PDF-Version

Verfahrensgang

AG Berlin-Schöneberg, Beschl. vom 21.12.2020 – 71b III 110/20
KG, Beschl. vom 28.01.2022 – 1 W 18/21, 1 W 19/21, IPRspr 2022-139

Rechtsgebiete

Natürliche Personen → Namensrecht
Freiwillige Gerichtsbarkeit → Registersachen

Leitsatz

Kann die Scheidung einer nach eritreischem Recht geschlossenen Ehe nicht nachgewiesen werden und ist der Aufenthalt des einen Ehegatten unbekannt, erhält das Kind nicht von Gesetzes wegen den Namen des anderen Elternteils, der die elterliche Sorge ausübt. Es bedarf dann gem. § 1617 Abs. 1 BGB der Bestimmung des Namens durch diesen Elternteil, nachdem ihm das Bestimmungsrecht durch das Familiengericht übertragen worden ist. [LS von der Redaktion neu gefasst]

Rechtsnormen

AsylG § 26
BGB § 1592; BGB § 1594; BGB § 1617; BGB § 1617a; BGB § 1678
EGBGB Art. 3; EGBGB Art. 10; EGBGB Art. 19; EGBGB Art. 21
FamFG § 58; FamFG § 63; FamFG § 64; FamFG § 65; FamFG § 107
GFK Art. 12
KSÜ Art. 1; KSÜ Art. 16
PStG § 51

Sachverhalt

Die Beteiligte zu 1 reiste 2015 auf Grund eines von der deutschen Botschaft Khartum ausgestellten Visums im Rahmen eines Resettlementprogramms aus der Republik Sudan in die Bundesrepublik Deutschland ein, nachdem ihr und ihren beiden Kindern M. und S. ... von dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid von Dezember 2015 eine Aufnahmezusage nach § 23 Abs. 4 AufenthG erteilt worden war. Am XX.XX 2017 gebar sie in Berlin ihren Sohn J ... und am XX.XX 2019 ihren Sohn E. Die Geburten wurden im Juli 2017 und im Januar 2020 in den im Beschlusseingang bezeichneten Geburtenregistern jeweils mit einschränkenden Vermerken zur Identität der Mutter sowie den Vermerken, die von der Mutter abgeleitete Namensführung des jeweiligen Kindes sei nicht nachgewiesen, beurkundet. Eintragungen zu dem Vater der Kinder erfolgten nicht.

Der Beteiligte zu 2 erkannte am 19. Dezember 2017 zur Beurk-​Reg.-​Nr. 1xxx/2xxx des Jugendamts des Bezirksamts T ... x-​S ... von Berlin mit Zustimmung der Beteiligten zu 1 die Vaterschaft zu J ... an und übernahm mit ihr die elterliche Sorge. Der Beteiligte zu 2 lebt in Norwegen und wies sich bei der Beurkundung mit einem dort ausgestellten Reiseausweis für Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention aus. Die Beteiligte zu 1 erhielt im Dezember 2018 von der Ausländerbehörde Berlin ein Reiseausweis für Ausländer.

Am 22. Juli 2020 haben die Beteiligten zu 1 und 2 bei dem Amtsgericht die Berichtigung der Geburtenregistereinträge beantragt. Die einschränkenden Vermerke zur Identität der Mutter und der Namensführung der Kinder sollen entfallen und der Beteiligte zu 2 als Vater beurkundet werden. Das Amtsgericht hat die Anträge mit den Beteiligten zu 1 und 2 am 29. Dezember 2020 zugestelltem Beschluss vom 21. Dezember 2021 zurückgewiesen und ihrer am 28. Januar 2021 dort eingegangenen Beschwerde mit Beschluss vom 1. Februar 2021 nicht abgeholfen.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II.

[2]1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgemäß bei dem Amtsgericht erhoben worden, §§ 58 Abs. 1, 63 Abs. 1, 64, 65 FamFG, 51 Abs. 1 PStG ...

