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Verfahrensgang

AG Stuttgart, Beschl. vom 07.11.2022 – 27 F 1071/21
OLG Stuttgart, Beschl. vom 11.10.2023 – 17 UF 241/22, IPRspr 2023-183

Rechtsgebiete

Anerkennung und Vollstreckung → Ehe- und Kindschaftssachen
Kindschaftsrecht → Adoption
Allgemeine Lehren → Ordre public

Leitsatz

In Verfahren nach dem AdWirkG sind die besonderen Vorschriften des FamFG über das Verfahren in Adoptionssachen (§§ 186 ff. FamFG) nicht anzuwenden.

In Fällen, in denen die Voraussetzungen für eine Anerkennung der im Ausland erfolgten Adoption nach dem Haager Adoptionsübereinkommen nicht vorliegen, kann nach dem Günstigkeitsprinzip auf die nationalen Anerkennungsregeln zurückgegriffen werden.

Zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und zu den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen im Recht der Adoption Minderjähriger gehört die Ausrichtung der Adoptionsentscheidung am Kindeswohl. Hierbei ist die Überprüfung der Eignung des Adoptivbewerbers ein wesentlicher Teil der Kindeswohlprüfung. Eine solche umfassende Eignungsprüfung muss die gesamten Lebensumstände des Adoptivbewerbers umfassen.

Ein Verstoß gegen den großzügigeren anerkennungsrechtlichen ordre public liegt bei einer in wesentlichen Punkten unvollständigen Eignungsprüfung durch das ausländische Gericht nahe. Eine solche wesentliche Unvollständigkeit kann etwa gegeben sein, wenn dem ausländischen Gericht der internationale Charakter der Adoption verschwiegen wurde oder aus sonstigen Gründen nicht bekannt war.

Eine Nachholung der Eignungsprüfung unter Mitwirkung inländischer Stellen oder eine Ergänzung der Eignungsprüfung findet im Anerkennungsverfahren nicht statt, da dies über den Verfahrensgegenstand des Anerkennungsverfahrens hinausginge.

Rechtsnormen

AdWirkG § 1; AdWirkG § 2; AdWirkG § 9
EGBGB Art. 6
FamFG § 108; FamFG § 109; FamFG §§ 186 ff.
HAdoptÜ Art. 23
UN-Kinderrechtskonvention Art. 21

Sachverhalt

Die Antragstellerin ist kenianische Staatsangehörige und verfügt über eine Niederlassungserlaubnis in Deutschland. Aufgrund eines unerfüllten Kinderwunsches des nicht verheirateten Paares habe sie zum Zweck der Adoption eines Kindes Kontakt mit einem kenianischen Kinderheim aufgenommen, in welchem sie J. N. kennengelernt habe. An dem Adoptionsverfahren in Kenia wirkten das dortige Jugendamt (Ministry of Labour and Social Protection, Department of Children Services, Unterbezirk N. Süd), und eine kenianische Adoptionsvermittlungsstelle Kenya to Kenyans Peace Initiative (KKPI Adoption Society) mit. Mit Entscheidung vom 10.03.2020 hat der High Court of Kenya in N. die Adoption des am .....2018 in K., Kenia, geborenen Jungen namens „J. N.“ durch die Antragstellerin gestattet bzw. ausgesprochen. Der Name des Kindes wurde dabei in „J. M. F,“ geändert. In der Geburtsurkunde des Kindes vom 26.11.2020, ausgestellt vom Standesamt in K., Central Province, Kenia, wird der Angenommene mit neuem Namen und die Antragstellerin als dessen Mutter angegeben. Die Adoption wurde im Adoptionsregister (Adopted Children Register) am 29.07.2020 eingetragen. Mit Beschluss des High Court of Kenya, Law Court N., vom 10.05.2021 wurde nach Anhörung des Jugendamts der anwaltlich vertretenen Antragstellerin gestattet, Kenia mit dem adoptierten Kind in Richtung Deutschland zu verlassen, aber mit der Maßgabe, dass sie während des Aufenthalts in Deutschland alle sechs Monate an ein zuständiges Gericht oder eine zuständige Behörde über das Wohl des Kindes Bericht erstatten muss.

