Es gibt keine allgemeine Regelung des Internationalen Privatrechts, nach der für die Frage der Anknüpfung immer und ausschließlich auf den Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung abzustellen ist.
Der Verzicht eines deutsch-iranischen Ehegatten auf seine deutsche Staatsangehörigkeit nach Rechtskraft der Scheidung führt nicht dazu, dass ein bereits bestehender güterrechtlicher Auskunftsanspruch gegen seinen iranischen Ehegatten nach deutschem Recht erlischt. [LS der Redaktion]
Mit Beschluss vom 1.3.2017 wurde die Ehe der Bet. nach deutschem Recht geschieden. Der Scheidungsausspruch ist seit dem 4.5.2017 rechtskräftig. Mit Antrag vom 29.3.2017, zugestellt an den AGg. am 9.5.2017, begehrte die ASt. Auskunft über das Anfangs-, Trennungs- und Endvermögen des AGg., die Vorlage von Belegen sowie Zahlung von Zugewinnausgleich. Die ASt. hat die iranische Staatsangehörigkeit, der AGg. hatte während der Ehezeit die deutsche und die iranische Staatsangehörigkeit. Nachdem die ASt. ein Angebot des AGg. auf Zahlung eines Abfindungsbetrags abgelehnt hatte, verzichtete der AGg., wie zuvor angekündigt, auf die deutsche Staatsangehörigkeit. Mit Aushändigung der Verzichtsurkunde vom 11.10.2017 am 20.10.2017 verlor der AGg. die deutsche Staatsangehörigkeit.
Mit Beschluss vom 9.5.2018 hat das AG die Anträge der ASt. auf Auskunftserteilung über Anfangs- und Endvermögen zurückgewiesen. Gegen den Beschluss hat die ASt. Beschwerde eingelegt. Die ASt. beantragt, den Beschluss des AG Hamburg-St. Georg vom 9.5.2018 aufzuheben und den AGg. zu verpflichten, a) Auskunft zu erteilen über sein Anfangsvermögen am 29.11.2013, sein Trennungsvermögen am 1.1.2015 und sein Endvermögen am 1.3.2016, jeweils durch Vorlage eines nach Aktiva und Passiva geordneten Bestandsverzeichnisses und unter Angabe sämtlicher wertbildender Faktoren zu den einzelnen Vermögenspositionen; b) die Auskünfte zu den vorgenannten Stichtagen zu belegen durch Vorlage geeigneter Unterlagen für jede Vermögensposition; c) die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft an Eides statt zu versichern, d) einen noch zu beziffernden Zugewinnausgleich an die ASt. zu zahlen. Der AGg. beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
[1]II. Die Beschwerde ist zulässig gemäß §§ 58 ff. FamFG.
[2]Entgegen der Auffassung des AG steht der ASt. jedoch gegen den AGg. ein Anspruch auf Auskunft und Vorlage von Belegen gemäß § 1379 I BGB zu.
[3]Der güterrechtliche Anspruch richtet sich nach deutschem Recht.
[4]Zwar hatten beide Bet. zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung ausschließlich die iranische Staatsangehörigkeit, so dass gemäß Art. 3 Nr. 2 EGBGB i.V.m. Art. 8 III des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens [Niederlassungsabkommen zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien vom 17.2.1929 (RGBl. 1930 II 1002, 1006)] bei Abstellen auf die Staatsangehörigkeit der Bet. zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung iranisches Güterrecht anwendbar wäre.
[5]Entgegen der Auffassung des AGg. ist für die Frage der Anknüpfung aber im vorliegenden Fall nicht auf den Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung abzustellen.
[6]Es gibt entgegen der Auffassung des AGg. keine allgemeine Regelung des Internationalen Privatrechts, nach der für die Frage der Anknüpfung immer und ausschließlich auf den Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung abzustellen ist. Vielmehr sind die Anknüpfungszeitpunkte im bürgerlichen Recht durchaus unterschiedlich geregelt. So ist bspw. nach Art. 16 III KSÜ für die elterliche Verantwortung für ein Kind nicht auf den Aufenthalt des Kindes zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung abzustellen, sondern die nach dem Recht des vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes begründete elterliche Verantwortung besteht fort, auch wenn mit einem zwischenzeitlich erfolgten Aufenthaltswechsel des Kindes grundsätzlich ein Statutenwechsel verbunden war.
