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Verfahrensgang

AG Hof, Beschl. vom 19.08.2022 – 001 F 771/21
OLG Bamberg, Beschl. vom 21.12.2022 – 7 UF 194/22, IPRspr 2022-284

Rechtsgebiete

Verfahren → Berücksichtigung ausländischer Rechtshängigkeit und Rechtskraft
Kindschaftsrecht → Unterhalt

Leitsatz

Sinn und Zweck der Regelung des § 249 Abs. 2 Alt. 1 FamFG ist es, dass eine Abänderung einer bereits erfolgten Entscheidung im vereinfachten Verfahren verhindert wird. Auf die zeitgleiche Anhängigkeit kommt es nicht an. [LS von der Redaktion neu gefasst]

Rechtsnormen

FamFG §§ 58 ff.; FamFG § 249; FamFG § 252; FamFG § 254; FamFG § 256
ZPO § 794

Sachverhalt

Der Antragsteller macht gegen den Antragsgegner, den Vater des minderjährigen Kindes J., Unterhaltsansprüche aus übergegangenem Recht nach § 7 Abs. 1 UVG im vereinfachten Unterhalsverfahren geltend. Er hat für das betroffene Kind seit 2013 Unterhaltsvorschuss gezahlt. Mit Vergleich vom 03.03.2015 vor dem Amtsgericht P. war zwischen dem Antragsgegner und seinem minderjährigen Kind, vertreten durch die Mutter, eine Vereinbarung mit unter anderem folgendem Inhalt geschlossen worden: Der Antragsteller zahlt, beginnend ab April 2015 in Abänderung des Beschlusses der Republik Österreich, Landgericht W. vom 18.08.2010, einen monatlichen Unterhalt für J. zu Händen der gesetzlichen Vertreterin jeweils zum 3. des laufenden Monats. Der Antragsgegner hat die Unzulässigkeit des vereinfachten Verfahrens gerügt. Er beantragte die Durchführung des streitigen Verfahrens und teilte mit, dass zutreffend sei, dass es eine Vereinbarung gäbe, allerdings könne der Antragsgegner mehr leisten. Der Antragsteller beantragte im Verfahren, den Vergleich dahingehend anzuändern, dass der Antragsgegner für das Kind J. einen monatlichen jeweils im Voraus fälligen Kindesunterhalt in Höhe von 110 % des Mindestunterhaltes zu bezahlen hat und dass der Antragsgegner verpflichtet wird, an den Antragsteller rückständigen Kindesunterhalt zu bezahlen.

Mit Endbeschluss vom 09.09.2022 hat das Amtsgericht den Anträgen teilweise stattgegeben. Gegen die Entscheidung hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt. Das vereinfachte Verfahren sei unzulässig, weil doppelte Rechtshängigkeit bestehe.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II.

[2]Die Beschwerde ist gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig und auch begründet. Der Antragsgegner hat begründete Einwendungen gegen die Zulässigkeit des vereinfachten Verfahrens gemäß § 256 Satz 1 FamFG erhoben, sodass der Antrag des Antragstellers vom 26.03.2021 auf Festsetzung im vereinfachten Verfahren zurückzuweisen war (§ 252 Abs. 1 Satz 1 und 2 FamFG). Diese Einwendung kann nach § 256 FamFG mit der Beschwerde geltend gemacht werden und auch dann, wenn diese bislang nicht (oder nicht mehr) geltend gemacht worden ist (Keidel-Griers, 20. Auflage, 2020, FamFG, § 256 Rn. 11, OLG Dresden, Beschluss vom 28. November 2018 – 18 WF 1120/18 –, Rn. 6, juris).

[3]Hat der Antragsgegner zutreffend die Zulässigkeit des vereinfachten Verfahrens gerügt (§ 252 Abs. 1 S. 1 FamFG), so hat das Gericht gemäß § 252 Abs. 1 S. 2 FamFG den Festsetzungsantrag zurückzuweisen.

[4]Eine gerichtlich gebilligte Antragsänderung (auch mit Zustimmung der Gegenseite) ist erkennbar nicht möglich, da eine Überleitung in das streitige Verfahren nach § 254 FamFG nicht möglich ist. § 254 FamFG erfasst nur Einwendungen nach § 252 Abs. 2 bis 4 FamFG (vgl. Dutta/Jacoby/ Schwab, FamFG, 3. Auflage, 2021, § 253 Rn. 2 ff., § 254 Rn. 1; OLG Brandenburg, Beschluss vom 28.07.2020, Az. 9 WF 53/20; OLG Celle, Beschluss vom 25. September 2020 – 10 UF 164/20 –, juris; OLG Dresden, Beschluss vom 28. November 2018 – 18 WF 1120/18 –, Rn. 6, juris).

