgemuth, StAZ 2008, 329).

[10]Nach Art. 26 Abs. 1 Abs. 1 [sic] des vietnamesischen Zivilgesetzbuchs (im Folgenden: ZGB, abrufbar unter: https://www.wipo.int/wipolex/en/text/585381) hat jede natürliche Person das Recht auf einen Familiennamen und einen Vornamen (einschließlich eines Mittelnamens, falls vorhanden). Als Familien- und Vornamen einer Person gelten die in der Geburtsurkunde der betreffenden Person eingetragenen Familien- und Vornamen. Die Namen werden gemäß Art. 14 des vietnamesischen Zivilstandsgesetzes (im Folgenden: ZStandG) in das Geburtsregister in folgender Reihenfolge eingetragen: Familienname, Mittelname, Vorname (Brandhuber/Zeyringer/ Heussler, Standesamt und Ausländer, 48. Lieferung, August 2017, Vietnam, S. 19). Konkrete Vorgaben zur Bildung der Personennamen kennt das vietnamesische Recht nicht. Vielmehr unterliegt die Namensbildung im Übrigen der Gewohnheit (Wohlgemuth, StAZ 2008, 329 (331); Kraus, StAZ 2017, 56 (57)).

[11]Die Zuordnung der einzelnen Namenselemente entspricht nicht immer dem deutschen Namensverständnis. Dies gilt vor allem für den Mittelnamen. Er kann aus deutscher Sicht als echter Mittelname oder als Ergänzung des Familien- oder des Vornamens bewertet werden. Außerdem sind Namenszusätze vor allem zum Familiennamen möglich, die nicht als Mittelname anzusehen sind (Brandhuber/Zeyringer/ Heussler, Standesamt und Ausländer, 48. Lieferung, August 2017, Vietnam, S. 19).

[12]Eine Besonderheit stellt nach der herrschenden Meinung in der Literatur der Namenszusatz „thị“ dar. Durch dieses Wort kann kenntlich gemacht werden, dass eine Frau als Familiennamen den Familiennamen ihres Vaters führt. Damit wird verdeutlicht, dass es sich bei dem Familiennamen der Frau um deren Geburtsnamen handelt. Der Namenspartikel ist ein Zusatz, der ohne Verbindung dem Familiennamen folgt (Brandhuber/Zeyringer/ Heussler, Standesamt und Ausländer, 48. Lieferung, August 2017, Vietnam, S. 21; Jauß, in: StAZ 2000, 87). Wesentliche Voraussetzungen für diese Bedeutung sind, dass unter der Silbe ein Punkt ist und dass Kleinbuchstaben verwendet werden (Brandhuber/Zeyringer/ Heussler, Standesamt und Ausländer, 48. Lieferung, August 2017, Vietnam, S. 21 f.; Kraus, StAZ 2017, 56 (58)).

[13]Bei der Antragstellerin stellt der Namensbestandteil „Thị“ keinen solchen Namenszusatz dar. Zwar lässt sich aufgrund der von den Antragstellern vorgelegten Ablichtungen des Reisepasses (##) und des Duplikats der Geburtsurkunde der Antragstellerin (##) nicht ersehen, ob für den Namensbestandteil „Thị“ im Namen der Antragstellerin Kleinbuchstaben verwendet werden, weil in diesen Dokumenten sämtliche Buchstaben des Namens großgeschrieben werden. Allerdings weist auch der Name der Mutter der Antragstellerin (L. Thị M. T.) einen solchen Namensbestandteil auf. Dem Duplikat der Geburtsurkunde der Schwester der Antragstellerin (##) lässt sich entnehmen, dass dieser „Thị“ und nicht „thị“ geschrieben wird. Bei der Mutter handelt es sich bei dem Namensbestandteil „Thị“ mithin nicht um einen Namenspartikel im oben beschriebenen Sinne. Aus diesem Grunde und weil – was die Antragsteller im Beschwerdeverfahren ebenfalls angeführt haben – der Name der Schwester der Antragstellerin einen entsprechenden Namensbestandteil überhaupt nicht aufweist, ist der Senat davon überzeugt, dass der Namensbestandteil „Thị“ auch bei der Antragstellerin kein bloßer Namenszusatz zum Familiennamen ist.

[14]Der Senat geht weiter davon aus, dass der Namensbestandteil „Thị“ bei der Antragstellerin auch ansonsten nicht dem Familiennamen zuzuordnen ist. So lässt die Anordnung der Namensbestandteile im maschinenlesbaren Teil des Reisepasses der Antragstellerin darauf schließen, dass die vietnamesischen Behörden diesen Namensbestandteil nicht dem Familiennamen zugeordnet haben.

