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Verfahrensgang

BGH, Beschl. vom 24.06.2015 – XII ZB 273/13, IPRspr 2015-9

Rechtsgebiete

Natürliche Personen → Namensrecht

Leitsatz

Lässt sich die effektive Staatsangehörigkeit eines 1984 in der Bundesrepublik Deutschland geborenen Kindes nicht ermitteln, ist gemäß Art. 5 II EGBGB (in der Fassung vom 25.7.1986) das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts, mithin deutsches Recht, anzuwenden mit dem Ergebnis, dass entsprechend der tatsächlich erfolgten Eintragung gemäß § 1355 II 2 BGB (in der Fassung vom 14.6.1976) der Name des (hier: marokkanischen) Vaters maßgeblich war. [LS der Redaktion]

Rechtsnormen

BGB § 1355
EGBGB Art. 5; EGBGB Art. 10; EGBGB Art. 220
PStG § 47

Sachverhalt

Der Betroffene hat die Berichtigung seines Familiennamens beantragt. Er wurde 1984 in Hannover als Kind des marokkanischen Staatsangehörigen A. S. und der spanischen Staatsangehörigen M.-T. M. V. geboren. Die Eltern hatten 1977 geheiratet. Sie haben keine Erklärung zur Bestimmung des Ehenamens abgegeben. Ihre Ehe wurde 1995 geschieden. Ein 1974 vorehelich geborener erster Sohn der Eltern wurde zunächst mit dem Nachnamen der Mutter im Geburtenregister eingetragen. Nach der 1974 erfolgten Legitimationserklärung des Vaters und der Eheschließung der Eltern wurde als Randvermerk eingetragen, dass der Sohn die Rechtsstellung eines ehelichen Kindes erhält und den Familiennamen des Vaters trägt. Anlässlich der Geburt des Betroffenen wurde entspr. der schriftlichen Anzeige durch die Geburtsklinik der Name des Vaters, S., als Familienname des Betroffenen eingetragen. In Spanien wurde die Geburt des Betroffenen nachbeurkundet und ein zusammengesetzter Nachname, S. M., eingetragen. Die Reihenfolge der Namen wurde dort auf Antrag des Betroffenen umgekehrt und der Nachname in M. S. geändert.

Der Betroffene hat beim Standesamt unter Bezugnahme auf seine spanische Staatsangehörigkeit eine entsprechende Änderung seines Geburtseintrags beantragt. Das AG hat den Antrag zurückgewiesen. Die Beschwerde des Betroffenen ist vor dem OLG erfolglos geblieben. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit welcher er seinen Antrag weiterverfolgt.

Aus den Entscheidungsgründen:

[6] II. ... 2. In der Sache bleibt die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.

[7] a) Nach Auffassung des OLG erfolgte die Eintragung des Nachnamens S. zu Recht. Gemäß dem zur Zeit der Geburt des Betroffenen geltenden IPR sei der Familienname eines Kindes – wie nunmehr in Art. 10 I EGBGB geregelt – nach dem Recht des Staats zu beurteilen gewesen, dem das Kind angehöre. Wie sich aus dem im Beschwerdeverfahren eingeholten Rechtsgutachten ergebe, besitze der Betroffene seit seiner Geburt sowohl die spanische als auch die marokkanische Staatsangehörigkeit. Die spanische Staatsangehörigkeit könne zur Zeit der Eintragung im Geburtenregister nicht als die effektive Staatsangehörigkeit gemäß Art. 5 I 1 EGBGB festgestellt werden, zumal der Betroffene in Hannover geboren sei und dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe. Sofern sich eine effektive Staatsangehörigkeit nicht ermitteln lasse, sei in entsprechender Anwendung des Art. 5 II EGBGB das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts, mithin deutsches Recht, anzuwenden.

[8] Danach sei auf den Ehenamen der Eltern abzustellen. Die dazu seinerzeit geltende Regelung in § 1355 II 2 BGB a.F. sei auf den Fall eines nach Auslandsrecht nicht bestehenden gemeinsamen Familiennamens entsprechend anzuwenden gewesen. Zwar sei die damalige Regelung nach der Rspr. des BVerfG nicht mit dem GG vereinbar gewesen. Dies habe aber nicht zur Nichtigkeit der Bestimmung des Ehenamens und auch nicht zur Unrichtigkeit des Eintrags im Geburtenregister geführt. Vielmehr habe die geänderte gesetzliche (Übergangs-)Regelung den Ehegatten ermöglicht, den gebildeten Familiennamen rückgängig zu machen. Davon hätten die Eltern des Betroffenen aber keinen Gebrauch gemacht. Darüber hinaus hätten sie auch im Anschluss an die Ehescheidung keine abweichende Rechtswahl gemäß Art. 10 III EGBGB getroffen.

