Eine ausländische Entscheidung, die in der Sache weitergehend als eine bloße Abänderungsentscheidung einer Aufhebung oder Anfechtung der Rechtswirkungen aus der im Gegensatz hierzu stehenden deutschen Entscheidung entspricht (hier: Aufhebung der Anerkennung der Vaterschaft durch ein niederländisches Gericht), kann auch dann nicht im Rahmen des § 109 I Nr. 3 FamFG wie nach § 328 I Nr. 3 ZPO anerkannt werden, wenn nach deutschem Verfahrensrecht eine Aufhebung oder Anfechtung der Rechtswirkungen aus der deutschen Ausgangsentscheidung möglich wäre.
Die ASt. wurde 1959 in Bremen geboren und in der Geburtsurkunde des Standesamts Bremen-... als unehelich beurkundet; sie erhielt den Familiennamen der Mutter und erwarb durch sie auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Am 1.9.1960 erklärte der niederländische Staatsangehörigen C. vor dem Standesbeamten in Enschede die Anerkennung der Vaterschaft, und am 2.9.1960 heirateten er und die Mutter der ASt. Das AG Bremen hat daraufhin mit Beschluss vom 21.3.1961 festgestellt, dass die ASt. dadurch die Rechtsstellung eines ehelichen Kindes erlangt hat.
Mit Beschluss vom 15.7.2016 hat das niederländische Gericht Rechtbank Den Haag entschieden, die Anerkennung der Vaterschaft durch den C. aufzuheben. Die ASt., nunmehr wohnhaft in den Niederlanden, forderte beim Standesamt Bremen-... eine Geburtsurkunde „ohne Name C.“ an. Das Standesamt bat das Gericht um Entscheidung, ob das niederländische Urteil auch für den deutschen Rechtsbereich wirksam oder ein eigenständiges Verfahren erforderlich sei. Am 7.4.2017 hat das AG Bremen beschlossen, dass die Geburtsurkunde nicht dahingehend berichtigt wird, dass der Name des als Vater eingetragenen C. gestrichen wird. Einer Beschwerde der ASt. hat das AG nicht abgeholfen und die Akten dem OLG Bremen zur Entscheidung vorgelegt.
[1]II. Die Beschwerde der ASt. ist statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt worden ... aber nicht begründet, da die Entscheidung der Rechtbank Den Haag vom 15.7.2016 in Deutschland nicht anzuerkennen ist.
[2]1. Zwar steht der Anerkennung der Entscheidung der Rechtbank Den Haag vom 15.7.2016, anders als vom AG angenommen, nicht schon die Vorschrift des § 109 I Nr. 1 FamFG entgegen, wonach die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung ausgeschlossen ist, wenn die Gerichte des ausländischen Staats nach deutschem Recht nicht zuständig sind. Diese Vorschrift geht vom Spiegelbildprinzip aus (vgl. KG Berlin, Beschl. vom 10.6.2010 – 1 VA 8/10 (IPRspr. 2011 Nr. 171), juris Rz. 5, FamRZ 2010, 1589) und steht einer Anerkennung nur dann entgegen, wenn bei Anwendung der deutschen Vorschriften die ausländischen Gerichte nicht zuständig wären. Dies ist vorliegend nicht der Fall: Da die ASt. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in den Niederlanden hat, wären die niederländischen Gerichte jedenfalls nach der Regel aus § 100 Nr. 2 FamFG zuständig. Auf eine gleichzeitig gegebene Zuständigkeit deutscher Gerichte, sofern es sich nicht um eine ausschließliche Zuständigkeit handelt, kommt es dagegen nicht an (vgl. Thomas-Putzo, ZPO, 37. Aufl., § 328 Rz. 8a); dies schließt die Annahme einer spiegelbildlichen Zuständigkeit der ausländischen Gerichte oder die Anerkennung der ausländischen Entscheidung nicht aus.
[3]2. Dagegen steht der Anerkennung der Entscheidung der Rechtbank Den Haag vom 15.7.2016 die Vorschrift des § 109 I Nr. 3 FamFG entgegen. Nach dieser Bestimmung ist die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung u.a. dann ausgeschlossen, wenn die Entscheidung mit einer in Deutschland erlassenen Entscheidung unvereinbar ist. Dies ist vorliegend der Fall ...
