Deutsche Nachlassgerichte sind für die Erteilung eines Erbscheins nicht international zuständig, wenn der Erblasser unter Geltung der EuErbVO verstorben ist und seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat der EuErbVO (hier: Spanien) hatte. [LS der Redaktion]
Der Erblasser ist im September 2015 in Spanien verstorben. Die Beteiligte zu 1) ist seine Ehefrau, die Beteiligten zu 2) und 3) sind seine aus einer früheren Ehe hervorgegangenen Kinder. Der Erblasser hat ein privatschriftliches Testament errichtet. Mit weiterem privatschriftlichen Testament vom 16.12.2010 hat er sein früheres Testament widerrufen und u.a. die Beteiligte zu 1) als alleinige Erbin eingesetzt. Die Beteiligte zu 1) hat am 19.3.2015 beim AG Hamburg-Harburg (FamG) einen Scheidungsantrag gestellt, in dem sie die Adresse des Erblassers in Spanien angegeben hat. Der Erblasser hat sich im April und August 2015 an das FamG gewandt sowie im Rahmen der von ihm beantragten VKH eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht jeweils mit seiner Anschrift in Spanien. Die Beteiligte zu 1) hat mit notarieller Urkunde vom 2.5.2016 einen Erbscheinsantrag gestellt, der sie als Alleinerbin nach dem Erblasser ausweist. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind dem entgegengetreten mit der Begründung, der letzte Wohnsitz ihres Vaters sei in Spanien gewesen, so dass nach der EuErbVO ausschließlich spanisches Recht zur Anwendung komme.
Das AG hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 5.9.2016 durch die Rechtspflegerin den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen, da es örtlich nicht zuständig sei. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beteiligte zu 1) mit ihrer Beschwerde. Die Rechtspflegerin hat mit Beschluss vom 11.10.2016 der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
[1]II. Die gemäß den §§ 11 II RPflG, 342 I Nr. 6, 58, 59, 61, 63, 64 FamFG zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 1) hat in der Sache keinen Erfolg, führt aber zu der aus dem Tenor ersichtlichen Feststellung der Unzuständigkeit des AG Hamburg-Harburg für die Erteilung des von ihr beantragten Erbscheins ...
[2]Das AG Hamburg-Harburg ist für die Erteilung des von der Beteiligten zu 1) beantragten Erbscheins international nicht zuständig.
[3]Der Erblasser ist im September 2015 verstorben. Damit ist die gemäß seinem Art. 84 am 17.8.2015 in Kraft getretene EuErbVO anzuwenden.
[4]Gemäß Art. 4 EuErbVO sind für Entscheidungen in Erbsachen für den gesamten Nachlass die Gerichte desjenigen Mitgliedstaats zuständig, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hat.
[5]Entscheidung im Sinne dieser Verordnung ist gemäß Art. 3 I lit. g EuErbVO jede von einem Gericht eines Mitgliedstaats in einer Erbsache erlassenen Entscheidung ungeachtet ihrer Bezeichnung, somit auch ein Erbschein.
[6]Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts in Art. 4 EuErbVO als einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, der für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, muss in der gesamten EG eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten (vgl. EuGH, Urt. vom 2.4.2009 – Korkein hallinto-oikeus, Finnland, Rs C-523/07, Slg. 2009 I-2805, FamRZ 2009, 843 ff. [845]).
[7]Nach Erwgr. Nr. 23 der EuErbVO ist bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt seines Todes vorzunehmen, wobei alle relevanten Tatsachen zu berücksichtigen sind, insbes. die Dauer und die Regelmäßigkeit des Aufenthalts des Erblassers in dem betreffenden Staat sowie die damit zusammenhängenden Umstände und Gründe. Der so bestimmte gewöhnliche Aufenthalt sollte unter Berücksichtigung der spezifischen Ziele dieser Verordnung eine besonders enge und feste Bindung zu dem betreffenden Staat erkennen lassen.
[8]Die Beteiligte zu 1) hat selber in ihrem Scheidungsantrag vom 19.3.2015 angegeben, der Erblasser wohne bereits seit zwei Jahren in Spanien.
[9]Der Erblasser selber hat sich in diesem familiengerichtlichen Verfahren beim FamG aus Spanien gemeldet und im Rahmen der von ihm beantragten VKH als Anschrift seine Adresse in Spanien angegeben. Er hat in seinem Schreiben vom 11.4.2015 gebeten, einen Termin zur mündlichen Verhandlung auf Ende Juni 2015 zu legen, da er aus finanziellen Gründen nicht früher nach Hamburg kommen könne. Im Schreiben vom 15.8.2015 hat er mitgeteilt, er plane Anfang September 2015 nach Hamburg zu fliegen. Aus den weiter zur Akte gereichten Unterlagen ergibt sich, dass ihm seine Rente nach Spanien überwiesen wurde und er im Oktober 2014 bei der Deutschen Bank in Spanien einen Kredit über € 4 000 aufgenommen hat. Nach alledem steht fest, dass der Erblasser bereits lange Zeit vor seinem Tod seinen Daseinsmittelpunkt und damit seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien gehabt hat.
[10]Daran ändert sich auch nichts, wenn der Erblasser tatsächlich zeitweilig wieder in Hamburg gewesen sein sollte. Entgegen den Angaben der Beteiligten zu 1) in ihrem Erbscheinsantrag hatte der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nicht in Hamburg sondern in T./Spanien.
[11]Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass der Erblasser gemäß Art. 22 II EuErbVO konkludent mit den Bestimmungen seines Testaments eine Rechtswahl hinsichtlich des deutschen Rechts vorgenommen hat, würde ein deutsches NachlG nur unter den Voraussetzungen des Art. 7 EuErbVO zuständig, die vorliegend nicht erfüllt sind, da die beiden Kinder des Erblassers die Unzuständigkeit des deutschen NachlG eingewandt haben.
[12]Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) ist jedoch nicht zurückzuweisen. Vielmehr hat sich gemäß Art. 15 EuErbVO das Gericht eines Mitgliedstaats, das in einer Erbschaftssache angerufen wird, für die es nicht zuständig ist, von Amts wegen für unzuständig zu erklären. Dieses hat der Senat, der im Beschwerdeverfahren an die Stelle des AG getreten ist, auszusprechen.