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Verfahrensgang

LG Düsseldorf, Urt. vom 01.02.2018 – 4b O 47/16, IPRspr 2018-55
OLG Düsseldorf, Urt. vom 17.10.2019 – 2 U 11/18, IPRspr 2019-245
BGH, Urt. vom 22.02.2022 – X ZR 102/19, IPRspr 2022-205

Rechtsgebiete

Immaterialgüterrecht (ab 2020) → Patentrecht
Vertragliche Schuldverhältnisse → Allgemeines Vertragsrecht
Juristische Personen und Gesellschaften → Gesellschaftsstatut, insbesondere Rechts- und Parteifähigkeit
Rechtsgeschäft und Verjährung → Stellvertretung
Allgemeine Lehren → Ermittlung, Anwendung und Revisionsfähigkeit ausländischen Rechts

Leitsatz

Die Frage, ob ein Patentlizenzvertrag dem Begünstigten die Stellung eines ausschließlichen Lizenznehmers einräumt, ist nach dem Recht des Staates zu beurteilen, für den der Patentschutz geltend gemacht wird. [LS neu gefasst]

Rechtsnormen

86/2005 GesellschaftsG (Japan) Art. 362
Rom II-VO 864/2007 Art. 8
ZPO § 561

Sachverhalt

Die Klägerinnen nehmen die Beklagte wegen Verletzung des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 449 918 (Klagepatents) in Anspruch, dessen Inhaberin die Klägerin zu 1 ist. Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Produktion von L-​Aminosäuren unter Verwendung gentechnisch veränderter Bakterien. Die in Japan ansässige Klägerin zu 1 ist alleinige Anteilseignerin der ebenfalls dort ansässigen A. Inc. (A.). Diese hält alle Anteile an der in F. ansässigen Klägerin zu 2. Unter dem 1.11.2011 schlossen die Klägerin zu 1 mit der A. einen Lizenzvertrag und die A. mit der Klägerin zu 2 einen Unterlizenzvertrag über eine Vielzahl von Schutzrechten in unterschiedlichen Staaten. In der Liste der betroffenen Schutzrechte ist unter der Rubrik "Deutschland" das deutsche Aktenzeichen des Klagepatents aufgeführt. Mit Ergänzungsverträgen vom 23. bzw. 26.6.2017 vereinbarten die Vertragsparteien zum Zwecke der Klarstellung der Vereinbarungen aus dem Jahr 2011, dass rückwirkend zum 1.11.2011 eine exklusive Lizenz bzw. Unterlizenz für den deutschen Teil des Klagepatents erteilt wird und dass der jeweilige Lizenzvertrag deutschem Recht unterliegt. Die Beklagte unterhält die deutsche Vertriebsniederlassung der in S. ansässigen C. Ausweislich einer Rechnung vom 5.2.2015 veräußerte sie L-​Tryptophan (angegriffene Ausführungsform) an eine in C. ansässige Abnehmerin und lieferte die Ware am 9.2.2015 dorthin.

Das Landgericht hat die angegriffene Ausführungsform als unmittelbares Erzeugnis eines Verfahrens nach Patentanspruch 5 in Kombination mit den Ansprüchen 1 und 4 beurteilt. Es hat die Beklagte antragsgemäß zu Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Vernichtung und Rückruf verurteilt und festgestellt, dass sie zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet ist, und zwar gegenüber der Klägerin zu 1 seit 9.6.2010 und gegenüber der Klägerin zu 2 seit 1.11.2011. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass sich die Rückrufpflicht auf Produkte beschränkt, deren Mindesthaltbarkeitsdatum zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung noch nicht abgelaufen war. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision. Die Klägerinnen treten dem Rechtsmittel entgegen.

Aus den Entscheidungsgründen:

[10] Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.

[11] I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: …

[17] II. Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren im Ergebnis stand.

[18] 1. ... [40] 2. ... [43] 3. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht ferner die Aktivlegitimation der Klägerin zu 2 bejaht. Die zur Begründung angestellten Erwägungen begegnen zwar teilweise durchgreifenden Bedenken. Insoweit erweist sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig, § 561 ZPO.

