Bestand die engste gemeinsame Verbindung eines deutschen Erblassers und seiner chinesischen Ehefrau mit dem Recht der Bundesrepublik Deutschland, während die Verbindungen der Eheleute nach China vorläufigen Charakter hatten, unterliegen die allgemeinen Ehewirkungen gemäß Art. 14 I Nr. 3 EGBGB alter Fassung deutschem Recht, mit der Folge, dass sich auch das Güterrechtsstatut des Erblassers nach deutschem Recht richtet. [LS der Redaktion]
Der Erblasser war seit den 90er Jahren als selbständiger Dipl.-Ing. weltweit tätig. Er war Inhaber eines Ingenieursbüros in Deutschland. Seit 2000 bewohnte er eine Miet-, später Eigentumswohnung in Deutschland. Dort hatte er bis zu seinem Tod seinen Wohnsitz angemeldet. In China unterhielt der Erblasser einen Gewerbebetrieb. Dazu hatte er in China Räume angemietet, in denen er auch wohnte. 2013 heirateten der Erblasser und die Bet. zu 1), eine chinesische Staatsangehörige, in Deutschland und bewohnten gemeinsam die dortige Wohnung des Erblassers. Eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung für China beantragte der Erblasser nicht. Er verfügte lediglich über sog. Business- bzw. Tourist-Visa. Seit 2014 war die Bet. zu 1) in Deutschland am Ort der gemeinsamen Wohnung gemeldet. Nach dem Tod des Erblassers bewohnte sie die zum Nachlass gehörende Eigentumswohnung alleine. 2015 meldete sie sich bei der Meldebehörde nach China ab. Die Bet. zu 2) ist die Nichte des Erblassers. Letztere beantragte mit Schriftsatz vom 1.9.2015 Erteilung eines Erbscheins nach gesetzlicher Erbfolge beantragt, der sie und die Bet. zu 1) als Erbinnen zu je 1/2 ausweist, die Bet. zu 1) wiederum mit Schriftsatz vom 30.11.2015 einen Erbschein, nach dem sie Erbin zu 3/4 und die Bet. zu 2) Erbin zu 1/4 geworden ist. Mit Beschluss vom 29.4.2016 hat das NachlG den Antrag der Bet. zu 1) zurückgewiesen. Dagegen richtet sich deren Beschwerde. Mit weiterem Beschluss vom 4.8.2016 hat das NachlG der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt.
[1]II. ... Die Beschwerde ist ... begründet. Den Bet. ist ein Erbschein entsprechend dem Antrag der Bet. zu 1) zu erteilen, nach dem die Bet. zu 1) den Erblasser zu 3/4 und die Bet. zu 2) ihn zu 1/4 beerbt hat. Die Bet. zu 2) hat mit ihrem Erbscheinsantrag keinen Erfolg.
[2]Zunächst ist festzustellen, dass gemäß Art. 25 EGBGB a.F. die Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staats unterliegt, dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehörte. Da der Erblasser die deutsche Staatsangehörigkeit hatte, kommt hier deutsches Recht zur Anwendung.
[3]Nach deutschem Recht hat die Bet. zu 1) den Erblasser neben der Bet. zu 2) als Erbin zweiter Ordnung zunächst zur Hälfte beerbt, §§ 1931 I, 1925 I BGB. Daneben kommt zugunsten der Bet. zu 2) die güterrechtliche Erhöhung um 1/4 gemäß §§ 1931 III, 1371 BGB zur Anwendung, weil sich auch das Güterrechtsstatut des Erblassers nach deutschem Recht richtet. Gemäß Art. 15 I EGBGB unterliegen die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe dem bei der Eheschließung für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgeblichen Recht. Weil die Bet. zu 1) und der Erblasser für die güterrechtlichen Wirkungen ihrer Ehe keine Rechtswahl getroffen haben (Art. 15 II EGBGB), sind die allgemeinen Ehewirkungen nach Art. 14 I EGBGB zu bestimmen.
