Art. 10 III 1 Nr. 1 EGBGB ermöglicht es, den Vatersnamen (hier: bulgarischen Rechts) in die Rechtswahl einzubeziehen, wenn der Sorgeberechtigte das Recht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union wählt, dem auch das Kind angehört, und er zum Ausdruck bringt, das Kind solle neben dem Familiennamen auch den Vatersnamen nach dem gewählten Recht führen.
Die Bet. zu 2), deutsche und bulgarische Staatsangehörige, und der Bet. zu 3), bulgarischer und kanadischer Staatsangehöriger, schlossen 2012 die Ehe und führen keinen gemeinsamen Familiennamen. Sie leben in der Schweiz. Dort gebar die Bet. zu 2) 2014 den Bet. zu 1). Die Schweizerische Eidgenossenschaft erstellte am 3.3.2015 einen CIEC-Auszug aus dem Geburtsregister, in dem als Name M., als Vorname I. und in dem Feld „anderer Name des Kindes“ S. vermerkt ist. Die Republik Bulgarien erteilte am 5.3.2015 einen CIEC-Auszug aus dem Geburtsregister Sofia, in dem unter „Name“ M. und unter „Vornamen“ I. S. eingetragen ist. Mit konsularisch beglaubigter Erklärung vom 30.3.2015 bestimmten die Bet. zu 2) und 3) für die Namensführung des Bet. zu 1) bulgarisches Recht, wonach das Kind den Familiennamen M. erhielt; Vorname I., Vatersname: S. Der Bet. zu 4) – Standesamt I Berlin – hat eine Bescheinigung erteilt, in der nur der Vorname I. und der Geburtsname M. genannt sind, und lehnte es auf Beanstandung ab, eine Bescheinigung mit dem Namensbestandteil S.zu erteilen.
Den hierauf gerichteten Anweisungsantrag hat das AG mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen.
[1]II. Die Beschwerde ist zulässig (§§ 58 ff. FamFG i.V.m. § 51 I 1 PStG) und begründet. Der Bet. zu 4) hat dem Bet. zu 1) gemäß § 46 Nr. 1 PStV eine Bescheinigung zu erteilen, aus der sich ergibt, dass er auch den Vatersnamen S. führt ...
[2]Der Name des Bet. zu 1) unterliegt gemäß Art. 10 I EGBGB grundsätzlich deutschem Recht. Der Bet. zu 1) hat die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 4 I 1 StAG durch Geburt erworben. Für das Personalstatut ist es unerheblich, dass er zumindest auch Angehöriger der Republik Bulgarien ist [Art. 3, 8 des Gesetzes über die bulgarische Staatsangehörigkeit vom 13.11.1998 (D.V. 1998 Nr. 136), abgedr. bei Bergmann-Ferid-Henrich, Int. Ehe- und Kindschaftsrecht, Bulgarien (Stand: Nov. 2017) S. 11 ff.]. Die deutsche Staatsangehörigkeit geht gemäß Art. 5 I 2 EGBGB vor.
[3]Die Bet. zu 2) und 3) haben gemäß Art. 10 III 1 Nr. 1 i.V.m. Art. 4 II EGBGB bulgarisches Sachrecht für die Namensführung des Bet. zu 1) gewählt. Die Anwendung dieses Sachrechts ergäbe sich im Übrigen auch aus dem IPR der Republik Bulgarien (Art. 48 II, 53 I des bulgarischen Gesetzbuchs über das Internationale Privatrecht vom 4.5.2005 [D.V. vom 17.5.2005], abgedr. bei Bergmann-Ferid-Henrich aaO S. 40 ff.).
[4]Nach dem bulgarischen Gesetz über die Personenstandsregistrierung vom 23.7. 1999 [(D.V. Nr. 67 vom 27.7.1999); nachfolgend: bulgPStG, abgedr. bei Bergmann-Ferid-Henrich aaO S. 92 ff.] führt der Bet. zu 1) neben dem von seinen Eltern gewählten Vornamen (Eigennamen) I. und dem Familiennamen M. zwingend einen Vatersnamen, der aus dem Eigennamen des Vaters gebildet wird (Art. 13 bulgPStG), hier S. Das (zwischengestellte) Patronym wird von der Rechtswahl nach Art. 10 III EGBGB erfasst. Unter dem kollisionsrechtlichen Begriff des Familiennamens ist zumindest im vorliegenden Zusammenhang auch der Vatersname zu verstehen.
