Das Verfahren über die Vollstreckbarerklärung durch Klauselerteilung (Art. 38 I Brüssel I-VO) setzt unter anderem voraus, dass der betreffende Titel nach dem Recht des Erststaats (noch) vollstreckbar ist.
Der Ablauf der nach rumänischem Recht vorgesehenen allgemeinen Verjährungsfrist von drei Jahren führt zum Fortfall der Vollstreckbarkeit des Titels im Sinne von Art. 38 I Brüssel I-VO und damit zum Erlöschen des Rechts des Gläubigers, die Vollstreckung zu verlangen, mit der Folge, dass jedwede Vollstreckungshandlung zu verweigern ist; die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Verjährung eines Vollstreckungstitels obliegt dem Gerichtsvollzieher, der in Rumänien eine einem Notar vergleichbare Rechtsstellung inne hat, beziehungsweise dem Vollstreckungsgericht.
Der Einwand der Verjährung des Rechts auf Zwangsvollstreckung, der sich nicht gegen den titulierten Anspruch selbst, sondern gegen die Vollstreckung des Titels richtet, ohne dass dieser in der Sache nachgeprüft wird, ist im Exequaturverfahren statthaft.
Durch Zivilurteil des AG Pascani (Rumänien) vom 18.6.2010 (Az. Nr. 3275/866/2009) wurde der AGg. zur Zahlung von ... € und zur Erstattung von Gerichtskosten an den ASt. verurteilt. Das Urteil ist gemäß Zivilentscheidung Nr. 2560/2.12.2010 des Gerichtshofs Iasi rechtskräftig und unwiderruflich. Mit weiterem Urteil vom 4.5.2011 (Az. Nr. 2012/866/2011) erklärte das AG Pascani sein Urteil vom 18.6.2010 als vollstreckbar.
Auf das Gesuch des ASt. vom 27.10.2017 hat das LG Düsseldorf mit Beschluss vom 19.6.2018 antragsgemäß angeordnet, das Zivilurteil des AG Pascani vom 18.6.2010 mit der Vollstreckungsklausel zu versehen. Gegen den Beschluss hat der AGg. am 16.8.2018 Rechtsmittel eingelegt. Er hat im Wesentlichen geltend gemacht, das Recht zur Zwangsvollstreckung sei verjährt. Der ASt. ist dem entgegengetreten.
[1]Auf das vorliegende Verfahren sind noch die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen – bezeichnet als Brüssel I-VO, ehemals EuGVVO, [EuGVO a.F.] – sowie die Vorschriften des AVAG in seiner bis zum 9.1.2015 gültigen Fassung anwendbar. Die heute geltende Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 vom 12.12.2012 – bezeichnet als Brüssel Ia-VO, [EuGVO] – ist nach deren Art. 66 II nicht anwendbar auf Vollstreckungstitel, die in gerichtlichen Verfahren, die vor dem 10.1.2015 eingeleitet wurden, erlassen bzw. geschaffen wurden oder noch werden.
[2]Das vom AGg. mit Schreiben vom 16.8.2018 erhobene Rechtsmittel ist als Beschwerde gemäß Art. 43 I und V 1 Brüssel I-VO in Verbindung mit § 11 ... AVAG statthaft sowie formgerecht eingelegt und innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist bei Gericht am 20.8.2018 eingegangen.
[3]Auch in der Sache hat seine Beschwerde Erfolg.
[4]Die Rechtmäßigkeit der Erteilung der Vollstreckungsklausel für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beurteilt sich nach den Vorschriften der Art. 32 ff. Brüssel I-VO.
[5]Nach Art. 33 Brüssel I-VO werden Entscheidungen anderer Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. Die Vollstreckbarerklärung darf vom Senat als Rechtsmittelgericht gemäß Art. 45 I 1 Brüssel I-VO nur aus einem der in den Art. 34 und 35 Brüssel I-VO aufgeführten Gründe versagt oder aufgehoben werden. Weitergehend, nämlich in der Sache selbst, darf der Senat die ausländische Entscheidung nicht überprüfen, Art. 45 II Brüssel I-VO.
[6]Für das Verfahren über die Vollstreckbarerklärung durch Klauselerteilung, Art. 38 I Brüssel I-VO, besteht die weitere Voraussetzung, dass der betreffende Titel nach dem Recht des Erststaats (noch) vollstreckbar ist (Zöller-Geimer, ZPO, 30. Aufl. [2013], Art. 38 EuGVVO Rz. 3 und 4). Gemäß § 12 I AVAG gilt, dass Einwendungen des Verpflichteten gegen den zu vollstreckenden Anspruch im Beschwerdeverfahren insoweit geltend gemacht werden können, als dass die Gründe für die Einwendung nach Erlass der Entscheidung entstanden sind. Ausgeschlossen sind aber solche nachträglich entstandenen Einwendungen, die den der ausländischen Entscheidung zugrunde liegenden materiell-rechtlichen Anspruch betreffen; dies gilt nach der Rechtsprechung des EuGH sowohl für liquide als auch für illiquide Einwände (vgl. dazu BGH, BeckRS 2013, 18480), wie etwa den Erfüllungseinwand; insofern ist die Klage nach § 767 ZPO zu erheben, § 56 I AVAG (vgl. Zöller-Geimer aaO Art. 43 EuGVVO Rz. 9 und § 12 AVAG Rz. 1).