[9] b) Das hält rechtlicher Nachprüfung stand. Das OLG hat einen Anspruch des Betroffenen auf Änderung seines Geburtseintrags zu Recht verneint. Eine Berichtigung des Eintrags im Geburtenregister nach § 47 I 2 PStG ist nicht geboten, denn der eingetragene Familienname des Betroffenen ist nicht unrichtig.

[10] aa) Nach dem gemäß Art. 220 I EGBGB zur Zeit der Geburt des Betroffenen geltenden deutschen IPR war für das Namensrecht grundsätzlich das Personalstatut mit Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit maßgeblich, also das Heimatrecht des Namensträgers (BGHZ 56, 193 = FamRZ 1971, 426, 427 (IPRspr. 1971 Nr. 48); RGZ 95, 268, 272; 117, 215, 218; KG, NJW 1963, 51 (IPRspr. 1962–1963 Nr. 81); BayObLG, FamRZ 1965, 565 (IPRspr. 1964–1965 Nr. 100)). Dem entspricht die am 1.9.1986 in Kraft getretene ausdrückliche gesetzliche Regelung in Art. 10 I EGBGB.

[11] (1) Ausgehend von den Feststellungen des OLG, die von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen werden, besitzt der Betroffene seit seiner Geburt eine doppelte Staatsangehörigkeit, namentlich die von seinem Vater vermittelte marokkanische und die von seiner Mutter vermittelte spanische Staatsangehörigkeit. Im Fall doppelter Staatsangehörigkeit war schon zum Zeitpunkt der Geburt des Betroffenen das Recht desjenigen Staats maßgeblich, mit dem die Person am engsten verbunden ist (BGHZ 75, 32 = FamRZ 1979, 696, 698 (IPRspr. 1979 Nr. 83); seit 1.9.1986: Art. 5 I EGBGB). Dass das OLG hier von einer Anwendbarkeit des Art. 5 I 1 EGBGB ausgegangen ist, ist im Ergebnis unschädlich. Denn eine Änderung gegenüber der bis zum 31.8.1986 bestehenden Rechtslage war mit Art. 5 I EGBGB allenfalls im Fall einer (auch) bestehenden deutschen Staatsangehörigkeit verbunden, während die Ermittlung des Personalstatuts bei ausländischen Doppelstaatern schon zuvor durch die effektive Staatsangehörigkeit konkretisiert wurde (vgl. BGHZ 75 aaO; MünchKomm-Sonnenberger, 3. Aufl., Art. 5 EGBGB Rz. 2; Staudinger-Bausback, BGB [2013], Art. 5 EGBGB Rz. 1).

[12] (2) Das OLG ist davon ausgegangen, dass zum Zeitpunkt der Eintragung im Geburtenregister eine effektive Staatsangehörigkeit nicht festgestellt werden könne. Die dagegen von der Rechtsbeschwerde erhobene Rüge, das OLG habe allein auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Neugeborenen und seiner Eltern abgestellt und damit den Rechtsrahmen falsch abgesteckt, ist nicht begründet.

[13] Ebenso wie die Feststellung der Staatsangehörigkeit nach Auslandsrecht liegt auch die Feststellung der effektiven von mehreren Staatsangehörigkeiten vornehmlich in der Verantwortung der Tatsachengerichte und ist nur der eingeschränkten Kontrolle durch das Rechtsbeschwerdegericht unterworfen. Davon geht auch die Rechtsbeschwerde aus. Die Feststellung des OLG ist vom Rechtsbeschwerdegericht nur daraufhin zu überprüfen, ob die maßgebenden Rechtsbegriffe verkannt oder für die Einordnung unter diese Begriffe wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen worden sind. Der rechtlichen Überprüfung unterliegt insbes., ob der Tatrichter sich mit dem Verfahrensstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, seine Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (vgl. Senatsbeschluss vom 26.2.2014 – XII ZB 235/12, FamRZ 2014, 823 Rz. 15 m.w.N.).

[14] Ein solcher Fehler ist dem OLG nicht unterlaufen. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat es die Feststellung der effektiven Staatsangehörigkeit nicht deswegen als ausgeschlossen angesehen, weil Eltern und Kind bei Geburt und Eintragung des Betroffenen in das Geburtenregister ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten. Vielmehr hat es den gewöhnlichen Aufenthalt lediglich als einen von mehreren Gesichtspunkten angeführt, die für die Feststellung, mit welchem Staat die Person am engsten verbunden ist, heranzuziehen sind. Daneben hat es – übereinstimmend mit dem nunmehr geltenden Art. 5 I 1 EGBGB – auch den Verlauf des Lebens genannt. Damit hat das OLG zutreffende rechtliche Maßstäbe zugrunde gelegt.

Fundstellen

Bericht

FamRB, 2015, 389
FuR, 2015, 604
NZFam, 2015, 887

nur Leitsatz

FamRZ, 2015, 1602, mit Anm.Mankowski
FF, 2015, 378

LS und Gründe

FamRZ, 2015, 1477
FGPrax, 2015, 217
MDR, 2015, 895
NJW-RR, 2015, 1089
StAZ, 2015, 302

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2015-9

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