[4]Der Unvereinbarkeit des Beschlusses der Rechtbank Den Haag vom 15.7.2016 mit dem Beschluss des AG Bremen vom 21.3.1961 steht auch nicht entgegen, dass auch nach deutschem Recht im Rahmen eines Verfahrens zur Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft bei Vorliegen der dafür maßgeblichen Voraussetzungen in der Sache das Ergebnis des Beschlusses des AG Bremen vom 21.3.1961 hätte aufgehoben werden können. Zwar ist in der Rspr. anerkannt worden, dass ausländische Entscheidungen anerkannt werden können, wenn dies einer Abänderung der deutschen Entscheidung nach § 323 ZPO entspricht (vgl. OLG Köln, Beschl. vom 15.12.1986 – 26 UF 188/86 (IPRspr. 1986 Nr. 91 (LS)), IPRax 1988, 30; weitere Nachweise bei Geimer, IZPR, 7. Aufl., Rz. 2859). Es ist aber bereits zweifelhaft, ob dieser Grundsatz auch dann Anwendung finden kann, wenn die ausländische Entscheidung nicht ausdrücklich auf die inländische Entscheidung Bezug nimmt. Während hier teilweise angenommen wird, dass dies nicht der Anerkennungsfähigkeit unter dem Gesichtspunkt einer Unvereinbarkeit mit der inländischen Entscheidung entgegenstehen soll (so OLG Köln aaO; AG Gelsenkirchen, Urt. vom 14.12.1994 – 24 F 308/94 (IPRspr. 1994 Nr. 173), FamRZ 1995, 1160), sind von anderer Seite Bedenken hiergegen geäußert worden (vgl. Staudinger-Spellenberg, BGB [2005], Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, § 328 ZPO Rz. 436; Henrich, IPRax 1988, 21). Letzteres erscheint auch für den vorliegenden Fall begründet: Die Entscheidung der Rechtbank Den Haag vom 15.7.2016 nimmt keinerlei Bezug auf den Beschluss des AG Bremen vom 21.3.1961 und lässt daher auch nicht erkennen, ob überhaupt eine Auseinandersetzung mit der damaligen Entscheidung erfolgt ist und ob und aufgrund welcher veränderten Umstände und im Hinblick auf welche Rechtsfolgen das niederländische Gericht nunmehr davon ausging, dass entgegen der früheren deutschen Entscheidung zu entscheiden war, die Anerkennung der Vaterschaft durch den C. aufzuheben. Überdies ist in der Sache zu bedenken, dass es sich vorliegend bei der ausländischen Entscheidung nicht um eine Abänderungsentscheidung im Sinne einer Änderung der Rechtswirkungen für die Zukunft handelt. Eine ausländische Entscheidung, die in der Sache weitergehend als eine bloße Abänderungsentscheidung einer Aufhebung oder Anfechtung der Rechtswirkungen aus der im Gegensatz hierzu stehenden deutschen Entscheidung entspricht, kann auch dann nicht im Rahmen des § 109 I Nr. 3 FamFG wie nach § 328 I Nr. 3 ZPO anerkannt werden, wenn nach deutschem Verfahrensrecht eine Aufhebung oder Anfechtung der Rechtswirkungen aus der deutschen Ausgangsentscheidung möglich wäre. Mit einer solchen Aufhebung oder Anfechtung würden die Rechtswirkungen aus der deutschen Ausgangsentscheidung nachträglich vollständig wegfallen, während die Rechtswirkungen der Abänderung bei Bestehen einer zeitlichen Teilbarkeit erst zu einem späteren Zeitpunkt eintreten. Eine solche Anfechtung, vorliegend die Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft, geht daher über die bloße Abänderung der urspr. Entscheidung für die Zukunft hinaus und es würde der in § 109 I Nr. 3 FamFG ebenso wie in § 328 I Nr. 3 ZPO niedergelegte Grundsatz des Vorrangs inländischer Entscheidungen weitgehend leerlaufen, wenn im Gegensatz hierzu stehende ausländische Entscheidungen unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Anfechtung der Rechtswirkungen der deutschen Entscheidung nicht als unvereinbar und damit anerkennungsfähig angesehen würden. Die ASt. ist daher auf die Durchführung eines eigenständigen Verfahrens zur Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft zu verweisen und die Entscheidung der Rechtbank Den Haag vom 15.7.2016 ist in Deutschland nicht anzuerkennen.