[4]Dabei scheidet die Anwendung des Art. 14 I Nr. 1 EGBGB im vorliegenden Fall aus, weil der Erblasser und die Bet. zu 1) weder bei der Eheschließung noch zu einem späteren Zeitpunkt eine gemeinsame Staatsangehörigkeit besaßen.
[5]Entgegen der Auffassung des NachlG lässt sich auch ein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt der Ehegatten in China mit der Folge, dass gemäß Art. 14 I Nr. 2 EGBGB für das Güterrechtsstatut des Erblassers chinesisches Recht zur Anwendung käme, nicht feststellen. Der gewöhnliche Aufenthalt wird definiert als der Ort, an dem der Schwerpunkt aller sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen einer Person, also ihr Daseinsmittelpunkt, liegt. An die Feststellung des gewöhnlichen Aufenthalts dürfen keine zu geringen Anforderungen gestellt werden (BGH, NJW 1993, 2047) (IPRspr. 1993 Nr. 65). In erster Linie ist der gewöhnliche Aufenthalt aus ‚nach außen zutage getretenen, objektiven Merkmalen eines längeren Aufenthalts zu schließen. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt’ (BT-Drucks. 10/504 S. 41 u. Hinw. auf § 9 Satz 1 AO; vgl. Staudinger-Bausback, BGB, Neub. 2013, Art. 5 EGBGB Rz. 43 f.).
[6]Im vorliegenden Fall sprechen für ein nicht nur vorübergehendes Verweilen des Erblassers in China die folgenden Umstände: Er hatte in .../China eine Wohnung angemietet, in der er gemeinsam mit der Bet. zu 1) lebte. Dort war auch der Sitz der X1, mit der er seinen Lebensunterhalt verdiente. Ferner können die von der Bet. zu 2) vorgelegten E-Mails des Erblassers vom Beginn des Jahres 2012 ... in dem Sinne verstanden werden, dass er seinen Lebensmittelpunkt in China sah ...
[7]Demgegenüber bestehen allerdings zahlreiche Anhaltspunkte, die belegen, dass der Erblasser niemals vorhatte, auf Dauer in China zu bleiben, sondern dass sein Aufenthalt von vornherein nur vorübergehend angelegt war. Dies ergibt sich aus folgenden Umständen: Der Erblasser besaß die deutsche Staatsangehörigkeit und hatte seinen Wohnsitz in Deutschland angemeldet. Eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung für China beantragte er nicht, obwohl die Voraussetzungen dafür nach seiner Eheschließung vorgelegen haben dürften. Vielmehr reiste er jeweils mit sog. Business- bzw. Tourist-Visa nach China ein. Noch im Jahr 2010 hatte er die in Stadt 1 angemietete Wohnung als Eigentumswohnung erworben. Auch in den Folgejahren hatte er nicht die Absicht, diese aufzugeben ... Auch der Umstand, dass er in dieser E-Mail seine anstehende Reise nach Deutschland als ‚Rückreise’ bezeichnete, zeigt, dass er seinen Lebensmittelpunkt nicht in China sah. Ab 2012 hielt sich der Erblasser jeweils nur noch für wenige Wochen bzw. Monate in Folge in China auf ...
[8]Es bestanden konkrete Planungen, mit der Bet. zu 1) und ihrem Sohn nach Deutschland überzusiedeln ...
[9]Es lässt sich danach nicht feststellen, dass der Erblasser den Willen gehabt hätte, sich dauerhaft sozial und wirtschaftlich in China zu integrieren. Auch bei einer längeren Verweildauer ist aber nicht von einem gewöhnlichen Aufenthalt auszugehen, wenn der Betreffende dort unter Umständen lebt, die erkennen lassen, dass er sich an diesem Ort nur vorübergehend aufhält (vgl. Staudinger-Bausback aaO Art. 5 EGBGB Rz. 43 ff.).