[44] a) Richtig hat das Berufungsgericht entschieden, dass die im Jahr 2017 getroffenen Vereinbarungen, soweit sie den die Aktivlegitimation der Klägerin zu 2 begründenden Erwerb einer ausschließlichen Unterlizenz betreffen, nach dem Schutzlandprinzip deutschem Recht unterliegen.

[45] aa) In diesem Zusammenhang ist unerheblich, nach welchem Recht die übrigen Rechtsbeziehungen zwischen den jeweiligen Vertragsparteien zu beurteilen sind, etwa hinsichtlich der Frage, welche Rechte und Pflichten die Vertragsparteien in ihrem Verhältnis zueinander haben (zu dem dafür maßgeblichen Recht vgl. McGuire in Busse/Keukenschrijver, PatG, 9. Aufl. 2020, § 15 Rn. 30). Auch ist nicht von Bedeutung, welche anderen Schutzrechte die Verträge aus dem Jahr 2011 zum Gegenstand hatten und nach welchem Recht diesbezügliche Vereinbarungen zu beurteilen wären (zu den dafür maßgeblichen Gesichtspunkten vgl. McGuire in Busse/Keukenschrijver, PatG, 9. Aufl. 2020, § 15 Rn. 18).

[46] Im Streitfall geht es allein um die Frage, welche Wirkungen die Vereinbarungen in Bezug auf mögliche Verletzungen des Klagepatents in Deutschland im Verhältnis zu Dritten entfalten können.

[47] bb) Diese Frage ist nach dem Recht des Schutzlandes zu beurteilen, also desjenigen Staates, für den der Schutz beansprucht wird und für den Rechte gegen einen Dritten geltend gemacht werden (BGH, Urteil vom 15. Oktober 1987 - I ZR 96/85 (IPRspr. 1987 Nr. 114), GRUR 1988, 296, 298 - Gema-​Vermutung IV; Urteil vom 17. Juni 1992 - I ZR 182/90 (IPRspr. 1992 Nr. 168), BGHZ 118, 394, 397 = GRUR 1992, 697, 698 - ALF; Urteil vom 29. März 2001 - I ZR 182/98 (IPRspr. 2001 Nr. 5), BGHZ 147, 178, 182 = GRUR 2001, 1134, 1136 - Lepo Sumera; Ullmann/Deichfuß in Benkard, PatG, 11. Aufl. 2015, § 15 Rn. 225; McGuire in Busse/Keukenschrijver, PatG, 9. Aufl. 2020, § 15 Rn. 18, 29).

[48] Ob sich dieser Grundsatz schon aus Erwägungsgrund 26 der Rom-​II-​Verordnung oder aus Art. 8 Rom-​II-​VO ableiten lässt (dafür etwa Buchner, GRURInt. 2005, 1004, 1005 und Sack, WRP 2008, 1405, 1409), ob er sich aus einer ungeschriebenen Kollisionsnorm des Unionsrechts ergibt (dafür BeckOGK/McGuire, Stand: 1. Dezember 2016, Art. 8 Rom-​II-​VO Rn. 35 ff.) oder ob die Verordnung hinsichtlich der Berechtigung am Schutzrecht keine Regelung enthält (so für die erste Inhaberschaft Klass, GRURInt. 2008, 546, 547 Fn. 9 und wohl auch Leible/Lehmann, RIW 2007, 721, 731), bedarf im Streitfall keiner abschließenden Entscheidung.

[49] Nach allen in Betracht kommenden Regelungsgrundlagen unterliegt die Beurteilung der Frage, unter welchen Voraussetzungen im Falle einer Verletzung des Schutzrechts Ansprüche gegenüber Dritten entstehen, grundsätzlich dem Recht des Staates, für den der Schutz beansprucht wird.

