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Verfahrensgang

AG Weiden/Oberpfalz, Beschl. vom 03.02.2022 – UR III 5/20, IPRspr 2022-45
OLG Nürnberg, Beschl. vom 07.02.2023 – 11 W 2076/22, IPRspr 2023-156

Rechtsgebiete

Ehe und andere familienrechtliche Lebens- und Risikogemeinschaften → Eingehung, Wirksamkeit
Rechtsgeschäft und Verjährung → Form
Rechtsgeschäft und Verjährung → Stellvertretung

Leitsatz

Eine Eheschließung durch einen Vertreter ist nur dann als reine Formfrage gemäß Art. 11 EGBGB und nicht auch als Frage der Eheschließungsvoraussetzung gemäß Art. 13 Abs. 1 EGBGB zu qualifizieren, wenn der Vollmachtgeber den konkreten Ehepartner nach eigenem Willen bestimmt hat.

Die Berichtigung eines abgeschlossenen Registereintrags nach § 48 PStG setzt den vollen Beweis der behaupteten Tatsache voraus. Dies gilt auch für die genannte Beschränkung der Vollmacht. [LS von der Redaktion neu gefasst]

Rechtsnormen

59/1953 PersolastatutG (Syrien) Art. 8
BGB § 1311
EGBGB Art. 11; EGBGB Art. 13
FamFG § 58; FamFG § 59; FamFG § 63
PStG § 47; PStG § 48; PStG § 51
ZPO § 286

Sachverhalt

Die Antragsteller sind die in den Jahren 1994 und 1995 geborenen Eltern des Kindes .... Beide Eltern sind syrische Staatsangehörige. Zur Eintragung des Kindes beim Standesamt wurden im Original mit amtlicher Übersetzung in die deutsche Sprache im Hinblick auf eine Eheschließung der Eltern ein Auszug aus dem syrischen Personenstandsregister der Mutter, eine syrische Heiratsurkunde der Eltern, ein Auszug aus dem syrischen Familienstandsregister, eine Bescheinigung des Schariagerichts A. über die Bestätigung einer Eheschließung und eine Spezialvollmacht vom 01.04.2014 des Kindesvaters als Vollmachtgeber über die Bevollmächtigung von Herrn ... als Vollmachtnehmer zur Vertretung des Vollmachtgebers bei der Eheschließung vorgelegt. Nach der vorgelegten Urkunde erfolgte am 10.09.2017 beim Schariagericht in A. die Bestätigung und Eintragung einer Eheschließung der Eltern am 15.03.2017. Hierbei war der Vater abwesend, er befand sich zu diesem Zeitpunkt in Deutschland, und wurde aufgrund der genannten Vollmacht durch den Bevollmächtigten, seinen Vater, vertreten. Die am 01.01.2014 ausgestellte Vollmacht enthält keine Angaben über den Ehegatten, mit dem die Eheschließung erfolgen soll. Der Vollmachtnehmer ist gemäß der genannten „Spezialvollmacht“ bevollmächtigt, „mich bei meiner Eheschließung zu vertreten und die Morgen- und Abendgabe festzulegen, mich in den Angelegenheiten der Scheidung und allem, was mit der Beschaffung meiner eigenen amtlichen Dokumente zusammenhängt, zu vertreten, mich in den Gerichten aller Arten, insbesondere im Schariagericht, in den Angelegenheiten meiner Eheschließung und den daraus resultierenden Angelegenheiten in Begleitung einer beliebigen Person zu vertreten.“ Die Vollmacht wurde vor dem ersten Notar in A. beglaubigt. Der Bürgermeister des Ortes A.-​B. bestätigt mit Schreiben vom 08.05.2022, dass der Zweck der Vollmachtserteilung die Eheschließung mit Frau ..., also der Antragstellerin, war. Bei der Beurkundung der Geburt des Kindes wurden im Hinweisteil des Geburtenregistereintrags vom 06.02.2019 keine Daten zu einer Eheschließung der Eltern aufgenommen.

Die Eltern beantragen, den Geburtenregistereintrag dahingehend zu berichtigen, dass im Hinweisteil des Geburtenregistereintrags als Tag der Eheschließung der Eltern der 15.03.2017 und als Ort der Eheschließung der Eltern A., Arabische Republik Syrien, aufgenommen wird. Mit Beschluss vom 03.02.2022 hat das Amtsgericht den Antrag auf Berichtigung des Geburtenregistereintrags zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss wenden sich beide Eltern mit ihrer Beschwerde.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II.

[2]Die gemäß §§ 58, 59 Abs. 3, § 63 FamFG, § 51 Abs. 1 PStG zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Weiden i.d.OPf. vom 3. Februar 2022 hat in der Sache keinen Erfolg.