[10]Ob der Erblasser stattdessen seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn eine Person muss nicht stets einen gewöhnlichen Aufenthalt haben. Vielmehr ist es auch möglich, dass eine Person ihren bisherigen gewöhnlichen Aufenthalt aufgibt, ohne einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen (vgl. BGH, NJW 1993 aaO; jurisPK-BGB-Ludwig, 8. Aufl. [2017], Art. 14 EGBGB Rz. 60). Nachdem der Erblasser bereits seit Anfang der 90er Jahre als Diplomingenieur weltweit tätig war, erscheint es durchaus nahe liegend, dass er ‚in der ganzen Welt zu Hause war’, d.h. dass es ihm leichtfiel, sich an neuen Aufenthaltsorten zurechtzufinden und einzurichten, ohne dass er an einem bestimmten Ort seinen Daseinsmittelpunkt begründet hätte. Entscheidend ist im vorliegenden Fall aber, dass der Erblasser jedenfalls nicht in China seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet hatte, so dass ein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt mit der Bet. zu 1) in China weder bei der Eheschließung noch zu einem späteren Zeitpunkt bestanden hat, mit der Folge dass sich die Ehewirkungen nicht nach Art. 14 I Nr. 2 EGBGB richten.
[11]Dagegen kommt Art. 14 I Nr. 3 EGBGB zur Anwendung, wonach die allgemeinen Wirkungen der Ehe dem Recht des Staats unterliegen, mit dem die Ehegatten auf andere Weise gemeinsam am engsten verbunden sind. Diese Bestimmung ist für die Fälle in das Gesetz aufgenommen worden, in denen – wie im vorliegenden Fall – die in Art. 14 I Nrn. 1 und 2 EGBGB geregelten Anknüpfungen nicht eingreifen. Eine solche Verbindung kann bspw. begründet werden durch den Verlauf der ehelichen Lebensgemeinschaft, den Ort der Eheschließung, sofern dieser nicht als rein zufällig erscheint, oder die gemeinsame soziale Bindung der Ehegatten an einen Staat durch die berufliche Tätigkeit (vgl. BGH aaO). Des Weiteren kann auch die gemeinsame Verbundenheit der Eheleute durch die beabsichtigte Begründung eines ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts in einem Staat eine solche Verbindung begründen. Das gilt auch dann, wenn es letztlich nicht zur Verwirklichung dieser Absicht gekommen ist. (vgl. BeckOK-BGB-Mörsdorf [Stand: 15.6.2017], Art. 14 EGBGB Rz. 39; OLG Köln, FamRZ 1998, 1590 (IPRspr. 1998 Nr. 77)).
[12]Im vorliegenden Fall bestand die engste gemeinsame Verbindung des Erblassers und der Bet. zu 1) mit dem Recht der Bundesrepublik Deutschland. Denn beide hatten von vornherein geplant, dort ihren gemeinsamen Wohnsitz zu begründen. Nach der Eheschließung hat der Erblasser, der sich immer nur für einige Wochen bzw. Monate in Folge in China aufhielt, konkrete Schritte unternommen, um den Umzug nach Deutschland in die Wege zu leiten. Seit Oktober 2014 war die Bet. zu 1) in der Wohnung in Stadt 1 gemeldet und bewohnte diese zunächst auch noch nach dem Tod des Erblassers. Die Verbindungen der Eheleute nach China durch den Ort der Eheschließung, die dort gemietete Wohnung und die berufliche Tätigkeit im Unternehmen des Erblassers haben dagegen vorläufigen Charakter, denn es war von vornherein geplant, den Aufenthalt dort zu beenden, um dauerhaft in Deutschland zu leben. Im Hinblick darauf unterliegen die allgemeinen Ehewirkungen gemäß Art. 14 I Nr. 3 EGBGB deutschem Recht mit der Folge, dass sich auch das Güterrechtsstatut des Erblassers nach deutschem Recht richtet.