Der für die internationale Zuständigkeit nach der EuErbVO maßgebliche gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers ergibt sich aus einer Gesamtberücksichtigung der Lebensumstände unter Einschluss des Aufenthalts- und Bleibewillens.
Der Erblasser, deutscher Staatsangehöriger, ist 80-jährig in Spanien, verstorben. Er war in dritter Ehe verheiratet und hatte vier Kinder. Die ASt. zu 3) und 4) stammen aus der ersten, 1984 geschiedenen Ehe. Die Beschwf. zu 1) und 2) sind aus der zweiten, mit einer Spanierin geschlossenen und 2003 geschiedenen Ehe hervorgegangen. Die dritte Ehe ist kinderlos geblieben. Mit seiner letzten Ehefrau errichtete der Erblasser ein gemeinsames Testament, das er nach Trennung der Eheleute durch notarielle Erklärung vom 9.10.2015 widerrief. Der Erblasser zog aus der gemeinsamen Wohnung aus und lebte bis zu seinem Tod in Spanien. Am 15.12.2015 hatte er ein handschriftliches Testament errichtet.
Die Beschwf. haben einen gemeinschaftlichen Erbschein beantragt, der sie als Miterben zu je 1/2 ausweist. Das AG hat den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat das AG ausgeführt, es fehle die internationale Zuständigkeit, der Erblasser habe seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien gehabt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beschwf., die – wie die ASt. zu 4) – geltend machen, der Erblasser habe seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland gehabt, während die ASt. zu 3) der Auffassung ist, das AG Bad Oeynhausen sei international nicht zuständig.
[1]II. Die gemäß den §§ 342 I Nr. 6, 58, 59, 61, 63, 64 FamFG zulässige Beschwerde der Bet. zu 1) und 2) ist begründet.
[2]Der Erblasser ist ... 2016 verstorben. Damit ist die am 17.8.2015 in Kraft getretene EuErbVO anzuwenden. Gemäß Art. 4 EuErbVO sind für Entscheidungen in Erbsachen für den gesamten Nachlass die Gerichte desjenigen Mitgliedstaats zuständig, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hat. Entscheidung im Sinne dieser Verordnung ist gemäß Art. 3 I lit. g EuErbVO jede von einem Gericht eines Mitgliedstaats in einer Erbsache erlassene Entscheidung ungeachtet ihrer Bezeichnung, somit auch ein Erbschein, wie er vorliegend von den ASt. begehrt wird.
[3]Der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers könnte im vorliegenden Fall entweder in Deutschland oder in Spanien gelegen haben. Der Begriff des ‚gewöhnlichen Aufenthalts’ i.S.d. Art. 4 EuErbVO ist unter Heranziehung der Erwgr. 23 und 24 zu bestimmen. Insoweit ist eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände vorzunehmen, auch unter Berücksichtigung von Dauer und Regelmäßigkeit von Besuchen, der besonders engen Bindung an einen Staat, der Sprachkenntnisse, der Lage des Vermögens (vgl. Palandt-Thorn, 76. Aufl., Art. 21 EuErbVO). Daraus ergibt sich, dass in Bezug auf den ‚gewöhnlichen Aufenthalt’ der tatsächliche Lebensmittelpunkt einer natürlichen Person zu verstehen ist, der mittels einer Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und zum Zeitpunkt des Todes festzustellen ist (Keidel-Zimmermann, FamFG, 19. Aufl., § 343 Rz. 62; § 34 IntErbRVG Rz. 2 ff.). Für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers ist neben dem objektiven Moment des tatsächlichen Aufenthalts auch ein subjektives Element, nämlich ein Aufenthalts- bzw. Bleibewille, erforderlich. Andernfalls können Fragen eines erzwungenen oder willenlosen Aufenthalts nicht zufriedenstellend geklärt werden (Keidel-Zimmermann aaO Rz. 67). Vorliegend spricht eine weit überwiegende Gesamtheit von Umständen dafür, dass der Erblasser seinen Lebensmittelpunkt im dargestellten Sinne noch in Deutschland hatte, obwohl er sich bis zu seinem Tod in Spanien aufgehalten hatte.
[4]Der Senat stellt dabei v.a. auf die tatsächlichen Angaben in dem nur wenige Monate vor dem Tod des Erblassers verfassten Schriftsatz vom 1.2.2016 ab, der das Verfahren wegen vorzeitigen Zugewinnausgleichs eingeleitet hat und die vom Erblasser selbst stammen. [...] Wie aus dem Antrag des Erblassers vom 1.2.2006 zur Überzeugung des Senats eindeutig hervorgeht, wollte der Erblasser im Juni 2015 nicht dauerhaft in Spanien bleiben, sondern von dort wieder abgeholt werden. Nur weil ihn vorübergehend niemand nach Deutschland zurückfahren wollte, ist er notgedrungen solange in Spanien geblieben, bis er sich von seiner Tochter nach Deutschland bringen lassen konnte. Nach einer kurzfristigen Rückkehr in die eheliche Wohnung in W hat er sodann Kontakt zu seiner Schwester in T aufgenommen. Dass er im weiteren zeitlichen Verlauf nach Spanien zurückgekehrt und dort letztlich verstorben ist, kann nach alledem nicht dahin gehend gewertet werden, dass er wieder endgültig nach Spanien umsiedeln wollte. Ob sich möglicherweise aus dem handschriftlichen Testament des Erblassers vom 15.12.2015, das in deutscher Sprache verfasst ist, eine konkludente Rechtswahl i.S.d. Art. 22 EuErbVO zugunsten des deutschen Erbrechts ergeben könnte, braucht deshalb angesichts dessen, dass die ASt. zu 3) die internationale Zuständigkeit des angerufenen AG ausdrücklich nicht anerkennt (vgl. Art. 7 c) EuErbVO) nicht entschieden zu werden.