[15]Unter Ziff. 3.4 Teil 3 des Dokuments 9303 – Machine Readable Travel Documents der International Civil Aviation Organization (abrufbar unter: https://www.icao.int/publications/documents/9303_p3_cons_en.pdf) wird hierzu ausgeführt, dass der Name des Passinhabers in der Regel aus zwei Teilen – dem primären und dem sekundären Identifikator – besteht. Der ausstellende Staat oder die ausstellende Organisation legen fest, welcher Teil des Namens der primäre Identifikator ist. Dies können der Familienname, der Mädchenname oder der Ehename, der Hauptname, der Nachname und in einigen Fällen der gesamte Name sein, wenn der Name des Inhabers nicht in zwei Teile aufgeteilt werden kann. Die übrigen Teile des Namens sind der sekundäre Identifikator. Dies können etwa die Vornamen oder andere sekundäre Namen seien. Unter Ziff. 4.6 des Dokuments wird zudem festgelegt, dass dem primären Identifikator in der maschinenlesbaren Zone die Zeichen „<<“ nachfolgen, hinter denen wiederum der sekundären Identifikator unmittelbar anschließen muss. Bestehen der primäre Identifikator oder der sekundären Identifikator aus mehreren Bestandteilen, sollen diese Bestandteile durch das Zeichen „<“ getrennt werden.

[16]Da im vietnamesischen Reisepass der Antragstellerin der Nachname „V.“ durch die Zeichen „<<“ von den übrigen Namensbestandteilen „THI“, „L.“ und „A.“ abgegrenzt ist und diese wiederum durch das Zeichen „<“ getrennt sind, ist hinreichend klar, dass die den Reisepass ausstellende vietnamesischen Behörde den Namensbestandteil „THI“ nicht dem Familiennamen zugeordnet hat. Der Senat sieht sich nicht veranlasst, diese namensrechtliche Zuordnung der zuständigen vietnamesischen Behörden durch eine eigene Auslegung zu ersetzen.

[17]Der Senat geht vielmehr davon aus, dass es sich bei dem Namensbestandteil „Thị“ im Namen der Antragstellerin um einen Teil des Mittelnamens handelt. Nachdem vorliegend eine Zuordnung des Namensbestandteils „Thị“ zum Familiennamen ausgeschlossen werden kann, kommt noch die Einordnung als Mittel- oder als Vorname in Betracht. Wie bereits ausgeführt, werden in Vietnam Namen gemäß Art. 14 ZStandG in der Reihenfolge Familienname, Mittelname, Vorname in das Geburtsregister eingetragen. Bei der Antragstellerin ist der Namensbestandteil „A.“ daher eindeutig der Vorname der Antragstellerin. Der Namensbestandteil „L.“, der dem Familiennamen der Mutter der Antragstellerin (L. Thị M. T.) entspricht und auch im Namen der Schwester der Antragstellerin (V., L. T. H.) enthalten ist, ist nach Auffassung des Senats vom Standesamt ausweislich der Eheurkunde (##) zutreffend als Mittelname eingeordnet worden. Da der Namensbestandteil „Thị“ in der vietnamesischen Geburtsurkunde der Antragstellerin vor dem Namensbestandteil „L.“ eingetragen ist, geht der Senat in Ansehung des Art. 14 ZStandG davon aus, dass es sich bei dem Namensbestandteil „Thị“ um einen Teil des Mittelnamens handelt.

[18]4.

[19]Die Eintragung hat in der aus der Beschlussformel ersichtlichen Reihenfolge und Form zu erfolgen.

[20]Nach § 23 Abs. 2 PStV ist bei Personen, die neben Vor- und Familiennamen weitere Namensbestandteile führen, der sich aus Urkunden ergebende Name mit allen Namensbestandteilen in die Personenstandsregister einzutragen. Mittelnamen sind deshalb so einzutragen, wie sie nach ausländischem Namensrecht tatsächlich geführt werden. Dieser Anforderung ist dadurch Rechnung zu tragen, dass die übliche Reihenfolge in Verbindung zum Vornamen beachtet wird (Kraus, StAZ 2017, 56 (57) m.w.N.).

[21]Im Übrigen sollen derartige Namensbestandteile in den Personenstandsregistern unter Hinweis auf die jeweilige Art der ausländischen Namensform bezeichnet werden. Bei einem Mittelnamen also mit dem Hinweis „Mittelname“.

[22]III. ...

Fundstellen

nur Leitsatz

FF, 2023, 375

LS und Gründe

StAZ, 2024, 51

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2023-334

Lizenz

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