Für die Bestimmung der Betriebsgröße im Sinne des § 23 I 3 KSchG sind in Deutschland tätige Arbeitnehmer einer selbständigen Schweizer Niederlassung nur zu berücksichtigen, wenn sie in die betriebliche Struktur eingebunden sind. Dafür ist zumindest erforderlich, dass sie ihre Tätigkeit für den Betrieb erbringen und die Weisungen zu ihrer Durchführung im Wesentlichen von dort erhalten. Ein gelegentliches Aufsuchen des Betriebs im Rahmen von Meetings und Präsentationen ist nicht ausreichend. [Leitsatz der Redaktion]
[Das vorgehende Urteil des Hessischen LAG vom 7.5.2015 – 9 Sa 1036/14 – wurde bereits im Band IPRspr. 2015 unter der Nr. 64 abgedruckt.]
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung. Der Kl. war seit Juli 2007 als Sales- und Marketingmanager zunächst bei der A GmbH, einer Schwestergesellschaft der Bekl., dann ab Juli 2009 bei der Bekl. beschäftigt. Diese erwarb von der A GmbH neben deren Betrieb in F eine im Handelsregister als selbständige Niederlassung eingetragene Betriebsstätte in der Schweiz. Zwei bei der Schweizer Niederlassung angestellte Mitarbeiter haben ihren Wohnsitz in Deutschland. Die Bekl. kündigte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28.10.2013 zum 31.12.2013.
Gegen die Kündigung hat der Kl. rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Das KSchG finde Anwendung. Die in der Schweizer Niederlassung beschäftigten Arbeitnehmer seien bei der Bemessung der Arbeitnehmerzahl der Hauptniederlassung zu berücksichtigen.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kl. sein Klagebegehren weiter.
[9] Die Revision ist unbegründet. Das LAG hat die Berufung des Kl. im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.
[10] I. Die Kündigungsschutzklage ist unbegründet ...[11] 1. Nach § 23 I 3 KSchG gelten in Betrieben, in denen in der Regel nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden, die Vorschriften des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes mit Ausnahme von dessen §§ 4 bis 7, 13 I 1 und 2 nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis – wie hier – nach dem 31. Dezember 2003 begonnen hat.
[12] 2. § 23 I 3 KSchG enthält ebenso wie das gesamte Kündigungsschutzgesetz keine Definition des Betriebsbegriffs. Für §§ 1, 15 und 17 KSchG gilt daher im Wesentlichen der Betriebsbegriff im Sinne des § 1 BetrVG. Danach ist der Betrieb die organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln, mit deren Hilfe der Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von technischen und immateriellen Mitteln einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt verfolgt, der nicht nur in der Befriedigung von Eigenbedarf liegt. Mangels entgegenstehender Hinweise ist davon auszugehen, dass der Betriebsbegriff im gesamten KSchG einheitlich gebraucht wird ...
[14] 4. Danach ist der betriebliche Geltungsbereich gemäß § 23 I 3 KSchG im Streitfall nicht eröffnet. Die Bekl. beschäftigte im Zeitpunkt der Kündigung in ihrem Betrieb in F nicht mehr als zehn Arbeitnehmer. Es ist weder aus dem Vorbringen des Kl. noch objektiv ersichtlich, dass außer den – einschließlich des Kl. – unstreitig dort beschäftigten zehn Arbeitnehmern noch mindestens ein weiterer Mitarbeiter der Schweizer Niederlassung dem Betrieb in F zuzurechnen wäre.
[15] a) Der Kl. hat behauptet, die beiden von ihm benannten Mitarbeiter würden ‚in der Hauptniederlassung beschäftigt und von Deutschland aus den gesamten europäischen Markt bearbeiten’. Einen auf ihre Eingliederung in den F Betrieb gerichteten substanziierten Tatsachenvortrag hat er indes nicht gehalten. Nach dem insoweit unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Bekl. suchen die beiden Mitarbeiter den Betrieb in F lediglich gelegentlich im Rahmen von Meetings und Präsentationen auf. Dies genügt nicht, um sie bei der Bestimmung der Betriebsgröße mitzuzählen. Sie müssten vielmehr in die dortige betriebliche Struktur eingebunden sein. Dafür wäre zumindest erforderlich, dass sie ihre Tätigkeit für den Betrieb in F erbringen und die Weisungen zu ihrer Durchführung im Wesentlichen von dort erhalten (zur Einbindung in die Struktur einer betrieblichen Einheit: BAG, Urt. vom 24.8.2006 – 8 AZR 556/05, Rz. 28). An einem darauf bezogenen Vorbringen des Kl. fehlt es jedoch ...
[17] c) Nach den nicht mit beachtlichen Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LAG handelt es sich bei der Schweizer Niederlassung – unbeschadet ihres im Ausland gelegenen Geschäftssitzes – nicht um einen unselbständigen Betriebsteil der F Hauptniederlassung. Die in der Schweiz gelegene Betriebsstätte ist organisatorisch eigenständig. Sie verfügt über eine selbständige Verwaltung und Lohnbuchhaltung. Ihr Niederlassungsleiter nimmt die Einstellung und Entlassung des dort beschäftigten Personals eigenverantwortlich wahr.
[18] d) Auf die Frage, ob auf das Arbeitsverhältnis der vom Kl. benannten Mitarbeiter der Schweizer Niederlassung entgegen der getroffenen Rechtswahl deutsches Recht Anwendung findet, kommt es danach nicht an. Dies gilt gleichermaßen für die Behauptung des Kl., einer der dort beschäftigten Mitarbeiter verfüge über ein ‚Home-Office’ in Deutschland ...
[21] b) ... [Es] wäre im Streitfall selbst dann nicht auf die Unternehmensgröße der Bekl. abzustellen, wenn es sich bei der Niederlassung in der Schweiz um einen eigenständigen, im Inland gelegenen Betrieb handelte. Es ist weder vorgetragen noch objektiv ersichtlich, dass sich aufgrund der gelegentlichen Anwesenheit von Mitarbeitern der Schweizer Niederlassung zu Meetings und Präsentationen in F die enge Zusammenarbeit der dort beschäftigten Arbeitnehmer wesentlich von der in einem typischen Kleinbetrieb unterschiede, dass sich also etwa die Persönlichkeit und der Leistungsbeitrag eines jeden einzelnen Beschäftigten nicht in einer solchen Weise unmittelbar auf das Betriebsklima und die Funktionsfähigkeit der in F gelegenen betrieblichen Einheit auswirkte, wie dies für einen Kleinbetrieb typischerweise anzunehmen ist.