[7]Nach dem hier anzuwendenden rumänischen Recht kann ein Titel verjähren und deshalb nicht mehr i.S.v. Art. 38 I Brüssel I-VO vollstreckbar sein. Die Verjährung des Rechts auf Zwangsvollstreckung ist etwas anderes als die im hiesigen Exequaturverfahren ausgeschlossenen liquiden und illiquiden Einwendungen, denn sie richtet sich nicht gegen den titulierten Anspruch selbst, sondern gegen die Vollstreckung des Titels, ohne dass dieser in der Sache nachgeprüft wird.
[8]Nach rumänischem Zivilprozessrecht führt die Verjährung eines Vollstreckungstitels zum Erlöschen des Rechts des Gläubigers, die Vollstreckung zu verlangen. Aus dem Verjährungsdekret Nr. 167/1958 ergibt sich eine allgemeine Verjährungsfrist von drei Jahren (s. Art. 705 ff. rumänische Zivilprozessordnung [von 1865 i.d.F. vom 29. 12.2001 – Gesetz Nr. 787 (M. Of. Nr. 21 vom 16.1.2002)]). Die Möglichkeit der Vollstreckungsverjährung ist durch den Gerichtsvollzieher (der in Rumänien eine einem Notar vergleichbare Rechtsstellung hat) bzw. durch das Vollstreckungsgericht von Amts wegen zu prüfen. Soweit die Verjährungsfrist abgelaufen ist, ist jedwede Vollstreckungshandlung zu verweigern. Ähnlich wie im deutschen materiellen Zivilrecht kann es unter Umständen zu einer Hemmung oder Unterbrechung des Laufes der Verjährungsfrist kommen, was im Ergebnis zu einer Verlängerung der Verjährungsfrist führt. Die einzelnen Fälle der Verjährungsunterbrechung sind in Art. 405 der rumänischen Zivilprozessordnung geregelt, danach stellt unter anderem die Beantragung der Zwangsvollstreckung einen Unterbrechungstatbestand dar. Weiter regelt die rumänische Zivilprozessordnung in Art. 696 ff., dass dann, wenn der Gläubiger innerhalb von sechs Monaten nach dem Abschluss des letzten Zwangsvollstreckungsakts keine weiteren Vollstreckungsbemühungen unternimmt, die Zwangsvollstreckung kraft Gesetzes aufgehoben ist; das Vollstreckungsverfahren gilt dann als nicht begonnen (vgl. zum Vorstehenden: Forost, Arbeitspapier Nr. 39, Juni 2007, Die Vollstreckung von Gerichtsurteilen in Rumänien, 21, 39 f., 42).
[9]Nach Maßgabe der vorstehend dargestellten Grundsätze ist der vom AGg. erhobene Verjährungseinwand beachtlich und schließt die Erteilung der vom ASt. beantragten Vollstreckungsklausel aus.
[10]Beim hier erhobenen Einwand der Verjährung der Vollstreckung handelt es sich um einen nachträglich entstandenen Einwand i.S.v. § 12 I AVAG. Auch handelt es sich nicht um einen im Anerkennungsverfahren ausgeschlossenen Einwand gegen den dem Urteil des AG Pascani zugrunde liegenden materiell-rechtlichen Anspruch, denn mit ihm wird – wie dargelegt – nicht der (Fort-)Bestand des Anspruchs in Frage gestellt, sondern er betrifft ausschließlich die Zulässigkeit seiner Durchsetzbarkeit im Wege der Zwangsvollstreckung.
[11]Das Urteil des AG Pascani vom 18.6.2010 ist nach rumänischem Zivilprozessrecht verjährt. Das gilt unabhängig davon, ob für den Beginn des Laufs der Regelverjährungsfrist von drei Jahren auf den Zeitpunkt der Verkündung des zu vollstreckenden Urteils am 18.6.2010 oder auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichtshofs Iasi am 2.12.2010 oder auf den Zeitpunkt der Vollstreckbarerklärung am 4.5.2011 abgestellt wird. Wird zugunsten des ASt. von einem Verjährungsbeginn am 4.5.2011 ausgegangen, wäre die Verjährungsfrist am 4.5.2014 abgelaufen.
[12]Im Ergebnis ohne Erfolg bleibt der Einwand des ASt., aufgrund der von ihm in Rumänien durchgehend unternommenen Vollstreckungsversuche sei es zu einer Unterbrechung der Verjährung gekommen ...
[13]Der hier verfahrensgegenständliche Antrag vom 27.10.2017 auf Erteilung der Vollstreckungsklausel ist somit deutlich nach Ablauf der Verjährungsfrist gestellt worden.
[14]Soweit der ASt. als weiteren Unterbrechungstatbestand einen gegen den AGg. gestellten Strafantrag anführt, bleibt auch dies ohne Erfolg ...
[15]Kann demnach im Ergebnis nicht festgestellt werden, dass der Antrag auf Klauselerteilung in unverjährter Zeit gestellt wurde, geht dies zu Lasten des ASt., denn er ist für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Verjährungsunterbrechung als einem ihm günstigen Tatbestand darlegungs- und beweisbelastet. Die allgemeinen Grundsätze der ZPO zur Darlegungs- und Beweislast gelten auch im hiesigen Beschwerdeverfahren, vgl. Art. 43 III Brüssel I-VO.