Auf den Direktor einer Private Company Limited by Shares, über deren Vermögen in Deutschland das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, kommt § 64 Satz 1 GmbHG zur Anwendung.
[Die vorgehende EuGH-Vorlage des BGH vom 2.12.2014 – II ZR 119/14 – wurde bereits im Band IPRspr. 2014 unter der Nr. 273b abgedruckt.]
Der Kl. ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der K. Ltd. (Schuldnerin). Das Verfahren ist im November 2007 vom AG Erfurt eröffnet worden. Die Schuldnerin ist als Private Company Limited by Shares in dem für England und Wales zuständigen Handelsregister in Cardiff eingetragen. Eine deutsche Zweigniederlassung ist in dem zunächst vom AG Erfurt, jetzt vom AG Jena geführten Handelsregister eingetragen. Die Bekl. ist Direktorin der Schuldnerin. Die Schuldnerin war überwiegend in Deutschland tätig. Ihr Unternehmensgegenstand bestand in der Montage von Lüftungsanlagen und damit verbundenen Dienstleistungen. Mit der Behauptung, die Schuldnerin sei spätestens seit November 2006 zahlungsunfähig und die Bekl. habe in der Zeit von Dezember 2006 bis Februar 2007 Zahlungen der Schuldnerin veranlasst, hat der Kl. die Bekl. auf Ersatz dieses Betrags nebst Zinsen und vorgerichtliche Anwaltskosten in Anspruch genommen.
Das LG hat der Klage stattgegeben. Das OLG hat die Berufung der Bekl. zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Bekl. ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Der EuGH hat zu den vom Senat mit Beschluss vom 2.12.2014 ihm vorgelegten Fragen festgestellt (Rs C-594/14, ZIP 2015, 2468): 1. Art. 4 EuInsVO ist dahin auszulegen, dass in seinen Anwendungsbereich eine Klage vor einem deutschen Gericht fällt, mit der der Direktor einer Gesellschaft englischen oder walisischen Rechts, über deren Vermögen in Deutschland das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, vom Insolvenzverwalter dieser Gesellschaft auf der Grundlage einer nationalen Bestimmung wie § 64 II 1 GmbHG a.F. auf Ersatz von Zahlungen in Anspruch genommen wird, die der Direktor vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, aber nach dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit festgesetzt wurde, geleistet hat. 2. Die Art. 49 und 54 AEUV stehen der Anwendung einer nationalen Vorschrift wie § 64 II 1 GmbHG a.F. auf den Direktor einer Gesellschaft englischen oder walisischen Rechts, über deren Vermögen in Deutschland das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, nicht entgegen.
[13] II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
[14] 1. Nach § 64 II 1 GmbHG a.F. sind die Geschäftsführer einer GmbH der Gesellschaft – oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Insolvenzverwalter – zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet worden sind. Zu Recht hat das Berufungsgericht diese Vorschrift auf die Bekl. als Direktorin einer Ltd. angewandt.
[15] a) Der Zweck der Vorschrift besteht darin, Masseverkürzungen im Vorfeld des Insolvenzverfahrens zu verhindern und für den Fall, dass der Geschäftsführer seiner Massesicherungspflicht nicht nachkommt, sicherzustellen, dass das Gesellschaftsvermögen wieder aufgefüllt wird, damit es im Insolvenzverfahren zur ranggerechten und gleichmäßigen Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger zur Verfügung steht (st. Rspr., s. etwa BGH, Urt. vom 29.11.1999 – II ZR 273/98, BGHZ 143, 184, 186; Urt. vom 14.5.2007 – II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265, 1266; Urt. vom 5.5.2008 – II ZR 38/07, ZIP 2008, 1229 Rz. 10; Habersack/Foerster, ZHR 178 [2014], 387, 390 ff.). Damit wird von § 64 II 1 GmbHG a.F. im Regelfall nicht ein Schaden der Gesellschaft erfasst, sondern ein Schaden der künftigen Insolvenzgläubiger. Die verbotswidrigen Zahlungen dienen in der Regel der Erfüllung von Verbindlichkeiten der Gesellschaft und führen bei dieser nur zur Verkürzung der Bilanzsumme, nicht aber zu einem Vermögensschaden. Verringert wird nur die Insolvenzmasse in dem nachfolgenden Insolvenzverfahren, was zu einem Schaden allein der Insolvenzgläubiger führt (BGH, Urt. vom 20.9.2010 – II ZR 78/09, ZIP 2010, 1988 Rz. 14; Habersack/Schürnbrand, WM 2005, 957, 959; Lutter-Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, 18. Aufl., § 64 Rz. 4). Die Haftung nach § 64 II 1 GmbHG a.F. setzt im Regelfall die Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraus. Es ist dann Sache des Insolvenzverwalters, den Anspruch geltend zu machen.
[16] Dieser Gesetzeszweck trifft auf beide Gesellschaftsformen zu. Sowohl in der GmbH als auch in der Ltd. haften die Gesellschafter grundsätzlich nicht mit ihrem persönlichen Vermögen für die Gesellschaftsschulden. In beiden Gesellschaftsformen werden die Geschäfte von einer dafür verantwortlichen, nicht notwendig auch als Gesellschafter beteiligten Person geführt. Bei beiden Gesellschaftsformen besteht die Gefahr, dass der Geschäftsführer oder der Direktor nach Insolvenzreife Zahlungen zulasten der späteren Insolvenzgläubiger leistet und damit die Insolvenzmasse verkürzt. Diese Umstände rechtfertigen es, den Geschäftsführer deutschen Rechts und den Direktor englischen oder walisischen Rechts in Bezug auf die Haftung bei derartigen Zahlungen gleichzubehandeln (zustimmend Servatius, DB 2015, 1087 ff.; Schall, ZIP 2016, 289 ff.; Mankowski, NZG 2016, 281 ff.; von Wilcken, DB 2016, 225 f.; Weller/Hübner, NJW 2016, 225; Schulz, EWiR 2016, 67).
[17] b) Diese Rechtsanwendung steht nicht in Widerspruch zum Unionsrecht.
[18] Der EuGH hat vielmehr festgestellt, dass § 64 II 1 GmbHG a.F. auch auf Direktoren einer Ltd. anwendbar sei, über deren Vermögen im Inland das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.