[5]Das vereinfachte Verfahren ist nicht statthaft, wenn zum Zeitpunkt, in dem der Antrag oder eine Mitteilung über seinen Inhalt dem Antragsgegner zugestellt wird, über den Unterhaltsanspruch des Kindes bereits ein Gericht entschieden hat (§ 249 Abs. 2 Alt. 1 FamFG). Entgegen der Ansicht des Antragstellers im Schreiben vom 19.12.2022 ergibt sich dies nicht aus gerichtlichen Entscheidungen, sondern aus dem Gesetz selbst.

[6]Es darf daher keine gerichtliche Entscheidung oder ein sonstiger Vollstreckungstitel (Vergleich, § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, notarielle Urkunde, § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) existieren (Bömelburg in: Prütting/Helms, FamFG, § 249 Statthaftigkeit des vereinfachten Verfahrens, Rn. 29). Die von der Unterhaltsvorschusskasse geltend gemachten Ansprüche sind Ansprüche des Kindes im Sinne des § 249 Abs. 2 FamFG (OLG Oldenburg, Beschluss vom 12. Februar 2020 – 11 WF 344/19 –, Rn. 17, juris), denn das Gesetz stellt nur auf eine bereits erfolgte Entscheidung über den Unterhaltsanspruch des Kindes ab, unabhängig davon, wer diese Entscheidung herbeigeführt hat. Das schematisierte vereinfachte Verfahren, das Einwendungen des Unterhaltsschuldners nur in eng begrenztem Umfang zulässt, ist nicht dazu geeignet, Urteile oder bestehende Unterhaltstitel zu überprüfen (Bömelburg in: Prütting/Helms, FamFG, § 249 Statthaftigkeit des vereinfachten Verfahrens, Rn. 30), sondern dient der erstmaligen Errichtung eines Titels.

[7]Der Unterhaltsanspruch des Kindes war bereits zuvor Gegenstand eines Unterhaltsverfahrens vor dem Landgericht W. in Österreich und dem Amtsgericht - Familiengericht - P. Zuletzt wurde eine vergleichsweise Regelung vor dem Amtsgericht in P. getroffen. Sinn und Zweck der Regelung ist es, dass eine Abänderung einer bereits erfolgten Entscheidung im vereinfachten Verfahren verhindert wird (Zöller-Lorenz, 34. Auflage, 2022, § 249 FamFG, Rn. 8, Keidel-Giers, 20. Auflage, 2020, § 249 Rn. 14). Damit lag bereits eine Regelung über den Unterhalt des Kindes vor. Auf die zeitgleiche Anhängigkeit, wie der Antragsteller meint, kommt es erkennbar nicht an (§ 249 Abs. 2 Alt. 2 FamFG), da bereits die erste Alternative erfüllt ist (§ 249 Abs. 2 Alt. 1 FamFG, vgl. auch Bömelburg in: Prütting/Helms, FamFG, § 249 Statthaftigkeit des vereinfachten Verfahrens, Rn. 30).

[8]Da ein Verfahrenshindernis bestand (§ 249 Abs. 2 FamFG, vgl. Keidel, a.a.O, § 250 Rn. 14), war der Antrag zurückzuweisen. Der Antragsgegner hat zutreffend die Unzulässigkeit geltend gemacht (§ 252 Abs. 1 FamFG). Eine Überleitung in das streitige Verfahren konnte nicht erfolgen, da die Rüge der Zulässigkeit keine Einwendung nach §§ 254, 252 Abs. 2 bis 4 FamFG ist (Keidel, a.a.O., § 254 Rn. 1, § 252 Rn. 11).

[9]Nach alledem war der amtsgerichtliche Beschluss aufzuheben und der Antrag auf Festsetzung von Unterhalt im vereinfachten Verfahren zurückzuweisen.

[10]III. ...

Fundstellen

Bericht

Bömelburg, FamRB, 2023, 268
Benner, NZFam, 2023, 419

LS und Gründe

FamRZ, 2023, 534
JAmt, 2023, 190
Rpfleger, 2023, 227

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2022-284

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