Das Verfahren betrifft den Antrag der Antragstellerin vom 06.07.2021 auf Anerkennung einer Entscheidung vom 10.03.2020 des High Court of Kenya in N., Kenia, in der die Adoption des Kindes J. M. F., geb. .....2018, durch die Antragstellerin gestattet bzw. ausgesprochen wurde. Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 07.11.2022 entschieden, der Antrag der Annehmenden zurückzuweisen. Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II.

[2]Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Amtsgericht den Anerkennungsantrag der Antragstellerin abgelehnt.

[3]1.

[4]Das Verfahren über die Anerkennung einer ausländischen Adoptionsentscheidung ist ein Verfahren nach § 108 Abs. 2 FamFG. Maßgeblich sind dabei in erster Linie die Bestimmungen des Adoptionswirkungsgesetzes (AdWirkG) und diejenigen Bestimmungen etwa des FamFG, auf die darin verwiesen wird. Die besonderen Vorschriften des FamFG für das Verfahren in Adoptionssachen (§§ 186 ff. FamFG) kommen nach neuerer Rechtsprechung des BGH hingegen nicht zur Anwendung (BGH FamRZ 2020, 1481 ff., Rn. 10 (IPRspr 2020-103)). Der Senat hält angesichts dieser Entscheidung des BGH an seiner früheren anderslautenden Ansicht zu dieser Frage (vgl. Senat, FamRZ 2018, 362 ff. (IPRspr 2017-173b)) nicht mehr fest.

[5]Nach § 1 AdWirkG a.F. gelten die Vorschriften dieses Gesetzes für eine Annahme als Kind, die auf einer ausländischen Entscheidung oder auf ausländischen Sachvorschriften beruht. Sie gelten nicht, wenn der Angenommene zur Zeit der Annahme das 18. Lebensjahr vollendet hatte. Nach § 2 Abs. 1 AdWirkG a.F. stellt das Familiengericht auf Antrag fest, ob eine Annahme als Kind im Sinne des § 1 anzuerkennen oder wirksam und ob das Eltern-​Kind-​Verhältnis des Kindes zu seinen bisherigen Eltern durch die Annahme erloschen ist.

[6]Vorliegend ist, wie von der Antragstellerin beantragt, die Variante der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung einschlägig, da eine ausländische Adoptionsentscheidung vorliegt, der, ihrer Begründung zufolge, eine inhaltliche Prüfung der Adoptionsvoraussetzungen zugrunde lag (zu diesem Kriterium vgl. Behrentin/Braun, Handbuch Adoptionsrecht, D Rn. 38).

[7]Nach § 9 AdWirkG finden auf das vorliegende Verfahren das Adoptionswirkungsgesetz und § 108 FamFG in der jeweils bis zum 31.03.2021 geltenden Fassung (AdWirkG a.F.) Anwendung, da das Adoptionsverfahren, das zu der Entscheidung, deren Anerkennung beantragt wird, geführt hat, vor dem 31.03.2021 eingeleitet wurde.

[8]2.

[9]Die Adoptionsentscheidung des High Court of Kenya vom 10.03.2020 kann nicht nach den - vorrangig zu prüfenden - Vorschriften des HAÜ anerkannt werden.

[10]Die Beteiligten haben im vorliegenden Fall das in dem Abkommen vorgesehene Verfahren nicht eingehalten. Insbesondere haben sie jedenfalls in Deutschland die zuständigen Adoptionsvermittlungsstellen sowie die Zentralen Behörden nicht beteiligt. Die Antragstellerin hat infolgedessen auch nicht die für die Anerkennung nach dem HAÜ erforderliche Konformitätsbescheinigung gemäß Art. 23 HAÜ beigebracht. Diese Feststellung des Amtsgerichts wird von ihr im Beschwerdeverfahren auch nicht in Frage gestellt.

