Art. 194 I des türkischen Zivilgesetzbuchs beinhaltet eine vom Güterstand unabhängige Verfügungsbeschränkung, wonach ein Ehegatte nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des anderen Ehegatten einen Mietvertrag über die Familienwohnung kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräußern oder die Rechte daran beschränken kann, die als allgemeine Ehewirkung unter Art. 14 EGBGB zu subsumieren ist.
Liegt die Zustimmung nach Art. 194 I des türkischen Zivilgesetzbuchs nicht vor, kommt grundsätzlich ein Unterlassungsanspruch – gestützt auf die allgemeinen ehelichen Pflichten aus Art. 185 des türkischen Zivilgesetzbuchs oder auf §§ 823 II, 1004 BGB – nebst Grundbucheintragung eines Verfügungsverbots in Betracht. [LS der Redaktion]
Die ASt. wendet sich gegen die Versagung von VKH für die von ihr im Wege der einstweiligen Anordnung beantragte Eintragung eines Veräußerungsverbots. Die Beteiligten sind getrennt lebende Ehegatten türkischer Staatsangehörigkeit. Nach der Trennung verblieb die ASt. mit den gemeinsamen minderjährigen Kindern in der im Alleineigentum des AGg. stehenden Ehewohnung. Mit Beschluss hat das AG – FamG – Villingen-Schwenningen den VKH-Antrag der ASt. zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss wendet sich die ASt. mit ihrer beim AG Villingen-Schwenningen erhobenen Beschwerde. Das FamG hat der Beschwerde aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses nicht abgeholfen und die Akten dem BeschwG zur Entscheidung vorgelegt.
[1]II. ... 2. Ziel der Rechtsverfolgung der ASt. ist entgegen der Ansicht des FamG nicht die Eintragung einer Vormerkung, sondern die eines Veräußerungsverbots. Dies ergibt sich sowohl aus dem Antrag selbst, als auch aus dem klarstellenden Schriftsatz der ASt. vom 23.4.2015. Sie strebt nicht die – mit einer Vormerkung zu erreichende – rangwahrende grundbuchrechtlich Sicherung einer künftigen Rechtsänderung an, sondern möchte mit der Eintragung im Grundbuch eine Rechtsänderung, insbesondere einen gutgläubigen Erwerb von Rechten an dem Grundstück, gerade verhindern.
[2]Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass die ASt. in ihren Schriftsätzen auch den Begriff der Vormerkung verwendet, denn dies beruht erkennbar darauf, dass sie ihr Begehren auf Art. 194 türk. ZGB stützt. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift kann ein Ehegatte nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des anderen einen Mietvertrag über die Familienwohnung kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräußern oder die Rechte daran beschränken. Der von der ASt. ebenfalls erwähnte Abs. 3 sieht zwar vor, dass der Ehegatte, der nicht Eigentümer der Immobilie ist, die der Nutzung als Familienwohnung gewidmet ist, ‚die erforderliche die Familienwohnung betreffende Vormerkung im Grundbuch verlangen’ kann. Allein aufgrund der Verwendung des Begriffs der Vormerkung kann der Antrag jedoch nicht abweichend vom eindeutigen Rechtsschutzziel der ASt. dahingehend ausgelegt werden, dass die Eintragung einer Vormerkung anstelle eines auf Art. 194 I türk. ZGB gestützten Veräußerungsverbots begehrt wird.
[3]Nach dem Vortrag der ASt. besteht konkreter Anlass zu der Befürchtung, dass der AGg. über die als Familienwohnung genutzten Räume verfügen will bzw. bereits verfügt hat.
[4]Bei Anwendung türkischen Rechts bedarf es hierzu – anders als bei § 1365 I BGB – unabhängig von der Vermögenssituation des AGg. gemäß Art. 194 I türk. ZGB der Zustimmung der ASt. Liegt diese nicht vor, kommt grundsätzlich ein Unterlassungsanspruch – gestützt auf die allgemeinen ehelichen Pflichten aus Art. 185 türk. ZGB (Staudinger-Thiele, BGB [2007] § 1368 Rz. 8 für die Verfügungsbeschränkung nach § 1365 BGB) oder auf §§ 823 II, 1004 BGB (AG Baden-Baden, FamRZ 2009, 1344; AG Nordenham, FamRZ 2013, 36, beide ebenfalls zu § 1365 BGB) – nebst Eintragung eines Verfügungsverbots in Betracht (OLG Celle, NJW 1970, 1882; AG Baden-Baden FamRZ 2009, 1344; AG Nordenham FamRZ 2013, 36; Bahrenfuss-Socha, FamFG, 2. Aufl. [2013], § 52, Rz. 16; Palandt-Brudermüller, BGB, 74. Aufl. [2015], § 1365 Rz. 25).
[5]3. Entgegen der nicht näher begründeten Auffassung des FamG findet vorliegend aufgrund der türkischen Staatsangehörigkeit beider Ehegatten türkisches Recht Anwendung. Maßgebend ist dabei das Statut der allgemeinen Ehewirkungen nach Art. 14 I Nr. 1 EGBGB und nicht das güterrechtliche Statut nach Art. 15 EGBGB, denn Art. 194 türk. ZGB ist keine güterrechtlich zu qualifizierende Vorschrift. Auf die Rückverweisung in Art. 15 II IPRG 2007 (Gesetz Nr. 5718 über das internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht vom 27.11.2007 [Resmi Gazete Nr. 26728]), der für güterrechtliche Auseinandersetzungen auf die Belegenheit des Grundstücks abstellt, kommt es daher insoweit nicht an.
[6]Die Zuweisung der Vorschrift des Art. 194 türk. ZGB zum Ehewirkungsstatut zeigt sich bereits aus seiner systematischen Stellung im türkischen ZGB. Während das Güterrecht im 4. Abschn. geregelt ist, findet sich Art. 194 ZGB im 3. Abschn. über die Wirkungen der Ehe im Allgemeinen. Art. 194 ZGB beinhaltet damit eine vom Güterstand unabhängige Verfügungsbeschränkung bzgl. der Ehewohnung, die erkennbar dem Schutz der Gestaltung des ehelichen Lebens dient und deshalb unter Art. 14 EGBGB zu subsumieren ist (Staudinger-Mankowski aaO Art. 14 EGBGB Rz. 302 f.; Johannsen-Henrich, Eherecht, 6. Aufl. [2015], Art. 15 EGBGB Rz. 30; jurisPK-BGB-Ludwig, 7. Aufl. [2014], Art. 14 EGBGB Rz. 23; Schaal, BWNotZ 2009, 172, 175).