[3]2. Die Beschwerde ist aus dem im Beschlusstenor ersichtlichen Umfang begründet. Darüber hinaus bleibt sie ohne Erfolg.

[4]a) ... b) ... aa) Die einschränkenden Vermerke zur Namensführung der Kinder können nicht berichtigt werden, weil nicht nachgewiesen ist, dass sie den Familiennamen der Beteiligten zu 1 als Geburtsnamen zu Recht tragen.

[5](1) Grundsätzlich unterliegt der Name einer Person dem Recht des Staates, dem die Person angehört, Art. 10 Abs. 1 EGBGB. Das gilt nicht, soweit abweichende Regelungen in völkerrechtlichen Vereinbarungen, die unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind, maßgeblich sind, Art. 3 Nr. 2 EGBGB. Das ist bei Flüchtlingen im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention – GKF – BGBl II 1953, 559; 1954, 619) der Fall. Für solche Flüchtlinge bestimmt sich das Personalstatut nach dem Recht des Landes seines Wohnsitzes, Art. 12 Abs. 1 GKF.

[6]Nach den obigen Ausführungen ist die Beteiligte zu 1 ein solcher Flüchtling. Ihr daraus folgendes Personalstatut wird von ihren – in Deutschland geborenen – Kindern geteilt (vgl. BayObLGZ 1999, 27, 30 (IPRspr. 1999 Nr. 5) Thorn, a.a.O., 21; v. Hein, in: Münchener Kommentar, BGB, 8. Aufl., Anh. II Art. 5 EGBGB, Rdn. 59; a.A. OLG Düsseldorf, OLGZ 1989, 276, 278 (IPRspr. 1989 Nr. 11)), was sich nicht zuletzt im Hinblick auf § 26 Abs. 5 AsylG und die dort getroffenen Wertungen rechtfertigt (hierzu Günther, in BeckOK Ausländerrecht, a.a.O., § 26 AsylG, Rdn. 28).

[7](2) Umstritten ist, nach welchen Regelungen sich die Namensführung von Kindern richtet, deren Eltern keinen gemeinsamen Ehenamen führen und bei denen ein Elternteil aus tatsächlichen Gründen an der Ausübung der elterlichen Sorge verhindert ist.

[8]Hier ist auf den – früheren – Ehemann der Beteiligten zu 1 abzustellen, der zunächst als – rechtlicher - Vater der Kinder in Betracht kommt, § 1592 Nr. 1 BGB, Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB. War die Beteiligte zu 1 zum Zeitpunkt der Geburten der beiden Kinder mit ihm noch verheiratet, so wäre die Anerkennung der Vaterschaft des Beteiligten zu 2 zu dem Kind Jx unwirksam, § 1594 Abs. 2 BGB (vgl. BGH, FamRZ 2017, 1687, 1689 (IPRspr 2017-155)).

[9]Die Beteiligte zu 1 hat angegeben, die Ehe sei bereits in Eritrea geschieden worden. Dies hat sie jedoch nicht nachweisen können. Ein – fakultatives, vgl. § 107 Abs. 1 S. 2 FamFG (BGH, StAZ 2017, 153) - Verfahren auf Anerkennung der Scheidung ihrer Ehe durch die Landesjustizverwaltung nach § 107 FamFG hat sie nicht durchgeführt. Der Senat vermag die Scheidung der Ehe nicht festzustellen. Zwar hat die Beteiligte zu 1 die Entscheidung des 1. Amtsgerichts von Z. M. vorgelegt (Hülle nach Bl. 94 d.A.), wonach die Ehe ab dem 19. April 2006 geschieden worden ist. Jedoch liegt das Dokument lediglich in einfacher Ablichtung vor, so dass seine Echtheit nicht festzustellen ist. Zur Unmöglichkeit der Nachprüfung durch die deutsche Auslandsvertretung gelten die obigen Ausführungen zur Geburtsurkunde. Nichts Anderes gilt für das Schriftstück der Housing and Commerce Bank of Eritrea vom 10. Januar 2007 (Hülle nach Bl. 94 d.A.), wobei hier schon dessen Qualität als öffentliche Urkunde zweifelhaft erscheint.