[11]3.

[12]Die Adoptionsentscheidung vom 10.03.2020 ist auch nicht im Verfahren nach §§ 108, 109 FamFG anzuerkennen.

[13]a) In Fällen, in denen die Voraussetzungen für eine Anerkennung der im Ausland erfolgten Adoption nach dem HAÜ nicht vorliegen, kann nach dem Günstigkeitsprinzip auf die nationalen Anerkennungsregeln zurückgegriffen werden. Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senat, FamRZ 2018, 362 ff.) sowie der in Rechtsprechung und Literatur überwiegend vertretenen Ansicht (vgl. OLG Brandenburg, StAZ 2017, 15 ff. m.w.N. in Rn. 13 (IPRspr 2016-175b); OLG Celle FamRZ 2017, 1503 ff. (IPRspr 2017-171b); Staudinger FamRBint 2007, 42 ff.; Andrae, Internationales Familienrecht, 4. A., § 8 Rn. 73 ff., Rn. 76 a.E.; Behrentin/Braun, D Rn. 45 ff., Rn. 49 ff., jeweils m.w.N.). Auch das Bundesamt für Justiz bezeichnet dies in seiner Stellungnahme vom 31.03.2022 im vorliegenden Verfahren als die in der Rechtsprechung überwiegend vertretene Ansicht.

[14]b) Es bestehen im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Versagungsgrundes nach § 109 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 FamFG (zu den diesbezüglichen Voraussetzungen im vorliegenden Zusammenhang vgl. Behrentin/Braun, D Rn. 119 bis 132).

[15]c) Im vorliegenden Fall würde die Anerkennung der Adoptionsentscheidung des High Court of Kenya vom 10.03.2020 zu einem Ergebnis führen, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist (§ 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG; ordre public).

[16]aa) Ein die Anerkennung hindernder Verstoß gegen den ordre public kann sich sowohl aus dem materiellen Ergebnis der ausländischen Entscheidung (materiell-​rechtlicher ordre public) als auch dem zugrundeliegenden ausländischen Verfahren (verfahrensrechtlicher ordre public) ergeben. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist beim materiellen ordre public für die Frage der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung regelmäßig nicht auf den kollisionsrechtlichen ordre public nach Art. 6 EGBGB abzustellen, den die deutschen Gerichte bei Anwendung ausländischen Rechts zu beachten haben, sondern auf den großzügigeren anerkennungsrechtlichen ordre public. Mit diesem ist eine ausländische Entscheidung nicht schon dann unvereinbar, wenn der deutsche Richter - hätte er das Verfahren entschieden - auf Grund zwingenden deutschen Rechts zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Maßgeblich ist beim anerkennungsrechtlichen ordre public vielmehr, ob das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts im konkreten Fall zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass es nach deutscher Vorstellung untragbar erscheint (BGH FamRZ 2020, 1481 ff., Rn. 48, 49 m.w.N. (IPRspr 2020-103)).

[17]Weiter hat der BGH ausgeführt, dass nicht nur beim kollisionsrechtlichen ordre public nach Art. 6 EGBGB, sondern auch beim anerkennungsrechtlichen ordre public nach § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG zwischen der Intensität der Inlandsbeziehung einerseits und der für das Eingreifen des ordre public nötigen Erheblichkeit der Abweichung von Grundgedanken des deutschen Rechts andererseits eine umgekehrte Proportionalität besteht: Die Anforderungen an den Inlandsbezug sind umso geringer, je stärker das Ergebnis der Anwendung ausländischer Normen gegen grundlegende Gerechtigkeitsvorstellungen des nationalen Rechts verstößt; umgekehrt ist ein besonders ausgeprägter Inlandsbezug zu verlangen, wenn die Stärke des Verstoßes gegen wesentliche Grundsätze des deutschen Rechts vergleichsweise gering erscheint (BGH a.a.O. Rn. 53 m.w.N.).

