Das Vertragsstatut nach der Rom I-VO gilt nicht für die Frage der ordnungsgemäßen Vertretung bei Vertragsschluss, vgl. Art. 1 Abs. 2 lit. g) Rom I-VO. Hierfür ist das autonome IPR der Mitgliedstaaten, in Deutschland Art. 8 EGBGB maßgeblich. Nicht nach dem Vertretungsstatut, sondern nach dem Vertragsstatut beurteilt sich aber gegebenenfalls die Frage, ob das Geschäft eines vollmachtlosen Vertreters wirksam genehmigt wurde. [LS der Redaktion]
Die Klägerin ist eine GmbH deutschen Rechts, die Beklagten sind Gesellschaften türkischen Rechts. Sie streiten um Ansprüche aus einem Handelsvertreterverhältnis.
[1]C.
[2]Auf zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil des Senats vom 8.3.2023 war über die wechselseitigen Berufungen der Parteien zu entscheiden (§ 342 ZPO). Die Berufung der Beklagten hat insoweit keinen Erfolg; als begründet erweist sich hingegen die Berufung der Klägerin. Damit erweist sich das Versäumnisurteil als zutreffend und war folglich aufrechtzuerhalten (§ 343 S. 1 ZPO).
[3]I ... II.
[4]In der Sache erweist sich das Versäumnisurteil des Senats als zutreffend, so dass es aufrechtzuerhalten war. Die Beklagten schulden der Klägerin für die Zeiträume bis 30.9.2019 Provisionen in der verlangten Höhe, so dass die Berufung der Beklagten zu Recht zurückgewiesen wurde und die Berufung der Klägerin Erfolg hatte.
[5]1. Zwischen den Parteien bestand im streitgegenständlichen Zeitraum ein wirksames Handelsvertreterverhältnis.
[6]a) Der Vertrag vom 15./18.8.2014 (Anlage K 1) scheitert nicht an mangelnder Vertretungsmacht des für die Beklagten bei Vertragsschluss handelnden Herrn K.
[7]aa) Der Handelsvertretervertrag unterliegt kraft Rechtswahl (vgl. Anlage K 1, Ziff. 12) deutschem Recht (Art. 3 Abs. 1 Rom I VO). Die Wirksamkeit der Rechtswahl wird von den Parteien nicht bezweifelt. Ohne wirksame Rechtswahl ergäbe sich nach Art. 4 Abs. 1 lit. f) Rom I VO ebenfalls die Anwendbarkeit deutschen Rechts.
[8]Das Vertragsstatut nach der Rom I VO gilt allerdings nicht für die Frage der ordnungsgemäßen Vertretung bei Vertragsschluss (Art. 1 Abs. 2 lit. g) Rom I VO). Die Frage, ob Herr K. wirksam bevollmächtigt war, beurteilt sich vielmehr nach türkischem Recht (Art. 8 Abs. 3 EGBGB).
[9]Nicht nach dem Vertretungsstatut, sondern nach dem Vertragsstatut, also vorliegend nach deutschem Recht beurteilt sich aber gegebenenfalls die Frage, ob das Geschäft eines vollmachtlosen Vertreters wirksam genehmigt wurde (BGH, Urteil vom 8.10.1991 –
[10]bb) Hiernach wäre an sich zunächst nach türkischem Recht zu klären, ob Herr K. bei Vertragsschluss Vertretungsmacht für die Beklagten hatte. Dass er Organ der Beklagten ist, behauptet auch die Klägerin nicht. Damit käme nur eine rechtsgeschäftliche Vollmacht in Betracht. Eine ausdrückliche Bevollmächtigung vermag die Klägerin nicht vorzutragen. Damit käme nur in Betracht, dass sich eine Vollmacht des Herrn K. aus den Umständen, etwa entsprechend den deutschen Grundsätzen für eine Anscheins- oder Duldungsvollmacht ergibt. Ob und unter welchen Voraussetzungen entsprechende Rechtsfiguren auch im türkischen Recht existieren, wäre ohne Einholung eines Rechtsgutachtens nicht zu klären. Daher kann nach derzeitigem Sachstand nicht davon ausgegangen werden, dass Herr K. Vertretungsmacht hatte.
[11]cc) Die Frage kann jedoch offen bleiben. Folge fehlender Vertretungsmacht ist (nach deutschem Recht als Vertragsstatut) die zunächst schwebende Unwirksamkeit des Handelsvertretervertrages (§ 177 Abs. 1 BGB). Diese wäre jedoch geheilt durch Genehmigung seitens des Herrn T., der unstreitig vertretungsberechtigtes Organ der Beklagten ist.