[7]Das deutsch-iranische Niederlassungsabkommen legt ausdrücklich keinen maßgeblichen Zeitpunkt für die Anknüpfung fest. Anzuwenden sein kann das Abkommen aber grundsätzlich erst ab dem Zeitpunkt, ab dem die Anknüpfungsvoraussetzungen vorlagen (v. Bar, IPR 1991, Bd. 2, Rz. 210).
[8]Diese lagen erst zu dem Zeitpunkt vor, zu dem der AGg. auf die deutsche Staatsangehörigkeit verzichtet hat, da das Abkommen nicht auf Mehrstaater, die sowohl die deutsche als auch die iranische Staatsangehörigkeit haben, anwendbar ist (BGHZ 60, 68 (IPRspr. 1972 Nr. 59b); Schotten/Wittkowski, FamRZ 1995, 264 m.w.N.). Solange der AGg. noch die deutsche Staatsangehörigkeit hatte, war daher das deutsch-iranische Niederlassungsabkommen nicht anwendbar. Gemäß Art. 5 I, Art. 15 I, 14 I EGBG war daher zunächst deutsches Güterrecht anzuwenden.
[9]Nach deutschem Güterrecht ist ein Ausgleichsanspruch gemäß §§ 1372, 1384, 1373 ff. BGB und damit auch ein Auskunftsanspruch nach [§] 1379 BGB entstanden.
[10]Dieser güterrechtliche Anspruch konnte durch den Verzicht auf die deutsche Staatsangehörigkeit und den damit herbeigeführten Statutenwechsel nicht erlöschen. Ist ein Sachverhalt vollständig abgeschlossen, bleibt es auch unter dem neuen Statut dabei. Ein nach dem bisherigen Statut entstandenes subjektives Recht bleibt als wohlerworbenes Recht weiterbestehen, gleichgültig, ob dieses Recht unter der Herrschaft des neuen Rechts hätte entstehen können, wenn es sich um einen abgeschlossenen Rechtserwerb handelte (BGHZ 63, 107 (IPRspr. 1974 Nr. 60); MünchKomm-v. Hein, IPR 7. Aufl. [2018], Einl. IPR Rz. 80). Maßgebend ist dann allein die Rechtsordnung, die im Zeitpunkt der Verwirklichung des entsprechenden Tatbestands einschlägig war. Abgeschlossene Tatbestände sind hinzunehmen, wohlerworbene Rechte bleiben erhalten (Staudinger-Looschelders, BGB, IPR [2019], Einl. Rz. 1061).
[11]Der Anspruch der ASt. auf Auskunft und Belegvorlage zur Ermittlung der Höhe des Zugewinnausgleichsanspruchs bleibt damit als wohlerworbenes Recht von einem etwaigen Statutenwechsel, der aufgrund des Verzichts des AGg. auf die deutsche Staatsangehörigkeit und die dadurch eintretende Anwendbarkeit des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens unberührt.
[12]Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des OLG Celle vom 15.8.2011 (IPRspr 2011-86) (JAmt 2011, 490). Dort hatten die Eheleute sowohl zum Zeitpunkt der Eheschließung als auch zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung beide ausschließlich die iranische Staatsangehörigkeit. Durchgehend waren beide Ehegatten Iraner, so dass das OLG Celle auch unter Anwendung von Art. 14 I Nr. 1 Alt. 2 EGBGB die Anwendbarkeit iranischen Rechts bejahte und die Anwendbarkeit des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens letztlich dahinstehen ließ.
[13]Es liegt auch nicht etwa eine Treu und Glauben oder dem ordre public widersprechende Privilegierung der ASt. in dem Umstand, dass ihr möglicherweise neben dem güterrechtlichen Anspruch ein Anspruch auf Auskehr der Morgengabe zusteht, denn einen solchen Anspruch hätten die Eheleute durch ein entsprechendes Versprechen bei Eheschließung in Kenntnis der Anwendbarkeit des deutschen Güterrechts begründet.