[18]bb) Der BGH hat für den Fall einer ausländischen Adoption eines Volljährigen ausgeführt, dass eine auf ausländische Rechtsvorschriften gestützte Adoptionsentscheidung aus Sicht des deutschen Rechts etwa dann missbilligt werden kann, wenn bei intensiver Inlandsbeziehung des Sachverhalts die Anrufung des ausländischen Gerichts bewusst deshalb erfolgte, um sich die weniger restriktiven Annahmevoraussetzungen des ausländischen Rechts nutzbar zu machen. Von einem solcherart arrangierten Auslandsfall ist regelmäßig dann auszugehen, wenn das ausländische Gericht seine Entscheidungszuständigkeit für das Adoptionsverfahren auf der Grundlage unrichtiger oder irreführender Angaben der Adoptionsbeteiligten über ihren Wohn- oder Aufenthaltsort bejaht hat. Gleiches gilt auch dann, wenn es bei einer Gesamtschau aller Umstände des Sachverhalts mit Händen zu greifen ist, dass die Voraussetzungen für die Entscheidung durch ein ausländisches Gericht nur deshalb herbeigeführt wurden, um die restriktiveren Annahmevoraussetzungen des deutschen Adoptionsrechts für die Annahme Volljähriger und die Rechte der Kinder des Annehmenden zu umgehen. Anhaltspunkte dafür können sich beispielsweise daraus ergeben, dass einer oder beide Adoptionsbeteiligte ihren Aufenthalts- und Wohnort nur vorübergehend und ausschließlich zum Zwecke des Adoptionsverfahrens in den ausländischen Gerichtsstaat verlegt haben (vgl. BGH a.a.O. Rn. 54 bis 56).

[19]Beurteilungszeitpunkt für die Frage eines Verstoßes gegen den ordre public ist der Zeitpunkt der Anerkennung der ausländischen Entscheidung (BGH a.a.O. Rn. 67).

[20]cc) Zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen im Recht der Adoption Minderjähriger gehört die Ausrichtung der Adoptionsentscheidung am Wohl des anzunehmenden Kindes (BGH FamRZ 2015, 1479 ff., Rn. 34 m.w.N. (IPRspr 2015-121)). Hierbei ist die Überprüfung der Eignung des Adoptivbewerbers ein wesentlicher Teil der Kindeswohlprüfung (Behrentin/Braun, D Rn. 145).

[21]Der besonderen Bedeutung des Kindeswohls kann dabei nur ausreichend Rechnung getragen werden, wenn eine umfassende Prüfung der Eignung der Adoptionsbewerber als Adoptiveltern stattfindet. Eine solche Eignungsprüfung der Adoptiveltern muss die gesamten Lebensumstände umfassen und sich insbesondere auf die persönlichen und familiären Verhältnisse, die gesundheitliche Situation und die Beweggründe für eine Adoption beziehen. Nur so kann sichergestellt werden, dass nur solche Adoptionsbewerber als Eltern in Betracht kommen, die in der Lage sind, dem zu adoptierenden Kind eine am Kindeswohl orientierte gesicherte Zukunftsperspektive zu bieten (vgl. OLG Düsseldorf, B. v. 24.06.2014 – 1 UF 1/14 (IPRspr 2014-111b), juris, Rn. 17; OLG München B. v. 05.12.2011 – 31 Wx 83/11 (IPRspr 2011-120b), juris). Bei einer unzureichenden Eignungsprüfung im Vorfeld einer ausländischen Adoption liegt ein ordre-​public-​Verstoß nahe (OLG Düsseldorf a.a.O.; Behrentin/Braun, D Rn. 145; Andrae § 8 Rn. 82).

