Die Frage, ob eine wirksame Ehe geschlossen wurde, bemisst sich im Falle der sog. „Handschuhehe“, bei der ein oder beide Partner die Ehewillenserklärungen durch eine bevollmächtigte Mittelsperson abgeben, die den bzw. die abwesenden Verlobten in der Trauungszeremonie vertritt, nach Art. 11 III EGBGB. Maßgebend ist insofern das Recht des Staates, in dem sich der jeweilige Vertreter befindet.
Für eine wirksame Bevollmächtigung ist nach Art. 47 Código Civil Para El Estado Libre Y Soberano de Baja California Sur die Beteiligung von jeweils zwei Zeugen erforderlich, welche die Vollmachtsurkunde unterzeichnen müssen, wobei diese Unterschriften nochmals von einem Notar, Richter erster Instanz oder Friedensrichter ratifiziert werden müssen. [LS von der Redaktion neu gefasst]
[1]Der auf § 80 Abs. 7 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - analog gestützte Antrag des Antragstellers, der sinngemäß darauf gerichtet ist, den Beschluss der Kammer vom 29. April 2020 (
[2]Der Antrag ist jedoch unbegründet …
[3]Denn der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft machen können.
[4]Wenn der Antragsteller mit seinem Abänderungsantrag die Feststellung begehrt, dass eine wirksame Eheschließung vorliegt, legt das Gericht dies dahingehend aus, dass mit dieser Eheschließung ein der Abschiebung entgegenstehendes Aufenthaltsrecht begründet worden sein soll.
[5]Der Antragsteller macht geltend, die ungarische Staatsangehörige Frau O. am 21. Juni 2019 im Wege der sog. „Handschuh-“ bzw. „Stellvertreterehe“ geheiratet zu haben.
[6]Die wirksame Eheschließung, und dass infolgedessen ein Aufenthaltsrecht für ihn entstanden ist, vermochte der Antragsteller nicht glaubhaft zu machen im Sinne von § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung - ZPO -.
[7]Tatsächlich kann grundsätzlich über die Eheschließung mit einem bzw. einer EU-Staatsangehörigen ein Aufenthaltsrecht vermittelt werden ...
[8]Die Frage, ob eine wirksame Ehe geschlossen wurde, bemisst sich im Falle der sog. „Handschuhehe“, bei der ein oder beide Partner die Ehewillenserklärungen durch eine bevollmächtigte Mittelsperson abgeben, die den bzw. die abwesenden Verlobten in der Trauungszeremonie vertritt, nach Art. 11 Abs. 3 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch - EGBGB - (Hohloch in Erman, BGB, 15. Auflage 2017, Art. 13 EGBGB Rn. 59; Coester in MüKo-BGB, 7. Auflage 2018, Art. 13 EGBGB Rn. 148; jeweils m.w.N.). Wird danach ein Vertrag - hier die Ehe - durch einen Vertreter geschlossen, so ist bei Anwendung der Absätze 1 und 2 der Staat maßgebend, in dem sich der Vertreter befindet. Nach Art. 11 Abs. 1 EGBGB ist ein Rechtsgeschäft formgültig, wenn es die Formerfordernisse des Rechts, das auf das seinen Gegenstand bildende Rechtsverhältnis anzuwenden ist, oder des Rechts des Staates erfüllt, in dem es vorgenommen wird.
[9]Maßgebend ist insofern das Recht des Staates, in dem sich die Vertreter des Antragstellers und von Frau O. befinden. Da die Vertreter die jeweiligen Erklärungen in Mexiko abgegeben haben, ist das mexikanische Ortsrecht anzuwenden. Abzustellen ist dabei genauer auf das Recht des mexikanischen Bundesstaates Baja California Sur, wo die Eheerklärungen ausweislich der vorgelegten Urkunden vor dem Standesamt in San José del Cabo/Los Cabos abgegeben wurden.
[10]Die auf der Urkunde des „Registro de Matrimonio“, also des Eheregisters, abgegebenen Unterschriften entsprechen jenen der Stellvertreter ausweislich der erstmals im Abänderungsverfahren vorgelegten Ausweiskopien. Obwohl der Umstand der Bevollmächtigung abgesehen von diesen Unterschriften an keiner Stelle in den vorgelegten Urkunden, weder im „Registro de Matrimonio“ noch der „Acta de Matrimonio“ (Heiratsurkunde) Niederschlag gefunden hat, dürfte vorliegend grundsätzlich von der Konstellation einer „Handschuhehe“ auszugehen sein.