[3]Das Amtsgericht geht in seinem Beschluss ebenso wie die Beteiligten zutreffend davon aus, dass die Frage zu prüfen ist, ob die eingeräumte Vollmacht lediglich eine Stellvertretung nur in der Erklärung und nicht im Willen bewirkt. Nach dem syrischen Eherecht ist eine Stellvertretung bei der Eheschließung möglich. Dem Stellvertreter kann (unter bestimmten Umständen) auch die konkrete Auswahl des Ehepartners überlassen werden (vgl. Max-​Planck-​Institut, Familienrecht in Syrien, Kommentar zum staatlichen Familienrecht: Die Ehe, zuletzt abgerufen am 11.01.2023 unter https://www.familienrecht-​in-​nahost.de/8555/Syrien-​Kommentar-​Ehe). Das syrische Recht wäre - unter Vorbehalt des deutschen ordre public - deshalb anzuwenden, wenn die Eheschließung eine reine Formfrage wäre. Eine Eheschließung durch einen Vertreter ist aber nur dann als reine Formfrage (Art. 11 EGBGB) und nicht auch als Frage der Eheschließungsvoraussetzung (Art. 13 Abs. 1 EGBGB) zu qualifizieren, wenn es sich um eine Stellvertretung lediglich in der Erklärung handelt, bei der der Vollmachtgeber die Eheschließung sowie den konkreten Ehepartner nach eigenem Willen bestimmt hat. Demgegenüber würde eine Stellvertretung im Willen, die dem Vertreter eine eigene Entscheidungsbefugnis bezüglich der Eheschließung oder der Wahl des Ehepartners einräumt, auch die materiellen Voraussetzungen der Eheschließung berühren. Denn das materielle Gebot des deutschen Rechts, den Willen zur Eingehung der Ehe höchstpersönlich zu erklären (§ 1311 BGB), hat insoweit zweiseitigen Charakter (BGH FamRZ 2022, 93 Rn. 12 (IPRspr 2021-28)). Eine Stellvertretung im Willen wäre keine reine Formfrage, sondern ein Element des materiellen Ehewillens. Sie unterfiele deshalb der Anknüpfung nach Art. 13 Abs. 1 EGBGB und wäre nach dem für den Antragsteller als anerkannten Flüchtling geltenden deutschen Wohnsitzrecht unzulässig (BGH a.a.O.; BayObLGZ 2000, 335, 338 (IPRspr. 2000 Nr. 51); KG OLGZ 1973, 435, 439 (IPRspr. 1973 Nr. 55) (dort wird allerdings nicht auf die Formulierung der Vollmacht abgestellt)). Auf den von dem Generalkonsulat I. geprüften - von seinen Voraussetzungen her allerdings weitgehend identischen - möglichen ordre public Verstoß (hierzu etwa Coester, in: MünchKomm-​BGB, 8. Aufl., Art. 13 EGBGB Rn. 46) kommt es bei einem anerkannten Flüchtling mit Wohnsitz in Deutschland nicht an.

[4]Der Senat konnte keine Überzeugung von einer materiell nach deutschem Recht wirksamen Eheschließung gewinnen.

[5]Ein abgeschlossener Registereintrag darf in den Fällen des § 47 PStG von dem Standesamt berichtigt werden. Im Übrigen darf die Berichtigung nur auf Anordnung des Gerichts erfolgen, § 48 Abs. 1 Satz 1 PStG. Voraussetzung ist die Überzeugung des Gerichts von der Richtigkeit der beantragten Eintragung. An den Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen (BGH FamRZ 2017, 1337; Senat StAZ 2015, 84; KG FamRZ 2021, 357). Es ist voller Beweis erforderlich. Nach § 286 ZPO hat der Senat ohne Bindung an Beweisregeln und nur seinem Gewissen unterworfen die Entscheidung zu treffen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann. Jedoch setzt das Gesetz eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht voraus. Der Senat darf keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit bei der Prüfung verlangen, ob eine Behauptung wahr und erwiesen ist. Vielmehr darf und muss sich der Richter in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH FamRZ 1993, 668 Rn. 16). Der Senat hätte deshalb die Überzeugung gewinnen müssen, dass die für seinen Vater ausgestellte Vollmacht auf die Heirat mit der Antragstellerin beschränkt war.

[6]Legt man diese Voraussetzungen zugrunde, so weist das Ausgangsgericht zunächst bereits zutreffend darauf hin, dass jedenfalls die Formulierung der vorliegenden Vollmacht erheblich gegen eine ausschließliche Stellvertretung in der Erklärung spricht (diese Einschränkung allerdings auch nicht ausschließt, vgl. Staudinger/Mankowski, BGB, Bearbeitung 2010, Art. 13 EGBGB Rn. 221). In der Vollmacht wird kein bestimmter Ehegatte genannt, obwohl Art. 8 des syrischen Personalstatutsgesetzes von 1953 eine unbeschränkte und eine beschränkte Stellvertretung kennt. Die Vollmacht umfasst zudem auch Scheidungsangelegenheiten, ist also nicht auf eine singuläre zuvor festgelegte Eheschließung beschränkt. Vollmacht und Eheschließung liegen auch zeitlich weit voneinander entfernt. Für den Senat bleibt offen, ob die Vollmacht selbst bei grundsätzlicher Festlegung der Ehefrau nicht doch die Möglichkeit einer abweichenden Wahl durch den Vater für Sonderfälle offen ließ.