[22]Angesichts dessen wird ein ordre-​public-​Verstoß vielfach angenommen, wenn dem ausländischen Gericht der internationale Charakter der Adoption nicht bewusst war (Staudinger/Henrich, BGB-​Kom., Bearb. 2022, Art. 22 EGBGB Rn. 95 m.z.w.N.; Andrae § 8 Rn. 83). Jedenfalls indiziert eine derartige, einen ganz wesentlichen Gesichtspunkt betreffende Verkürzung der Kindeswohlprüfung einen ordre-​public-​Verstoß (Behrentin/Braun, D Rn. 166). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.

[23]dd) Der vorliegende Fall weist einen bedeutsamen Inlandsbezug auf, da die Antragstellerin, die kenianische Staatsangehörige ist, vor dem Beginn ihrer Bemühungen, ein kenianisches Kind zu adoptieren, mindestens seit 2011 in Deutschland gelebt und wegen ihrer Absicht, auf Dauer zurückzukehren, trotz ihrer auch im Beschwerdeverfahren dargestellten, wiederholten und längerdauernden Aufenthalte bei dem Kind in Kenia, im Inland weiterhin ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Zudem beabsichtigt die Antragstellerin, das anzunehmende Kind nach Deutschland zu holen und mit dem Jungen und ihrem ebenfalls hier lebenden deutschen Lebensgefährten zusammen in Deutschland als Familie zu leben.

[24]ee) Die Antragstellerin hat den mit der Prüfung der Adoptionsvoraussetzungen befassten Stellen in Kenia vor der Adoptionsentscheidung des High Court of Kenya vom 10.03.2020 nicht mitgeteilt, dass sie - jedenfalls auch - in Deutschland lebt und dort mit einem Lebensgefährten zusammenlebt. Dies ergibt sich bereits aus ihren eigenen Angaben im Termin vor dem Amtsgericht vom 09.09.2022 sowie auf folgenden weiteren Umständen: Im Bericht des Jugendamts in N. Süd, Ministerium für Arbeit und Sozialschutz, Abteilung für Kinderschutz, vom 02.03.2020, in dem als Anschrift der Antragstellerin lediglich eine Adresse in Kenia angegeben ist, wird nach Darstellungen insbesondere zu dem anzunehmenden Kind und zu den Lebensverhältnissen der Antragstellerin in Kenia am Ende ausgeführt: „Es handelt sich vorliegend um eine lokale Adoption …“.  In dem nach Erlass der Adoptionsentscheidung gefertigten Bericht des Jugendamts N. Süd vom 03.05.2020 (richtig wohl 03.05.2021) wird hingegen als Anschrift der Antragstellerin neben einem Ort in Kenia auch ihre Adresse in L., Deutschland, angegeben und es wird einleitend ausgeführt: „Ich weise ausdrücklich auf die Tatsache hin, dass M. A. W. als kenianische Staatsangehörige einen Adoptionsantrag gemäß den lokalen Bestimmungen gestellt hat. Sie hat hierbei zu keinem Zeitpunkt erklärt, in Deutschland zu wohnen und dort zu arbeiten …“.

[25]Den an der Adoption beteiligten Stellen und dem High Court of Kenya war also bei der Adoptionsentscheidung der internationale Bezug der Adoption unbekannt; unbekannt waren bei der Adoptionsentscheidung etwa der langjährige Aufenthalt der Antragstellerin vor Beginn des Adoptionsverfahrens in Deutschland, die Absicht der Antragstellerin, nach der Adoption mit dem Kind auf Dauer wieder in Deutschland zu leben, die - persönlichen und wirtschaftlichen - Lebensumstände der Antragstellerin in Deutschland und hierbei besonders das Vorhandensein eines Lebensgefährten, mit dem die Antragstellerin und das Kind hier künftig zusammenleben sollen.

