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Verfahrensgang

ArbG Potsdam, Beschl. vom 20.07.2021 – 7 Ca 1793/19
LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. vom 08.11.2022 – 26 Ta (Kost) 6228/21, IPRspr 2022-253

Rechtsgebiete

Anerkennung und Vollstreckung → Vermögensrechtliche Angelegenheiten

Leitsatz

Art. 6 EuVTVO regelt die Voraussetzungen für die Erteilung einer Vollstreckbarerklärung im Anschluss an ein Verfahren, in dem die in Deutschland titulierte Forderung unbestritten geblieben ist. Eine Einschränkung sieht die Norm für den Fall vor, dass der Schuldner Verbraucher ist. In diesem Fall kann die Vollstreckbarerklärung nur erteilt werden, wenn der Schuldner in dem Mitgliedsstaat, in dem die Entscheidung getroffen worden ist, im maßgeblichen Zeitpunkt einen Wohnsitz unterhält.

Der Begriff "Verbraucher" iSv Art. 6 Abs. 1 Buchst. d EuVTVO bezieht sich dabei auf eine Person, die einen Vertrag zu einem Zweck, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann, mit einer Person geschlossen hat, die in Ausübung ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt (vgl. EuGH 5. Dezember 2013 - C-​508/12, Rn. 38).

Entgegen der Rechtslage unter der EuGVVO aF, nach der die Vollstreckungswirkung nicht anerkannt wurde und erst im Vollstreckungsstaat durch das Exequatur verliehen werden musste (Art. 38-​52 EuGVVO aF), sind heute allerdings Entscheidungen aus Mitgliedstaaten hinsichtlich der Vollstreckbarkeit inländischen gleichgestellt (Musielak/Voit/ Stadler, 17. Aufl. 2020, EuGVVO nF Art. 36 Rn. 2). Nach Art. 27 EuVT-​VO stehen dem die für unbestrittene Forderungen in der EuVTVO zusätzlich geschaffenen Möglichkeiten nicht entgegen.

Rechtsnormen

EUGVVO 44/2001 Art. 38 ff.
EuVTVO 805/2004 Art. 3; EuVTVO 805/2004 Art. 6; EuVTVO 805/2004 Art. 27
RPflG § 11
ZPO § 567; ZPO § 1080

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer wendet sich mit der Beschwerde gegen die Zurückweisung seines Antrags auf Vollstreckbarerklärung eines Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 24.6.2020, den er gegen seinen Mandanten erwirkt hat.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass es an den Voraussetzungen des Art. 6 EuVTVO fehle. Da der Kläger Verbraucher sei und seinen Wohnsitz nicht in Deutschland habe, komme die Erteilung der Vollstreckbarerklärung nicht in Betracht.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II.

[2]1) Die Beschwerde ist zulässig, § 1080 Abs. 2, § 567 Abs. 1 ZPO iVm. § 11 Abs. 1 RPflG.

[3]2) Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat den Antrag mit zutreffender Begründung zurückgewiesen.

[4]a) Art. 6 EuVTVO regelt die Voraussetzungen für die Erteilung einer Vollstreckbarerklärung im Anschluss an ein Verfahren, in dem die in Deutschland titulierte Forderung unbestritten geblieben ist. Als unbestritten gilt nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. b EuVTVO auch eine Forderung, der der Schuldner im gerichtlichen Verfahren zu keiner Zeit nach den Verfahrensvorschriften widersprochen hat. Eine Einschränkung sieht Art. 6 Abs. 1 Buchst. d [EuVTVO] für den Fall vor, dass der Schuldner Verbraucher ist. In diesem Fall kann die Vollstreckbarerklärung – wie das Arbeitsgericht zutreffend ausführt – nur erteilt werden, wenn der Schuldner in Deutschland im maßgeblichen Zeitpunkt einen Wohnsitz unterhält. Der Begriff „Verbraucher“ iSv Art. 6 Abs. 1 Buchst. d [EuVTVO] bezieht sich dabei auf eine Person, die einen Vertrag zu einem Zweck, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann, mit einer Person geschlossen hat, die in Ausübung ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt (vgl. EuGH 5. Dezember 2013 – C-​508/12, Rn. 38). Danach ist der Kläger Verbraucher iSd Art. 6 Abs. 1 Buchst. d [EuVTVO]. Der Vertrag zwischen dem Prozessbevollmächtigten des Klägers und dem Kläger ist – anders als bei dem Klägervertreter – nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit des Klägers zuzuordnen. Die vereinfachte Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel nach Art. 6 EuVTVO scheidet daher aus. Der Beschwerdeführer hat nicht dargelegt, dass der Kläger in Deutschland einen Wohnsitz unterhält bzw. unterhalten hat.

[5]b) Entgegen der Rechtslage unter der EuGVVO aF, nach der die Vollstreckungswirkung nicht anerkannt wurde und erst im Vollstreckungsstaat durch das Exequatur verliehen werden musste (Art. 38–52 EuGVVO aF), sind heute allerdings Entscheidungen aus Mitgliedstaaten hinsichtlich der Vollstreckbarkeit inländischen gleichgestellt (Musielak/Voit/ Stadler, 17. Aufl. 2020, EuGVVO nF Art. 36 Rn. 2). Nach Art. 27 EuVTVO stehen dem die für unbestrittene Forderungen in der EuVTVO zusätzlich geschaffenen Möglichkeiten nicht entgegen.

[6]III. ...

Fundstellen

LS und Gründe

NJ, 2023, 36

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2022-253

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