[11]Gleichwohl hat die Kammer erhebliche Zweifel am Vorliegen der für eine solche „Handschuhehe“ nach dem mexikanischen Ortsrecht erforderlichen Voraussetzungen, insbesondere an der Einhaltung der notwendigen Formvorschriften.
[12]Es fehlt bereits an einer wirksamen Bevollmächtigung der beiden Stellvertreter.
[13]Art. 47 Código Civil Para El Estado Libre Y Soberano de Baja California Sur - im Folgenden: CCBCS - (nahezu identisch ist die bundesgesetzliche Regelung des Art. 44 Código Civil Federal) bestimmt, dass wenn die interessierten Parteien nicht persönlich anwesend sein können, sie sich durch einen besonderen Vertreter für die Handlung vertreten lassen können, dessen Ernennung in einer privaten Urkunde festgehalten wird, die vor zwei Zeugen ausgestellt wird. In Fällen der Erklärung der Geburt, der Eheschließung und der Anerkennung von Kindern muss eine Vollmacht in einer öffentlichen Urkunde oder einem privaten Dokument erteilt werden, das vom Vollmachtgeber und zwei Zeugen unterzeichnet und von einem Notar, Richter erster Instanz oder Friedensrichter ratifiziert wird.
[14]Danach ist also für eine wirksame Bevollmächtigung die Beteiligung von jeweils zwei Zeugen erforderlich, welche die Vollmachtsurkunde unterzeichnen müssen, wobei diese Unterschriften nochmals ratifiziert werden müssen. Daran fehlt es vorliegend.
[15]In den vorgelegten und vom Antragsteller bzw. Frau O. unterzeichneten Urkunden benennen diese jeweils einen Bevollmächtigten und übertragen diesem die Vollmacht zum Abschluss des Ehevertrages. Bei diesen Urkunden handelt es sich offenbar um einen in englischer sowie spanischer Sprache verfassten Vordruck zur Vollmachterteilung. Dabei fällt auf, dass die im Vordruck von einem Notar auszufüllenden Stellen leer geblieben sind. Es dürfte sich dabei folglich nicht um öffentliche Urkunden handeln. Der Notar T. beglaubigte lediglich die Namensunterschrift des Antragstellers bzw. von Frau O. unter der jeweiligen Vollmachtserklärung. Letztlich kann aber dahingestellt bleiben, ob angesichts dieser „Leerstellen“ schon nicht von einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung ausgegangen werden kann.
[16]Denn für eine wirksame Vollmachtserteilung im Sinne des Art. 47 CCBCS fehlt es bereits an der notwendigen Beteiligung jeweils zweier Zeugen. Jedenfalls enthalten die Vollmachten, die gerade der Eheschließung dienen sollen, keine Unterschriften dieser Zeugen, die naturgemäß ebenso wenig - etwa von einem Notar - ratifiziert worden sind.
[17]Zweifel an der Wirksamkeit der Eheschließung ergeben sich für die Kammer ferner im Hinblick auf Art. 104 IX CCBCS. Danach ist die Heiratsurkunde mit einer Genehmigung des Innenministeriums für den Fall zu versehen, dass Braut und Bräutigam oder - wie hier - beide Ausländer sind. Dass eine solche Genehmigung erteilt wurde, ist für die Kammer weder aus der Urkunde „Acta de Matrimonio“ noch „Registro de Matrimonio“ ersichtlich. Dieses Erfordernis ist auf dem „Registro de Matrimonio“ auch angesprochen („Autorizacion de la Secretaria de Gobernacion en Case de Contrayentes extranjeros“), es fehlt jedoch insofern eine Eintragung.
[18]Da der Antragsteller angesichts dieser erheblichen Zweifel an einer wirksamen Eheschließung nach dem mexikanischen Ortsrecht ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 6 FreizügG/EU als Familienangehöriger einer freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgerin nicht glaubhaft zu machen vermochte, war der Abänderungsantrag abzulehnen.
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