[26]Es kann im vorliegenden Zusammenhang offen bleiben, ob die Antragstellerin vor der Adoptionsentscheidung in Kenia in Täuschungsabsicht und um die Adoption zu ermöglichen oder zu erleichtern, keine konkret auf einen künftigen Aufenthalt des anzunehmenden Kindes in Deutschland hinweisenden Umstände mitgeteilt hat. Dafür, dass sie, entgegen ihren Beteuerungen im vorliegenden Verfahren, vor der Adoptionsentscheidung jedenfalls bedingt vorsätzlich unvollständige Angaben gemacht hat, ist der Senat angesichts der hierfür sprechenden gewichtigen Indizien überzeugt. Diese Indizien sind insbesondere, dass deutliche Bezüge der Antragstellerin zu Deutschland wegen der dann naheliegenden Absicht, mit dem Kind dorthin zurückzukehren, für jedermann ersichtlich ein ganz wesentlicher Gesichtspunkt bei der Prüfung der Adoptionsvoraussetzungen sein würden, zumal ein Aufenthalt des Kindes in Deutschland ein zentraler Aspekt seines Lebens nach der Adoption wäre, und dass die Antragstellerin in auffallender Weise nach Erlass der Adoptionsentscheidung diese Bezüge sehr umfassend dargestellt hat, wie der mit dem Datum 03.05.2020 versehene Bericht des Jugendamts zeigt.

[27]Wenn die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren von einer „Heilung“ des dargestellten Mangels durch den Beschluss des High Court of Kenya, Law Court N., vom 10.05.2021 ausgehen will, so ist darauf hinzuweisen, dass der Beschluss vom 10.05.2021, der seinem Inhalt nach nicht die Adoptionsfrage, also das Rechtsverhältnis zwischen dem Kind und seinen leiblichen Eltern und zu der Antragstellerin betrifft, an der schwerwiegenden Unvollständigkeit der der Adoptionsentscheidung selbst vorausgegangenen Prüfung, auch soweit sie einen Verstoß gegen den ordre public begründet, nichts ändern kann. Die Adoptionsentscheidung ist allein der Beschluss vom 10.03.2020. Auf dessen Grundlage wurde die Antragstellerin in die Geburtsurkunde des Kindes als dessen Mutter eingetragen. Gegenstand des vorliegenden Anerkennungsverfahrens ist auch lediglich die Adoptionsentscheidung vom 10.03.2020.

[28]ff) Diese Mängel der Eignungsprüfung im Vorfeld der ausländischen Adoption sind im Rahmen der Prüfung eines ordre-​public-​Verstoßes bei wertender Betrachtung hier als schwerwiegend anzusehen.

[29]aaa) Sie haben zunächst zur Folge, dass die Lebensumstände in Deutschland, die im Fall einer Anerkennung der Adoption für das Kind voraussichtlich bedeutsamer wären als diejenigen in Kenia, weitgehend ungeprüft blieben. Durch eine solche - durch die eingeschränkte Erkenntnislage der mit der Adoption befassten Stellen in Kenia verursachte - Einschränkung der Eignungsprüfung würde es etwa unbemerkt bleiben, wenn, unabhängig vom vorliegenden konkreten Fall, das Kind in Deutschland in desolate Verhältnisse geraten würde oder unter Kindeswohlgesichtspunkten Bedenken hinsichtlich weiterer mit dem Kind künftig zusammenlebender Personen bestehen würden.

