Auf die vertraglichen Beziehungen zwischen der Zessionarin einer in der Schweiz ansässigen Aktiengesellschaft (Zedentin) und dem Beklagten (hier: über die Bereitstellung von Eintrittskarten für eine Veranstaltung in Rio de Janeiro) sind gemäß Art. 4 I und II Rom-I-VO die Vorschriften des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs, insbesondere die des fünften Teils – Obligationenrecht – anzuwenden. [LS der Redaktion]
Die Parteien steiten über Ansprüche aus der Vereinbarung über die Bereitstellung zweier VIP-Karten für das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2014 in Rio de Janeiro. Die Kl. ist eine auf die Vermarktung von Sportveranstaltungen spezialisierte Agentur. Sie wurde von der von der FIFA entsprechend mandatierten ... AG als Subagentur mit dem Vertrieb der Hospitality Packages (Eintrittskarten mit Sitzplatz u. weiteren Leistungen) beauftragt. Dem Bekl. wurden zwei Karten (Match Pavillon) für insges. 15.100 USD zugesagt. Der Bekl. erklärte nach Besuch des Spiels und nach Mahnung durch die Kl. die Anrechtung, weil er aufgrund seiner Behinderung den vollen Leistungsumfang nicht habe wahrnehmen können.
Das LG verurteilte den Bekl. zur Zahlung eines geminderten Kaufpreises. Hiergegen wendet sich die Kl. mit ihrer Berufung.
[1]B. Die Berufung der Kl. ist zulässig und begründet. Die Kl. hat gegen den Bekl. einen Anspruch aus abgetretenem Recht auf Zahlung von insgesamt $ 15.100 ...
[2]1. Die materielle Rechtslage richtet sich nach den Vorschriften des schweiz. Sachrechts. Der die Rechtsbeziehung der Parteien prägende schuldrechtliche Vertrag ist zwischen der M. und dem Bekl. abgeschlossen worden; die Kl. macht insoweit als Zessionarin einen vertraglichen Zahlungsanspruch geltend. Die Zedentin ist eine in der Schweiz ansässige AG. Es liegt somit ein das IPR berührender Sachverhalt vor. Einschlägig ist hier die Rom-I-VO, die gemäß Art. 2 Rom-I-VO universell gilt und insoweit allseitige Kollisionsnormen enthält, welche im Hinblick auf Art. 20 Rom-I-VO grunds. zur Anwendung des Sachrechts der berufenen Rechtsordnung unter Ausschluss ihrer Rechtsnormen des IPR führen (vgl. MünchKomm-Martiny, 6. Aufl. [2015], IPR I Art. 2 Rom I-VO Rz. 2; ders. in Reithmann-Martiny, Int. Vertragsrecht, 8. Aufl. [2015], Rz. 1.65; Palandt-Thorn, BGB, 76. Aufl. [2017], Art. 2 Rz. 1). Danach verweist die Bestimmung des Art. 4 I und II Rom-I-VO, die ungeachtet einer möglichen Verbrauchereigenschaft des Bekl. gemäß Art. 6 IV lit. a Rom-I-VO maßgeblich bleibt, auf eine Geltung des schweiz. Sachrechts und nicht des deutschen Zivilrechts. Insbesondere ist auch nicht erkennbar und wird von den Parteien auch nicht behauptet, dass die Vertragsparteien in Ansehung des Art. 3 I Rom-I-VO ausdrücklich oder den tatsächlichen Umständen nach eine Rechtswahl getroffen hätten, welche die Geltung des deutschen Rechts zum Inhalt hat. Soweit der Bekl. im Übrigen darauf verweist, der Schwerpunkt der von ihm erworbenen Leistungen liege auf der Gewährung des Einlasses und der Ermöglichung, die mit dem VIP-Paket erworbenen Leistungen in Anspruch nehmen zu können, ist festzustellen, dass diese Leistungen eben gerade nicht in Deutschland, sondern in Brasilien zu erbringen waren. Es liegt also keiner der Fälle vor, die nach Art. 6 I Rom-I-VO zu einer Anwendung deutschen Rechts führen könnten. Nach Art. 6 IV Rom-I-VO lit. a gelten die Absätze 1 und 2 nämlich nicht für Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen, wenn die dem Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen ausschließlich in einem anderen als dem Staat erbracht werden müssen, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dabei ist der Begriff der Dienstleistungen weit gefasst und umschließt sämtliche tätigkeitsbezogene Leistungen an den Verbraucher aufgrund von Dienst-, Werk- und Geschäftsbesorgungsverträgen (vgl. Staudinger-Magnus, BGB, Int. Vertragsrecht [2016], Art. 6 Rom I-VO Rz. 69; MünchKomm-Martiny aaO Art. 6 Rom I-VO Rz. 17). Der Besuch von Sportereignissen im Ausland gehört hierzu ungeachtet der Frage, welche Leistungselemente vom Veranstalter im Einzelnen zu erbringen sind und wie die zur Anwendung berufene materielle Rechtsordnung das Rechtsverhältnis zwischen dem Sportveranstalter und dem Verbraucher im Näheren qualifiziert (vgl. jurisPK-BGB-Limbach, 8. Aufl. [2017], Art. 6 Rom-I-VO Rz. 30).
[3]Auf die vertraglichen Beziehungen der Parteien bzw. der Zedentin und dem Bekl. anzuwenden sind daher die Vorschriften des schweiz. ZGB, insbes. die des fünften Teils (OR).
[4]2. Der Bekl. ist gemäß Art. 363 und Art. 372 I OR und dem mit der Zedentin geschlossenen Vertrag verpflichtet, den für zwei VIP-Karten vereinbarten Eintrittspreis für das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2014 in Rio de Janeiro an die nach einer unbestrittenen Forderungsabtretung aktivlegitimierte Kl. zu zahlen ...
[5]4. Der Bekl. hat – und dieser Gesichtspunkt ist letztlich entscheidend – etwaige Gewährleistungsansprüche aber bereits deshalb verloren, weil er der Zedentin Mängel nicht unverzüglich angezeigt hat, Art. 367 I OR ...
[6]7. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der zwischen dem Bekl. und der Zedentin geschlossene Vertrag nach Art. 28 I OR nicht verbindlich wäre, denn es ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass hier eine absichtliche Täuschung i.S.d. Vorschrift vorliegt. Nach Art. 28 I OR ist dann, wenn ein Vertragschließender durch absichtliche Täuschung seitens des anderen zu dem Vertragsabschluss verleitet worden ist, der Vertrag für ihn auch dann nicht verbindlich, wenn der erregte Irrtum kein wesentlicher war. Davon, dass der Bekl. derart zu dem Vertragsschluss verleitet worden wäre, kann nach dem oben Ausgeführten nicht ausgegangen werden.