[50] cc) Nach dem Recht des Schutzlandes zu beurteilen ist danach auch die Frage, ob einer Person, die aufgrund einer Vereinbarung mit dem Inhaber zur Nutzung des Rechts berechtigt ist, im Falle einer Verletzung eigene Ansprüche gegenüber den daran beteiligten Personen zustehen. Nur dies gewährleistet eine einheitliche und widerspruchsfreie Rechtsanwendung.

[51] dd) Wie das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend angenommen hat, können allerdings einzelne Aspekte nach anderen Rechtsordnungen zu beurteilen sein.

[52] So ist die Frage, ob eine Gesellschaft beim Abschluss des Vertrags ordnungsgemäß vertreten war, nach dem Gesellschaftsstatut zu beurteilen. Die Frage, welche Rechte und Pflichten in Bezug auf das betroffene Schutzrecht die Vertragsparteien untereinander haben sollen, ist grundsätzlich nach dem Vertragsstatut zu beurteilen.

[53] Soweit es um die Rechtsstellung des Berechtigten gegenüber Dritten geht, scheidet ein Rückgriff auf Kategorien einer anderen Rechtsordnung hingegen aus. Diese Frage betrifft die Schutzwirkungen des Rechts im Verhältnis zu Dritten und ist deshalb nach dem Recht des Schutzlandes zu beurteilen.

[54] b) Mit zutreffenden Erwägungen ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die beteiligten Gesellschaften beim Abschuss der beiden Ergänzungsvereinbarungen im Jahr 2017 wirksam vertreten waren.

[55] aa) ... [60] bb) ... [62] cc) Entgegen der Auffassung der Revision war das Berufungsgericht nicht gehalten, ein Gutachten zur Auslegung von Art. 362 Abs. 4 des japanischen Gesellschaftsgesetzes einzuholen.

[63] Ebenso wie die Geschäftsordnung des Verwaltungsrats der A.  schreibt zwar auch diese Vorschrift die Zustimmung des Verwaltungsrats nicht nur für den Abschluss, sondern auch für Überarbeitung und Aufhebung von wichtigen Verträgen vor. Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die im Jahr 2017 geschlossenen Vereinbarungen nicht unter diese Tatbestände fallen, sind aber folgerichtig und stehen nicht in Widerspruch zu den Rechtsausführungen in dem von der Beklagten vorgelegten Privatgutachten.

[64] Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die im Jahr 2011 geschlossenen Vereinbarungen wichtige Verträge im Sinne der genannten Vorschriften sind. Selbst wenn dies zu bejahen wäre, ergeben sich aus den von der Revision aufgezeigten Umständen keine Anhaltspunkte dafür, dass jede Änderung solcher Vereinbarungen als Überarbeitung im Sinne von Art. 362 Abs. 4 des japanischen Gesellschaftsgesetzes anzusehen ist. Dass dem Gegenstand der im Jahr 2017 getroffenen Vereinbarungen im Vergleich zum Inhalt der ursprünglichen Vereinbarung nur geringe Bedeutung zukommt, hat das Berufungsgericht mit fehlerfreien Erwägungen bejaht.

[65] Entgegen der Auffassung der Revision ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht zur Auslegung von Art. 362 Abs. 4 des japanischen Gesellschaftsgesetzes kein Gutachten eingeholt hat. Nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen im Berufungsurteil verhält sich das vorgelegte Privatgutachten nicht zu der Frage, ob auch geringfügige Änderungen als Überarbeitung anzusehen sind. Bei dieser Ausgangslage ist es im Streitfall rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht von weiteren Ermittlungen abgesehen hat, zumal die getroffenen Vereinbarungen weder für die Klägerin zu 1 noch für die A. ersichtliche Nachteile mit sich bringen.

[66] c) ...



Fundstellen

LS und Gründe

BGHZ, 234, 1
GRUR, 2022, 893
MDR, 2022, 1173
MittdtschPatAnw, 2022, 336

Bericht

Loth, GRURPrax, 2022, 351
Schrader, JA, 2023, 161

nur Leitsatz

WRP, 2022, 1055

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2022-205

Lizenz

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