[30]bbb) Hinzu kommt, dass das Erfordernis des Adoptionsbedürfnisses vor der Adoptionsentscheidung vom 10.03.2020 von den kenianischen Behörden und Gerichten nicht geprüft werden konnte, da ihnen unbekannt war, dass es sich in der Sache um eine internationale Adoption handelte. Die Annahme, dass auch ohne nähere Ausführungen in der ausländischen Adoptionsentscheidung davon ausgegangen werden kann, dass das Gericht auch das Adoptionsbedürfnis geprüft hat (vgl. hierzu Senat, FamRZ 2018, 362 ff. (IPRspr 2017-173b) in einem Fall, in dem das Kind inzwischen volljährig geworden war) ist nicht berechtigt, wenn dem Gericht der internationale Charakter der Adoption nicht bekannt war (vgl. Behrentin/Braun, D Rn. 167). Zu Recht weist das Bundesamt für Justiz in seiner Stellungnahme gegenüber dem Amtsgericht darauf hin, dass eine Adoption mit dem Kindeswohl nur dann vereinbar ist, wenn sie zu einer Verbesserung der persönlichen Verhältnisse oder der Rechtsstellung des Kindes führt. Die mit einer Adoption verbundenen Vorteile sind gegen die Nachteile für das Kind wie zum Beispiel die Herausnahme aus der vertrauten Umgebung und aus dem Kulturkreis, in dem es bislang aufgewachsen ist, abzuwägen. Auch der damit zusammenhängende Grundsatz der Subsidiarität der Auslandsadoption, der etwa in Art. 21 lit. b der UN-​Kinderrechtskonvention angesprochen wird, konnte in der Sache von dem kenianischen Gericht nicht geprüft werden.

[31]gg) Bei einer Gesamtbewertung aller Umstände des vorliegenden Falles, unter Berücksichtigung des dargestellten Inlandsbezugs, gelangt der Senat zu dem Ergebnis, dass eine Anerkennung der Adoptionsentscheidung vom 10.03.2020 zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch stehen würde, dass es nach deutscher Vorstellung nicht hinzunehmen wäre. Das Amtsgericht hat die Anerkennung somit zu Recht wegen eines Verstoßes gegen den ordre public (§ 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG) versagt.

[32]III.

[33]Eine Nachholung der Eignungsprüfung unter Mitwirkung inländischer Stellen, auf die die Antragstellerin verweist, findet im vorliegenden Verfahren nicht statt. Zwar können im Anerkennungsverfahren grundsätzlich auch noch bis zum Entscheidungszeitpunkt hinzugekommene Erkenntnisse berücksichtigt werden. Jedoch ist die Durchführung einer Eignungsprüfung mit dem Gegenstand des Anerkennungsverfahrens nicht vereinbar (ebenso Behrentin/Braun, D Rn. 109 ff. m.w.N.).

[34]Der BGH (a.a.O. Rn. 11) hat hierzu ausgeführt, dass zwischen dem Adoptionsverfahren und dem Anerkennungsverfahren ein grundlegender Unterschied besteht. Dieser liegt darin, dass Verfahrensgegenstand bei der Adoption eine in die Zukunft gerichtete rechtliche Neugestaltung von Abstammungsverhältnissen ist, während das Anerkennungsverfahren die Beurteilung eines im Ausland bereits abgeschlossenen dahingehenden Verfahrens zum Gegenstand hat, bei dem die Prüfung auf die in § 109 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 FamFG genannten Aspekte beschränkt ist.

[35]Eine Eignungsprüfung, ggf. unter Mitwirkung inländischer Stellen, ginge über den insbesondere durch die Prüfung der Anerkennungsversagungsgründe bestimmten Gegenstand des Anerkennungsverfahrens hinaus. Zudem würde ein solches Vorgehen in der Sache eine inhaltliche Nachprüfung der ausländischen Entscheidung bedeuten, die nach § 109 Abs. 5 FamFG im Anerkennungsverfahren gerade nicht stattfindet (vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 2019, 611 ff. Rn. 19 (IPRspr 2018-185) a.E.; Behrentin/Braun, D Rn. 111).

[36]IV. ...

Fundstellen

LS und Gründe

NJW-RR, 2023, 1558, mit Anm. Braun

nur Leitsatz

FamRZ, 2024, 378

Bericht

Braun, NZFam, 2024, 88

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2023-183

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