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Verfahrensgang

AG Freiburg (Breisgau), Beschl. vom 14.09.2023 – 61 III 10/23, IPRspr 2023-242

Rechtsgebiete

Natürliche Personen → Namensrecht
Freiwillige Gerichtsbarkeit → Registersachen

Leitsatz

Zur Vermeidung einer hinkenden Namensführung eines EU-Bürgers aufgrund der Anwendung des Rechts eines Mitgliedstaates der EU ist eine von dem deutschen Recht abweichende Namensführung zulässig und kann in das Geburtenregister eingetragen werden. Dies gebietet die Freizügigkeit nach Art. 20, 21 AEUV. [LS der Redaktion]

Rechtsnormen

AEUV Art. 20; AEUV Art. 21
EGBGB Art. 5; EGBGB Art. 10
EGV-Nizza Art. 17; EGV-Nizza Art. 18

Sachverhalt

Am 09.12.2022 ging der Antrag auf Nachbeurkundung der Geburt des am ... in London geborenen Kindes ... beim Standesamt in ... ein. In diesem Zusammenhang haben die Eltern für die Namensführung ihres Kindes das dänische Recht gewählt und die Kombination der Namen beider Elternteile zum Geburtsnamen bestimmt. Das Kind soll den Namen ... laut der britischen Geburtsurkunde führen. Der Vater besitzt sowohl die britische als auch die dänische Staatsangehörigkeit, so dass grundsätzlich die Wahlmöglichkeit nach Artikel 10 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB zum Recht des Staates, dem einen Elternteil angehört, eröffnet ist. Sowohl nach dänischem als auch nach britischem Recht ist die oben angegebene Namensführung möglich. Für das am 28.06.2017 vor dem Standesamt ... nachbeurkundete Vorkind wurde ebenfalls das dänische Recht gewählt und führt dieses den Doppelnamen ...  Das Standesamt ... hat Zweifel an der Rechtslage und bezweifelt, dass die Namenserklärung wirksam entgegengenommen werden kann. 

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II.

[2]Das Standesamt ist wie tenoriert anzuweisen, die im Tenor genannte Eintragung vorzunehmen.

[3]Das Gericht hält die Wahl der Eltern, für die Namensführung ihres Kindes, das dänische Recht anzuwenden, vorliegend für zulässig. Sofern dies der Rechtsprechung des BGH in dem zitierten Beschluss zu widersprechen scheint, ist zum einen darauf hinzuweisen, dass in der zitierten Entscheidung der Senat nicht verkenne, dass sich aufgrund der mangels Eröffnung einer Rechtswahl anwendbaren Regelanknüpfung in Artikel 10 Abs. 1 i. V. m. Artikel 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB eine hinkende Namensführung ergeben könne, diese Feststellung jedoch nicht weiter ausgeführt wird, da in dem dort zu verhandelnden Fall die erstrebte Namensführung auch aufgrund des deutschen Rechts erreichbar gewesen ist. Daraus ergibt sich für das Gericht, dass eine abschließende Prüfung mit der Folge einer zur Vermeidung einer hinkenden Namensführung zwingenden Anerkennung der ausländischen Rechts- bzw. Namenslage nicht stattgefunden hat.

[4]Zum anderen war in dem dortigen Verfahren über die Anwendung australischen Rechts zu entscheiden. Vorliegend ist jedoch das dänische Namensrecht gewählt worden, somit sind die Anforderungen an die Übereinstimmung mit dem europäischen Recht zu berücksichtigen.

[5]Der BGH hat anscheinend bislang nicht entschieden, ob wegen des „Rechts auf Einnamigkeit“ innerhalb der EU seine Rechtsprechung zur Wahl von Rechtsordnung, die die Bildung eines Phantasienamens zulassen, einschränken würde. Danach dürfte es europarechtswidrig sein, wenn es zu einer hinkenden Namensführung mit einem anderen EU-​Staat (hier Dänemark) kommen würde.

[6]Das „Recht auf Einnamigkeit“ war Gegenstand der Rechtsprechung des EuGH in der Sache Grunkkin-​Paul. Danach verstößt eine unterschiedliche Namensführung innerhalb der EU nach Auffassung des EuGH gegen das Recht als Unionsbürger auf Freizügigkeit und freien Aufenthalt aus Artikel 17 EG i. V. m. Artikel 18 Abs. 1 EG. Zieht das in Dänemark geborene Kind nach Deutschland um, so könnte es den bisher geführten Namen dort nicht mehr weiterführen. Es wäre gezwungen in Deutschland einen anderen Namen zu führen als in Dänemark. Aus einer solchen Verpflichtung zur Führung unterschiedlicher Namen können sich für den EU-​Bürger schwerwiegende Nachteile beruflicher und privater Art ergeben. Enthalten Dokumente aus beiden Mitgliedstaaten (etwa Reisepass, Zeugnisse und Diplome) verschiedene Namen, so weckt dies Zweifel an der Identität des EU-​Bürgers. Dieser wäre ständig gezwungen den Verdacht von Falschangaben auszuräumen. Die Verpflichtung zur Führung unterschiedlicher Namen ist daher geeignet, einen Aufenthaltswechsel zwischen den Mitgliedsstaaten überhaupt zu erschweren.

[7]Für eine Verletzung des Rechts auf Freizügigkeit ist dabei kein wirtschaftlicher Zusammenhang erforderlich. Ein Verstoß dagegen ist auch bereits dann gegeben, wenn sich die unterschiedlichen Namensführungen potenziell, d. h. irgendwann einmal in Zukunft negativ auswirken kann. Damit sind „hinkende Namensverhältnisse“ innerhalb der EU unzulässig und verstoßen gegen Artikel 17 EGB i. V. m. Artikel 18 Abs. 1 EG. Diese Normen des Primärrechts gebieten viel mehr, dass jeder EU-​Bürger in der EU nur einen Namen zu führen braucht. Man kann dies als Prinzip der Einnamigkeit bezeichnen.

[8]Dem schließt sich das Gericht in vollem Umfang an. Vorliegend ist damit dem Antrag der Eltern zu entsprechen und der Nachname ... einzutragen.

Fundstellen

LS und Gründe

StAZ, 2024, 16

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2023-242

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