Die Frage, ob und inwiefern der Aufenthalt des Kindes nur aufgrund einer einvernehmlichen Entscheidung der Eltern beziehungsweise einer Gerichtsentscheidung verändert werden darf, unterliegt nach Art. 3 Satz 1 lit. a HKiEntÜ dem Recht des Staats, in dem das Kind unmittelbar vor dem Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (hier: China). [LS der Redaktion]
Aus der nichtehelichen Beziehung der Bet. ging das Kind K. (geb. 2014) hervor. Die Mutter des Kindes, Bet. zu 1), besitzt die deutsche, der Vater, Bet. zu 2), die britische Staatsangehörigkeit. Das Kind ist Angehöriger beider Staaten. Zum Zeitpunkt der Geburt lebte die Familie in Hongkong, der Bet. zu 2) mit einer Aufenthaltserlaubnis, die Bet. zu 1) mit einem Touristenvisum; sie reiste wiederholt nach Deutschland. Nach der Trennung der Bet. wurde dem Vater durch Beschluss des Bezirksgerichts ... Hongkong vom 6.10.2017 vorläufig und ohne Anhörung der Mutter das Sorgerecht für K. übertragen. Der Mutter wurde Umgang unter Aufsicht des Jugendamts gewährt und untersagt, das Kind aus der Obhut des Vaters zu entfernen. Die Bet. vereinbarten am 28.6.2018, dass K. auch zukünftig in Hongkong leben soll und eine Veränderung dieser Planung nur durch gemeinsame Entscheidung der Bet. im Rahmen einer Mediation erfolgen könne. Auch kamen sie überein, dass es der Mutter vom 8.7.2018 bis 12.8.2018 (bzw. 12.7. biw 16.8.) erlaubt sei, gemeinsam mit K. Urlaub in Deutschland zu machen. In Deutschland teilte die Mutter dem Vater mit, nicht nach Hongkong zurückkehren zu wollen. Der Vater widerspricht dem dauerhaften Aufenthalt K.s in Deutschland.
Das AG Frankfurt – FamG – hat durch Beschluss vom 14.9.2018 die Rückführung des Kindes nach Hongkong angeordnet. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Mutter mit ihrer Beschwerde.
[1]II. Die Beschwerde der Beschwf. ist zulässig ... Sie bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
[2]1. Das AG hat seine Zuständigkeit zutreffend bejaht gemäß §§ 11, 12 IntFamRVG. Das HKiEntÜ gilt sowohl für China wie auch für Deutschland.
[3]2. ... Das AG hat zutreffend angenommen, dass die Voraussetzungen einer Rückführungsanordnung gemäß Art. 12, 3 HKiEntÜ anzunehmen sind.
[4]a.) Dies gilt zum einen für das Tatbestandsmerkmal des gewöhnlichen Aufenthalts vor dem Zurückhalten (Art. 3 Satz 1 lit. a, 4 Satz 1 HKiEntÜ). K. hatte, bevor er in Deutschland zurückgehalten wurde, seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Hongkong. [...] Eine abweichende Beurteilung ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass die Mutter sich im Sommer 2016 und 2017 mehrere Wochen in Deutschland aufhielt. Bereits in zeitlicher Hinsicht sind diese Aufenthalte ungeeignet, den gewöhnlichen Aufenthalt in Hongkong infrage zu stellen. Zudem erfolgte in Deutschland auch keine vergleichbare soziale Integration wie in China ...