[10](a) Führen die Eltern keinen Ehenamen und ist einem Elternteil aus tatsächlichen Gründen die Ausübung der elterlichen Sorge nicht möglich, soll nach teilweise vertretener Auffassung das Kind den Namen erhalten, den der Elternteil, der die elterliche Sorge ausübt, im Zeitpunkt seiner Geburt führt, § 1617a Abs. 1 BGB (Götz, in: Grüneberg, a.a.O., § 1617a, Rdn. 3; Lugani, in: Staudinger, BGB, 2020, § 1617a, Rdn. 7a; Döll, in: Erman, BGB, 16. Aufl., § 1617a, Rdn. 4; von Sachsen Gessaphe, in Münchener Kommentar, BGB, 8. Aufl., § 1617,Rdn. 10; Zecca-​Jobst, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 1617a, Rdn. 4).

[11]Die elterliche Sorge richtet sich auch hier nach deutschem Recht, weil sich der gewöhnliche Aufenthalt der Kinder im Inland befindet, Art. 21 EGBGB, 1 Abs. 1 lit. c), Abs. 2, 2, 3 lit. b), 16 Abs. 1 des Übereinkommens über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern - Kinderschutzübereinkommen (KSÜ) -.

[12]Danach hätten die Kinder den Familiennamen der Beteiligten zu 1 erhalten und der einschränkende Zusatz wäre zu berichtigen.

[13]Die Beteiligte zu 1 führte mit ihrem – früheren – Ehemann keinen gemeinsamen Ehenamen. Das entspricht auch dem Recht ihres Heimatstaates Eritrea, wo die Eheschließung keine Auswirkung auf die Namensführung hat (Nelle, in: Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Eritrea, Stand August 2004).

[14]Nur die Beteiligte zu 1 übte im Zeitpunkt der Geburten die elterliche Sorge aus. Ist ein Elternteil tatsächlich verhindert, die elterliche Sorge auszuüben, so übt der andere Teil die elterliche Sorge allein aus, § 1678 Abs. 1 HS 1 BGB. So ist es hier. Es sind keinerlei Erkenntnisse zu dem Aufenthalt des Ehemanns vorhanden. Die Beteiligte zu 1 hat angegeben, ihn vor dessen Flucht aus Eritrea zuletzt im Jahr 2006 gesehen zu haben; er könne sich in den USA aufhalten.

[15](b) Nach anderer Ansicht richtet sich der Geburtsname auch im Fall der tatsächlichen Verhinderung und der darauf beruhenden alleinigen Ausübung der Sorge eines Elternteils, § 1678 BGB, nicht nach § 1617a BGB. Vielmehr soll es auch in diesem Fall einer Bestimmung nach § 1617 BGB bedürfen (Kienemund, in: BeckOGK BGB, Stand 11/2021, § 1617a, Rdn. 11; Pöcker, in: BeckOK BGB, 2021, § 1617a, Rdn. 2; Schwer, in: jurisPK-​BGB, 9. Aufl., § 1617a, Rdn. 5; Czeguhn/Schmitz, in: Kaiser/Schnitzler/ Schilling/Sanders, BGB Familienrecht, § 1617, Rdn. 8; Scholz/Kleffmann, Praxishandbuch Familienrecht, Stand 02/2020, Teil U Namensrecht, Rdn. 48).

[16]Eine solche Bestimmung ist bislang nicht wirksam getroffen worden. Schon die Beteiligte zu 1 hat hierzu keine Erklärungen abgegeben. Ob sie ohne familiengerichtliche Übertragung hierzu überhaupt in der Lage wäre, § 1617 Abs. 2 S. 1 BGB (so Scholz/Kleffmann, a.a.O.), muss deshalb nicht entschieden werden.

[17](c) Der Senat folgt der zweitgenannten Auffassung.