[5]Der Vatersname bulgarischen Rechts ist ein selbständiger Bestandteil des Namens, der – anders als z.B. ein Mittelname nach dänischem oder US-amerikanischem Recht (vgl. dazu Senat, FamRZ 2000, 53 (IPRspr. 1998 Nr. 16)) – nicht frei wähl- oder verzichtbar ist. Er ist kein dem Kind beigelegter Individualname, wird von allen Geschwistern getragen und kann unter den Voraussetzungen von Art. 14 I bulgPStG auch an die nächste Generation weitergegeben werden; Familienname des Kindes kann statt des Familiennamens des Vaters der Vatersname des Vaters sein. Das bulgarische Recht sieht aber einen gesonderten Familiennamen vor, der auch allein zum Ehenamen (gemeinsamen Familiennamen) bestimmt werden kann (Art. 14 II bulgPStG i.V.m. Art. 12 des bulgarischen Familiengesetzbuchs vom 18.6.2009 [(D.V. Nr. 47); abgedr. bei Bergmann-Ferid-Henrich aaO S. 50 ff.]. Der Vatersname wird in bulgarischen Reisepässen und sonstigen Urkunden, die kein Feld mit der Bezeichnung ‚Vatersname’ enthalten, jeweils unter der Rubrik ‚Vorname’ eingetragen.
[6]Vatersnamen werden nicht einheitlich qualifiziert (vgl. Staudinger-Hepting-Hausmann, BGB, 2013, Art. 10 EGBGB Rz. 27 ff. m.w.N.). Der Vatersname wird nach seiner Funktion eher dem Familiennamen (vgl. BGH, NJW 1971, 1521 (IPRspr. 1971 Nr. 6); NK-BGB-Mankowski, 3. Aufl., Art. 10 Rz. 158; Fachausschuss Nr. 3566, StAZ 2000, 220, 221) oder eher dem Vornamen zugeordnet (BGH, NJW 2014, 1383, 1385; Staudinger-Hepting-Hausmann aaO Art. 47 Rz. 47). Dass die Rechtswahl vom 30.3.2015 auch für den Vatersnamen S. gilt, folgt unter Berücksichtigung der konkreten Umstände jedenfalls aus einer europarechtskonformen Auslegung des Art. 10 III EGBGB.
[7]Art. 21 AEUV gebietet es, den Namen eines Unionsbürgers anzuerkennen, wenn er ihn zwar nicht während eines gewöhnlichen Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat erworben hat, aber eine sonstige Verbindung – wie hier die Staatsangehörigkeit – zu diesem aufweist (EuGH, Urt. vom 8.6.2017 – Mircea Florian Freitag, Rs C-541/15, NJW 2017, 3581, 3583). Das Recht auf Anerkennung betrifft sämtliche Namensbestandteile, auch Zwischennamen (vgl. BGH, NJW-RR 2017, 833, 834 (IPRspr 2017-7b)). Der Gesetzgeber hat Art. 48 EGBGB für ausreichend erachtet, da weitergehenden Anforderungen u.a. durch die Wahlmöglichkeit nach Art. 10 III 1 Nr. 1 EGBGB Rechnung getragen sei (vgl. BT-Drucks. 17/11049 S. 12, 17). Dementsprechend muss die Vorschrift auch die Einbeziehung des Vatersnamens in die Rechtswahl zumindest dann ermöglichen, wenn der Sorgeberechtigte das Recht eines Mitgliedstaats wählt, dem auch das Kind angehört, und – wie hier die Bet. zu 2) und 3) durch die Angaben im Urkundeneingang – zum Ausdruck bringt, das Kind solle auch den Vatersnamen nach dem gewählten Recht führen.
[8]Es erscheint bei gleichzeitiger Wahl des Familiennamens nach Art. 10 III 1 Nr. 1 EGBGB nicht praktikabel, den durch seine Eltern vertretenen Unionsbürger hins. des Vatersnamens auf eine gesonderte Erklärung in entsprechender Anwendung von Art. 48 EGBGB zu verweisen. Die Vorschrift ermöglicht keine Rechts-, sondern nur eine Namenswahl und stellt für die Wirkung auf einen anderen Zeitpunkt ab.