[5]b.) Auch das weitere Tatbestandsmerkmal des Art. 3 Satz 1 lit. a HKiEntÜ, nämlich dass durch das Zurückhalten das Sorgerecht des zurückbleibenden Elternteils verletzt wird, ist vorliegend erfüllt. Die Mutter beeinträchtigt das Sorgerecht des Vaters, indem sie K. widerrechtlich zurückhält. Sie hat mit ihm kein Einvernehmen darüber erzielt, dass der gemeinsame Sohn in Deutschland verbleibt. [...] Die Frage, ob und inwiefern der Aufenthalt des Kindes nur aufgrund einer einvernehmlichen Entscheidung der Eltern bzw. einer Gerichtsentscheidung verändert werden darf, unterliegt nach Art. 3 Satz 1 lit. a HKiEntÜ dem Recht des Staats, in dem das Kind unmittelbar vor dem Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, hier also dem Recht Chinas. Die Norm nimmt die gesamte Rechtsordnung, einschl. des Kollisionsrechts in Bezug (Staudinger-Henrich, BGB, Neub. 2018, Art. 3 HKÜ Rz. E 27 m.w.N.). Nach Art. 21 des chinesischen Zivilprozessgesetzes vom 9.4.1991 (Guowuyuan Gongbao Nr. 13, 481) i.d.F. vom 31.8.2012 ist das Gericht des Wohnorts der Beteiligten für eine sorgerechtliche Entscheidung örtlich zuständig. Gemäß Art. 25 des [IPR]-Gesetzes der Volksrepublik China zur Anwendung des Rechts auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung vom 28.10.2010 (ABl. des Ständigen Ausschusses NVK 2010 Nr. 7, 640 ff.) ist auf persönliche Beziehungen zwischen Eltern und Kindern das Recht ihres gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts anwendbar (vgl. auch Bergmann-Ferid-Henrich-Pißler/v.Hippel, Int. Ehe- und Kindschaftsrecht, Volksrepublik China [Stand: 15.1.2013] S. 35). Aufgrund der Entscheidungen des Bezirksgerichts von Hongkong, Familiengericht, vom 28.6.2018 wurde die gemeinsame elterliche Sorge für das gemeinsame Kind angeordnet. Die Entscheidung über den Lebensmittelpunkt des Kindes ist auch nach chinesischem Recht den Sorgeberechtigten zuzuordnen. Sofern die Eltern eines nichtehelichen Kindes keine Einigkeit über dessen Lebensmittelpunkt erzielen können, ist darüber ein Rechtsstreit vor den Volksgerichten zu führen (Bergmann-Ferid-Henrich-Pißler/v.Hippel aaO S. 85). Auch gemäß Art. 5 lit. a HKiEntÜ umfasst das Sorgerecht im Sinne des Übereinkommens insbesondere das Recht, den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen oder mitzubestimmen. Das HKiEntÜ hebt somit das Recht zur Bestimmung des Aufenthaltsorts besonders hervor (Staudinger-Pirrung aaO [2009] Art. 5 HKÜ Rz. D 37).
[6]c.) Der Vater übte das Sorgerecht sowohl zum Zeitpunkt der Einreise wie auch des widerrechtlichen Zurückhaltens nach Art. 3 Satz 1 lit. b HKiEntÜ auch tatsächlich aus ...
[7]3. Sofern die Mutter sich gegen die Anordnung der Rückführung auf Art. 13 I lit. b HKiEntÜ berufen will, sind dessen Voraussetzungen nicht gegeben. [...] Nur ungewöhnlich schwerwiegende Beeinträchtigungen des Kindeswohls, die sich als besonders erheblich, konkret und aktuell darstellen, stehen einer Rückführung entgegen (vgl. BVerfGE 99, 145 (IPRspr. 1998 Nr. 108b)). Solche zwingenden Gründe sind hier nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich. [...] Härten für den entführenden Elternteil begründen in der Regel keinen solchen Nachteil. Ist die Rückkehr für diesen Elternteil mit staatlichen Sanktionen verbunden, so sind diese als Folge der rechtswidrigen Entführung hinzunehmen (BVerfGE 99 aaO zit. n. juris Rz. 68).
[8]Der erstmals in der Beschwerdeinstanz erhobene Verdacht, der Vater könnte gegenüber dem Kind sexuell übergriffig geworden sein, führt zu keiner anderen Wertung. Die Rückführung des Kindes zu dem Herkunftsstaat dient auch gerade dem Zweck, die ursprüngliche internationale Zuständigkeit für die Sorgerechtsentscheidung zu wahren und so zu vermeiden, dass ein Elternteil aus der rechtswidrigen Entführung der Kinder einen faktischen Vorteil zieht (BVerfGE 99 aaO Rz. 64 ff.). Der Mutter steht es daher offen, gemeinsam mit dem Kind nach Hongkong zurückzukehren und die von ihr beobachteten Auffälligkeiten des Kindes im Rahmen eines sorgerechtlichen Verfahrens einzubringen.