[7]Die durchgeführte Beweisaufnahme konnte die Zweifel des Senats nicht in ausreichendem, Zweifeln Schweigen gebietendem Maß ausräumen.

[8]Nach den Angaben des Zeugen, dem Vater der Antragstellerin, der früher in Syrien als Rechtsanwalt tätig war, habe er mit dem Vater des Bräutigams darüber gesprochen, dass er eine Vollmacht von seinem Sohn bekommen solle. Die erwähnte Braut in dieser Vollmacht sei seine Tochter. Er könne einen Eid ablegen, dass die Person, die in der Vollmacht erwähnt worden sei, seine Tochter gewesen sei. Es sei eine allgemeine Vollmacht, die man nach diesem Muster bekomme. Manchmal würden ein paar Ziffern, die dem jeweiligen Anlass nicht entsprechen, vom Notar weggelassen oder hinzugefügt. Auf nochmalige Nachfrage, warum man in der Vollmacht nicht den Namen der Tochter aufgenommen habe, erklärte der Zeuge, er könne sich das nur in der Weise erklären, dass der Notar möglicherweise aus Versehen vergessen habe, den Namen einzutragen. Die Notare seien in Syrien ganz normale Menschen, die nicht unbedingt für ihre Tätigkeit geschult worden seien. Sie seien deshalb auch nicht unbedingt besser informiert. Er sei anwesend gewesen, als die Vollmacht ausgestellt worden sei. Er habe den Inhalt aber nicht überprüft. Der Vater des Bräutigams hätte eigentlich eine beschränkte Vollmacht haben wollen, sie hätten ihm gesagt, dass eine allgemeine Vollmacht besser sei. Inklusive der Eheschließung hätten sie dem Vater gesagt, er sei für seinen Sohn zuständig und bevollmächtigt, alle Anträge für seinen Sohn zu stellen. Der Sohn wäre für eine kurze Zeit anwesend, da er zurück nach Deutschland gemusst habe. Es sei um die Mitgift gegangen, die Brautgabe, es gebe die sofortige Auszahlung und die spätere Auszahlung. Das sei besprochen worden, sie hätten sich geeinigt. Dann sei es um die Familienzusammenführung und den dafür erforderlichen Antrag gegangen. Er wisse nicht mehr, ob die Vollmacht auch der Familienzusammenführung diente, es sei 2014 gewesen.

[9]Das Ergebnis dieser Beweisaufnahme genügt zur Überzeugungsbildung des Senats nicht. Der Zeuge konnte die Frage, warum in der Vollmachtsurkunde seine Tochter nicht erwähnt wird, nicht wirklich klären. Die weite Formulierung der Vollmacht, was die Angelegenheiten angeht, ist im Hinblick auf die für eine Familienzusammenführung notwendigen Erklärungen nachvollziehbar. Die Eingrenzung der Vollmacht auf eine bestimmte Braut wäre hiervon aber nicht betroffen. Die Beteiligten mögen sich im Jahr 2014, wofür auch die Anwesenheit des Zeugen bei der Vollmachtserteilung spricht, über die Person der Braut für die beabsichtigte Eheschließung einig gewesen sein. Schon angesichts des erheblichen Zeitraums zwischen Vollmachtserteilung und Eheschließung konnten sie die weitere Entwicklung aber nicht wirklich sicher absehen. Der Senat kann weiterhin nicht ausschließen, dass schon im Hinblick auf diesen Zeitablauf, der Antragsteller seinem Vater vorsorglich nicht doch auch eine vor Ort mögliche Entscheidungsbefugnis hinsichtlich seiner Braut eingeräumt hat.

[10]Einer weiteren Beweisaufnahme in Syrien (mittels Videokonferenz) insbesondere durch Einvernahme des Vaters des Beschwerdeführers stehen - selbst wenn man die eingeschränkte Möglichkeit eine Überzeugung von der Glaubhaftigkeit der Aussage zu gewinnen außen vor lässt – rechtliche Hürden entgegen. Beweisaufnahmen im Ausland bedürfen der Zustimmung des Staates, in dem die Beweisaufnahme durchgeführt werden soll. Die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in D. ist aber derzeit geschlossen. Nach den Informationen des Bundesamtes für Justiz im Internet wird Rechtshilfe durch syrische Stellen derzeit nicht geleistet, eine Beweisaufnahme durch deutsche Auslandsvertretungen ist zurzeit nicht möglich. Wie unter diesen Voraussetzungen überhaupt Kontakt zu einer syrischen Regierungsstelle aufgenommen werden soll, um die Beweisaufnahme zu ermöglichen, erschließt sich nicht.

[11]Demzufolge war die Beschwerde zurückzuweisen.

[12]...

Fundstellen

Bericht

Finger, FamRB, 2023, 294
Plitzko, NZFam, 2023, 380

LS und Gründe

FamRZ, 2023, 1459
StAZ, 2023, 216, mit Anm. (Wall)

nur Leitsatz

FF, 2023, 173
IPRax, 2024, VIII, Heft 3

Permalink

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