[18]§ 1617a Abs. 1 BGB kann von seinem Wortlaut her schon keine unmittelbare Anwendung finden, wenn ein Elternteil an der Ausübung der elterlichen Sorge tatsächlich verhindert ist. Die Namensbestimmung von Gesetzes wegen erfordert, dass einem Elternteil die elterliche Sorge allein zusteht, § 1617a Abs. 1 BGB. Ist ein Elternteil aber tatsächlich verhindert, die elterliche Sorge auszuüben, verliert er nicht das Sorgerecht. Nach § 1678 Abs. 1 HS 1 BGB hat dies lediglich die Ausübung der elterlichen Sorge allein durch den anderen Elternteil zur Folge.

[19]Die Anwendung von § 1617a Abs. 1 BGB könnte auch zu von Eltern nicht gewünschten Ergebnissen führen. Haben sie sich etwa bereits auf den Familiennamen eines Elternteils als Geburtsnamen des Kindes geeinigt, ist dieser Elternteil aber aus tatsächlichen Gründen bei der Geburt zur Ausübung der elterlichen Sorge nicht in der Lage und stirbt dann, müsste das Kind zwingend den Familiennamen des anderen Elternteils als Geburtsnamen erhalten. Die Erteilung des Namens des verstorbenen Elternteils käme nicht mehr in Betracht. Hierzu wäre dessen Einwilligung erforderlich, § 1617a Abs. 2 S. 2 BGB, die durch den Tod nicht entbehrlich oder ersetzbar geworden ist (Götz, a.a.O., § 1617a, Rdn. 9). Diese nicht gewünschte Folge bleibt den Eltern bei Anwendung von § 1617 BGB erspart.

[20](d) Vor diesem Hintergrund können die auf die Namensführung der Kinder beschränkenden Zusätze derzeit nicht entfallen.

[21]Die Beteiligte zu 1 wird zunächst die Übertragung des Namensbestimmungsrechts bei dem Familiengericht auf sich zu beantragen und dann die Bestimmung – in öffentlich beglaubigter Form, § 1617 Abs. 1 S. 2 BGB – gegenüber dem Standesamt, § 1617 Abs. 1 S. 1 BGB – zu treffen haben. Dabei wird sie sich auf die Bestimmung bei J ... beschränken können, weil diese Bestimmung auch für Eritrea gelten wird, § 1617 Abs. 1 S. 3 BGB.

[22]bb) Bei dem J. betreffenden Geburtenregistereintrag kommt derzeit die Verlautbarung des Beteiligten zu 2 als Vater nicht in Betracht. Solange die Scheidung der Ehe der Beteiligten zu 1 nicht nachgewiesen werden kann, gilt ihr Ehemann als – rechtlicher – Vater der Kinder (was im Übrigen nach dem Heimatrecht der Beteiligten zu 1 nicht anders ist, vgl. Brandhuber/Zeyringer/ Heussler, Standesamt und Ausländer, Eritrea, Stand August 2021). Die Anerkennung der Vaterschaft durch den Beteiligten zu 2 ist, solange die Vaterschaft des Ehemanns besteht, unwirksam, § 1594 Abs. 2 BGB.

[23]Eine Berichtigung des Geburtenregistereintrags in der beantragten Form kann deshalb erst dann angeordnet werden, wenn die Unklarheit über eine Vaterschaft des Ehemanns der Beteiligten zu 1 beseitigt worden ist. Das könnte bei Nachweis der Scheidung in Eritrea oder auch bei rechtskräftiger Anfechtung der Vaterschaft, soweit dies noch möglich sein sollte, der Fall sein.

[24]3. ...

Fundstellen

LS und Gründe

FamRZ, 2022, 1097
MDR, 2022, 572
StAZ, 2022, 104

nur Leitsatz

NVwZ-RR, 2022, 970

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2022-139

Lizenz

Copyright (c) 2024 Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht
Creative-Commons-Lizenz Dieses Werk steht unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.
<% if Mpi.live? %> <% end %>